Cemil Bayik zur Situation in Westkurdistan/Syrien

cemil-bayik-1-eylul-son-gun_742377_720_400Cemil Bayik, Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans KCK, hat die grundlegende Sicht der Freiheitsbewegung Kurdistans in Hinsicht auf Syrien bewertet. Cemil Bayik machte in einer Reportage vom 3. Mai 2012 in der Yeni Özgür Politika auf die Entwicklungen in Syrien, die Rolle der Kurden und die aggressive Syrien-Politik der Türkei aufmerksam und erklärte die historische Situation und projizierte dies auf die zukünftige demokratische Lage und der Wichtigkeit eines realistischen, politischen Vorgehens.

Cemil Bayik erklärt, dass die aktive Politik der Türkei gegenüber Syrien – wo ca. drei Millionen Kurden leben – die Durchsetzung der kurdischen Rechte verhindern soll, und dass diese Politik der Türkei dem realen Wandel und der Demokratisierung Syriens entgegensteht. Cemil Bayik bewertete außerdem den Annan-Plan, die Rolle der PYD in Syrien, die Forderungen der Kurden nach Demokratie und Autonomie und den kurdischen Frühling, der in den westlichen Medien im Schatten des „Arabischen Frühlings“ gehalten wird.

Es ist auffällig, dass die Türkei in Hinsicht auf Syrien die schärfste Sprache unter den anderen Ländern spricht. Trotz des Annan-Plans halten aktuell immer noch Diskussionen über eine Pufferzone statt. Wie ändert sich das Gleichgewicht der Kräfte in Syrien, wenn die Position der Kurden einbezogen wird?
Es ist unmöglich, dass sich die Macht in Syrien mit dem bisherigen Charakter aufrecht erhält. Syrien muss sich ändern. Es ist undenkbar, dass in Syrien das Regime mit den alten Machtblöcken standhält. Aktuell wird darüber diskutiert, welchen Charakter dieser Wandel haben soll. Hierbei ist die Position der Kurden strategisch. Das Regime in Syrien wird sich ändern, aber wird es ein demokratisches System, oder werden die alten, autoritären Machtblöcke gehen und an ihre Stelle, unter neuen Voraussetzungen, ein nicht demokratischer neuer Block an die Macht kommen?!
Offensichtlich ist folgendes: Wenn die Kurdenfrage nicht gelöst wird, wird der Wandel in Syrien nichts anderes bringen als einen Machtwechsel. Aus dieser Sicht ist die Position der Kurden strategisch. Wenn dem demokratischen Kampf der Kurden ihre Anerkennung und demokratische Rechte folgen, dann wird dies für Syrien bedeuten, dass ein wirkliches pluralistisches Gefüge geschaffen wurde. In einem Syrien, in dem die Kurden ihre eigene demokratische Verwaltung erhalten, werden alle ethnischen und religiösen Gesellschaften ihre Freiheit erlangen. Aber falls sich bei diesem Wandel eine Herrschaft herausbildet, die die Existenz der Kurden und ihre Selbstverwaltung nicht anerkennt, dann bedeutet dies letztendlich, dass sie allen ethnischen und religiösen Gesellschaften ähnliche Rechte vorenthält.
Natürlich wird die Errungenschaft der eigenen Selbstverwaltung der Kurden in Syrien und die politische Stellung, die sie erzielen, Auswirkungen auf alle Teile Kurdistans haben. Insbesondere werden die Kurden in der Türkei direkt beeinflusst werden. Wenn in Syrien das Recht auf Selbstverwaltung durchgesetzt wird, dann wird die Türkei, mit über 20 Millionen Kurden, bei dem Thematik der Anerkennung des Rechts auf eine eigene Selbstverwaltung und demokratische Autonomie in Bedrängnis kommen. Für die Türkei wird die Ablehnung der demokratischen Autonomie noch schwerer werden.
Die Türkei will Einfluss auf die aktuelle Phase des Wandels in Syrien nehmen, damit die Kurden ihre Rechte nicht erlangen. Aus diesem Grund stehen sie der Ihvan-i Müslim (Muslimbruderschaft) bei. Der stärkste Gehilfe der Ihvan-i Müslim ist die Türkei. Die Türkei unterstützt von Beginn an die Ihvan-i Müslim ob in Ägypten, Libyen und Tunesien, um Einfluss auf das neue kommende Regime haben zu können.
Die Türkei will in Syrien einen starken Einfluss gegen die Errungenschaft der Kurden entwickeln. Es ist Demagogie, wenn die Türkei von Einhaltung der Menschenrechte, von Demokratie etc in Syrien spricht. Daran glaubt niemand mehr. Jede/r hat verstanden, dass die Türkei mit dem Einfluss auf Syrien politische und ökonomische Vorteile gewinnen will. Dies sind die Gründe, warum die Türkei die aktive Politik verfolgt.
Die Politik der Türkei steht im Gegensatz zur Realität eines sich wandelnden und demokratisch werdenden Syriens. Das neue Syrien kann nicht wie in Ägypten, Libyen oder Tunesien werden. Das sich neu formierende Syrien kann sich in ein System verwandeln, in dem verschiedene ethnische und religiöse Gesellschaften sich in einer Demokratie selbst verwalten. Es gibt in Syrien Kurden, Aleviten, Ismailiten, Armenier, Assyrer und Drusen. All diese bilden zusammen ca. die Hälfte der Gesellschaft. Syrien wird demokratisch, wenn in ihr die Rechte, die demokratischen Autonomievertretungen der verschiedenen Gesellschaften, anerkannt werden. Dagegen will die Türkei, dass die Ihvan-i Müslim eine dominante Kraft wird. (…) Zweifellos muss die Ihvan-i Müslim ihren Platz im neuen demokratischen System im Syrien einnehmen. Es darf keine unterdrückende Politik wie die Ausgrenzung während des vergangenen Baath-Regimes geben. Sowohl die Ihvan-i Müslim als auch der politische Islam müssen im vorliegenden System, wie jede andere Kraft auch im demokratischen System ihren Platz einnehmen können. Wenn die politischen Islamisten aber sagen, wir wollen die führende Kraft sein, dann kann dies natürlich kein demokratisches und gewandeltes Syrien werden.
Da die Türkei nicht will, dass Syrien ein pluralistisches, demokratisches Land wird, ist sie momentan das stärkste Hindernis. Die Opposition in Syrien hätte einen noch demokratischeren Charakter, wäre nicht das Hindernis Türkei. Ohne das Einwirken der Türkei wäre die Opposition demokratischer, einflussreicher. Sie verlängert mit ihrer Politik die Fortdauer des alten Systems.
(…)
Die Türkei sagt, sie will eine Pufferzone schaffen. Dies ist ein Grund für die Verschärfung der Krise und der Kämpfe. Die Politik der Türkei hat einen Einfluss darauf, dass der Annan-Plan ohne Wirkung blieb. Die Türkei wünscht eine Verschärfung des Problems und eine Ausweitung der Kämpfe. Mit der Schaffung einer Pufferzone, und weil sie das Land mit der längsten gemeinsamen Grenze zu Syrien ist, will sie eine aktivere Rolle. Aber da die Politik der Türkei nicht der Realität Syriens entspricht, wird sie kaum wirksam sein. Eine Politik, in dessen Zentrum das Verhindern der Rechte für die Kurden steht, steht im Widerspruch zur Realität Syriens. (…) Eine Türkei, deren Bemühungen sich nur darum drehen, der Durchsetzung der demokratischen Rechte der Kurden im Wege zu stehen, wird ohne Erfolg sein.
Es ist eine Realität, dass eine demokratische Opposition ohne Kurden erfolglos sein wird. Außerdem ist es erwiesen, dass die Kurden in Syrien die demokratische Kraft mit der stärksten Dynamik sind. Wenn sich ein demokratisches Syrien verwirklichen soll, müssen die Kurden dabei eine wirkungsvolle Rolle spielen können.
Zu Beginn der Krise in Syrien wurde hauptsächlich ein Wandel mit der Ihvan-i Müslim im Zentrum zur Sprache gebracht. In der jetzigen Phase überwiegen die Gedanken über ein neues und demokratisches Syrien, in dem die demokratischen Rechte der Kurden und die demokratische Autonomie anerkannt werden. Es wird immer deutlicher, dass in Syrien die demokratischen Kräfte die Kurden, Aleviten, Drusen, Ismailiten, Armenier, Assyrer, ArbeiterInnen und Frauen sind. Sie werden in einem neuen Syrien die dynamischste und wirkungsvollste Kraft sein. (…)
In einer Umgebung frei von Kämpfen, wären die Voraussetzungen gegeben gewesen, eine breitgefächerte, demokratische Opposition und Alternativen zur Herrschaft hervorzubringen. Aber sowohl die derzeitige Regierung als auch die Oppositionskräfte, die Syrien selbst dominieren wollen und den Annan-Plan für ihre Kräfte und Kriegstaktiken einnehmen wollen, verringern mehr und mehr die Chancen dafür. Aber weder die derzeitige Regierung noch die neuen Kräfte, die das Monopol der Macht einnehmen wollen, werden mit ihrer Politik ihre erwünschten Ergebnisse erreichen.
Am Ende werden doch die Kräfte, die eine breitgefächerte, demokratische Opposition bilden, das Schicksal Syriens bestimmen. Die breitgefächerte, demokratische Opposition, in der essentiell die Kurden teilhaben, hat größere Chancen und Voraussetzungen als alle anderen Kräfte, das neue Syrien zu schaffen. Letztendlich werden sogar wichtige Teile der Oppositionskräfte, die im Nationalrat [Syrische Nationalrat (SNR)] vertreten sind, diese Realität anerkennen, ihre Haltung ändern und den Platz am Kampf für ein demokratisches Syrien einnehmen.

Was sind die Gefahren, die die Kurden in dieser Krisensituation erwartet und welche Strategie können sie sich dagegen zu Eigen machen?
Die Kurden sind die lebhafteste und demokratischste Kraft in Syrien. Das sieht die gesamte Welt. Jetzt ist es für die Kurden natürlich wichtig, eine Einheit sicherzustellen. Es ist wichtig für die demokratische Bewegung der Kurden eine gemeinsame Haltung einzunehmen. Wenn dieses geschaffen ist, wird es unmöglich sein, die Kurden während der Transformation Syriens auszugrenzen. Sie sind dann gezwungen, die demokratische Autonomie der Kurden anzuerkennen. Aber falls die Kurden nicht geschlossen auftreten …, die türkische Regierung will sie auf jeden Fall zerteilen. Verschiedene kurdische Parteien wollen mit Unterstützung von außen, und sogar in Beziehungen mit der Türkei, die Partei für eine Demokratische Einheit (PYD) im neu geschaffenen Syrien außen vor lassen. Dies sind gefährliche Ansätze. Sowohl die Ansätze der Türkei als auch die Ansätze einiger kurdischer Gruppen, die sich nicht auf die Gesellschaft stützen sondern auf verschiedenste Kräfte von außen, stellen eine Gefahr dar. Ohne Zweifel muss die demokratische Kurdenbewegung ausnahmslos alle politischen Kräfte in einem gemeinsamen Widerstand sammeln. In einer Einheit dürfen auch schwächere Kräfte nicht ausgegrenzt werden. Es wird die Kurden stärker machen. Wenn sie das sicherstellen, dann werden die Kurden bei der Transformation Syriens, im Demokratisierungskampf, eine erkennbare entscheidende Kraft sein. Vor allem wird die Entwicklung und Stärkung der Frauenbewegung für die Demokratisierung Syriens eine wichtige Kraft sein. Aus diesem Grund müssen sich die Kurden in Syrien gemeinsam in Bewegung setzen. Wenn sie als Einheit mit einem gemeinsamen Willen und unabhängig vorgehen, werden sie bei der Demokratisierung Syriens eine Kraft werden, die Beachtung findet. Bei solch einem Vorgehen wird niemand die Kurden ausgrenzen können. Jeder andere Ansatz wird wirkungslos bleiben.
Die Forderungen der Kurden und ihr Verständnis von Demokratie sind gleichzeitig die Forderung zur Demokratisierung Syriens. Wer dies akzeptiert, akzeptiert auch die Demokratisierung Syriens. (…) Denn diejenigen, die diese Forderungen ablehnen, können Syrien überhaupt nicht demokratisieren. Die derzeitige Regierung hat sich gerade deswegen nicht ändern können, weil sie diese Forderungen abgelehnt hat und ist so zu einem autoritären Regime geworden. Wenn sie die Forderungen der Kurden richtig verstanden und mit Vernunft betrachtet hätte, hätte dies eine Systemänderung mit sich gebracht. Aber anstatt dies zu tun, hat sich das syrische Regime mit der Türkei zusammengetan und versucht, die kurdische Befreiungsbewegung zu unterdrücken. Fragt man sich, warum es seinen autoritären Charakter weitergeführt hat, warum es in diese Situation gelangen konnte, ist die Antwort, weil es eine reaktionäre Allianz mit der Türkei eingegangen ist.
In Syrien haben sich aber dann die politischen Verhältnisse geändert. Die USA haben eine andere Politik eingeschlagen. Als die Türkei dies erkannt hat, veränderte auch sie ihre Politik zu Syrien, um im neu geschaffenen Syrien Einfluss zu bekommen, um sich gegen die Durchsetzung der Rechte der Kurden zu stellen. Auch die alten Beziehungen mit dem derzeitigen Regime in Syrien waren im Grunde darauf gebaut, dass die Kurden keine Rechte in der Region durchsetzen können.
Der antidemokratische Charakter des derzeitigen syrischen Regimes war im Grunde ein Ergebnis der Beziehungen mit der Türkei. Das syrische Regime hat diese Realität noch immer nicht verstanden. Es ist noch immer so blind, sodass sie nicht sehen können, wohin sie die Beziehungen mit der Türkei geführt haben. In der Vergangenheit hat sie nur die Feindschaft zu den Kurden mit der Türkei zusammengebracht.
Es ist bekannt, was vor einiger Zeit im Irak mit denen passiert ist, die die Kurdenfrage nicht lösen konnten. Hätte das damalige Regime an diesem Punkt ernsthafte Schritte unternommen, hätte dies eine Änderung der Politik bedeutet. Weil es das nicht geschafft hat, konnte es sich nicht auf einer demokratischen Basis stärken und seine Existenz unter neuen Voraussetzungen in einem breitgefächerten Machtblock weiterführen.
Noch heute versteht ein Teil der Opposition diese Realität nicht. Vor allem die Teile, die in Beziehung mit der Türkei stehen. Dies ist natürlich die Weiterführung des Rückschritts auf einer anderen Art. Die Kurden dürfen dieses nicht akzeptieren. Sie müssen offen dagegen halten. Die Kurden müssen offen dafür sprechen, dass der Strategiewechsel und die Demokratisierung Syriens nur über die Anerkennung der Forderungen des kurdischen Volkes gehen. Sie müssen offen darlegen, dass sie mit keiner Kraft eine politische Gemeinschaft eingehen werden, die nicht diese Einstellung teilt. Wenn sie das tun werden, dann können die wirklichen demokratischen Kräfte Syriens ihre Dynamik beschleunigen und an Stelle der derzeitigen Machtverhältnisse werden neue Koalitionen treten, die den Demokratiewechsel Syriens zum Ziel haben.

Wie erklären Sie sich das Phänomen, dass, obwohl das kurdische Volk bedeutende Massenaktionen durchführt, vom „Arabischen Frühling“ die Rede ist, der Westen aber beim „kurdischen Frühling“ stumm bleibt?
Der kurdische Frühling dauert seit zwanzig Jahren an. Die Volksaufstände in den 1990ern und die ständigen Aufstände des kurdischen Volkes hat zu großen Umbrüchen in Kurdistan mit großen Frühlingen geführt. Es gibt keine andere Revolution, bei der so viele kollektive Ergebnisse erzielt wurden wie bei der Revolution in Kurdistan. Das ist kein Widerstand der einen Tag, sechs Monate oder ein Jahr andauert. Es ist auch kein Übergang von einer Macht zur anderen. Es ist nicht nur ein seit Jahrzehnten dauernder Kampf gegen Ausbeutung und gegen die Kräfte, die das kurdische Volk verleugnen; er hat zunächst einmal sich selbst geändert und verändert. Er hat das kurdische Volk dazu gebracht, die Freiheit und Demokratie zu lieben und sich dafür kollektiv zu widersetzen. Aus diesem Grund erlebt die kurdische Gesellschaft in zwanzig Jahren Revolution einen Frühling der Umbrüche bringt.
Es wird vom „Arabischen Frühling“ gesprochen, dieser dauert in Tunesien ein bis zwei Monate, in Ägypten ein paar Wochen. Der Revolutionskampf der kurdischen Freiheitsbewegung ist nicht so! Sogar wenn wir die Zeit vor 1990 nicht mitzählen, dauert der große kollektive Kampf schon knapp 25 Jahre an. Er ändert sich, er verändert die Türkei, den Mittleren Osten, die Frau, die Jugend, er ändert das Politikverständnis, schafft den Willen des Individuums und des Kollektivs, er führt dazu, dass die Gesellschaft spürt, welche Kräfte sie besitzt. Dies alles wurde in diesen Jahren geschafft. Früher waren die Kurden der Autorität von Agas, Beys und Seyhs [Feudalherren] ausgesetzt. An ihre Stelle sind jetzt die demokratische Nation und der demokratische Willen der Gesellschaft getreten. Das kurdische Volk ist nicht mehr eine Gesellschaft, welche von anderen gelenkt wird. Aus dieser Sicht ist sie eine Gesellschaft, die den demokratischen Umbruch nachdrücklich erlebt hat. Sie hat Umbrüche in Umbrüchen erlebt. Sie hat eine emotionale Revolution, eine Revolution des Denkens, eine kollektive Revolution, eine Nationalrevolution, eine politische Revolution, eine soziale Revolution und eine Kulturrevolution erlebt. Kann es einen noch größeren Frühling geben?
Schaut man auf die kurdische Bewegung, dann sieht man, dass die ganze Gesellschaft in diesem Kampf steht. Die Stellung der kurdischen Mütter und der Frauen in diesem Kampf zeigt den Charakter dieser Revolution. Daher drückt sie, anders als bei den politischen Kämpfen oder den Bewegungen die einen Machtwechsel einleiten und „Arabischer Frühling“ genannt werden, die wahre Revolution aus. Wenn von einem Frühling die Rede sein soll, dann von dem, den die Kurden seit zwanzig Jahren erleben. Politisch gesehen, zeigt die Nichtanerkennung des Rechts der Kurden auf Selbstverwaltung durch die verschiedenen Länder, der Türkei und den Kräften in der Region nicht die Mängel und Unfähigkeit dieser Revolution auf, sondern ist begründet in der Tyrannei dieser Kräfte und der Unterstützung von tyrannischen Staaten wie der Türkei durch internationale Kräfte.
Im türkischen Staat findet seit Jahrzehnten ein bisher nicht gesehener Frühling statt, bei der eine Bewegung in sich eine demokratische, soziale und kulturelle Revolution erlebt und diejenigen, die heute sagen sie unterstützen den „Arabischen Frühling“, unterstützten den türkischen Staat, der diese kollektive Dynamik unterdrückt. Das Volk Kurdistans ist seit zwanzig Jahren im Aufstand, ständig demonstriert es und widersetzt sich. In diesem Widerstand sind Zehntausende von ihnen als Märtyrer gefallen. Wer kann also behaupten, die Kurden hätten zu wenig Widerstand geleistet? Wer kann behaupten, die Kurden hätten keinen kollektiven Kampf, keinen revolutionären Kampf geführt? Der Westen unterstützt den türkischen Staat, um den Erfolg dieser Revolution zu verhindern. Aus dieser Sicht ist verständlich, dass sie gegenüber dem kurdischen Frühling stumm bleibt. Nicht weil sie nicht erkennen oder verstehen, dass der Kampf der Kurden wirklich ein Frühling ist, sondern weil dies nicht mit ihren Interessen übereinstimmt. Sie übersehen den kurdischen Frühling, weil es ein wirklicher Frühling ist, den niemand kontrollieren kann. Sie sehen über die Politik der Unterdrückung des türkischen Staates hinweg.
Keine äußere Kraft kann die gesellschaftliche Realität, die der kurdische Frühling geschaffen hat, kontrollieren. Der Freiheits- und Demokratiegedanke hier ist tief verwurzelt. Dieses Volk hat einen Kampf geleistet, der das Bewusstsein über Demokratie und Freiheit vertieft hat. Dies hat tiefe Emotionen geschaffen. Das Bewusstsein von Freiheit und Demokratie konnte sich vertiefen. Und der Westen will solch eine freiheitliche Einstellung und ein solches Leben nicht. Sie möchten eine Gesellschaft, die sie kontrollieren, lenken und anführen können. Aber der kurdische Frühling hat die Realität einer Gesellschaft hervorgebracht, die sie nicht kontrollieren können. Das Schweigen über diesen Frühling durch den Westen ist so zu verstehen. Eigentlich haben sie es sehr gut verstanden und sehr gut gesehen, darum haben sie sich abgewandt. Der Westen zeigt Interesse für die arabischen Bewegungen, weil er annimmt, diese bequem kontrollieren und lenken zu können. Erkennbar ist, dass sie diese Bewegungen, die ohne Führung und Organisation sind, schon gelenkt haben. Ohne Zweifel hat der „Arabische Frühling“, wie die Volksbewegungen genannt werden, eine neuen arabischen Geist, eine neue Realität des Mittleren Ostens geschaffen. Es wird weitaus schwieriger werden, die Völker im Mittleren Osten wie früher zu lenken und zu führen. Auch wenn diese Völker gegenwärtig kontrolliert gelenkt werden, werden sie zukünftig ihren eigenen Willen aufzeigen. Plump gesagt: Der Geist ist raus aus der Flasche.
Die internationalen Kräfte haben in der derzeitigen Situation einen Teilerfolg damit erzielt, die Volksbewegungen für ein neues System des Mittleren Ostens auf eine Linie zu bringen. Aber da sie den kurdischen Frühling bzw. die gesellschaftliche Realität der Kurden aufgrund ihres Charakters nicht lenken können, schweigen sie darüber und unterstützen den türkischen Staat dabei, die Bewegung zu unterdrücken und unwirksam zu machen. Sie schauen weg bei den Angriffen und bemühen sich darum, kollaborierende Kurden hervorzubringen, die ihnen ergeben sind und ihre Forderungen erfüllen.
Der kurdische Frühling ist so stark und wirkungsvoll, dass es unmöglich ist diese gesellschaftliche Realität in die alte Gestalt zurückzuwandeln und daraus eine kontrollierbare Gesellschaft zu schaffen. Die Geschichte dieser Revolution und der Wille, die freiheitlich-demokratische kurdische Realität, die sich durch diese Revolution mit neuen Umbrüchen in sich selbst entwickelt hat, wird seine Anerkennung sowohl durch den türkischen Staat als auch durch die westlichen Kräfte erzielen. Früher oder später wird das kurdische Volk mit seiner organisierten Kraft und seiner freiheitlich-demokratischen Haltung alle Kräfte dazu bringen, seinen demokratischen Willen anzuerkennen. Wenn der demokratische Wille des kurdischen Volkes anerkannt wird, werden alle Völker des Mittleren Ostens und die gesamte Menschheit gewinnen. Jede/r der Demokratie und Freiheit fordert, wird gewinnen. Wir können ruhig sagen, dass eine solche Demokratisierung und Befreiung, die Ergebnisse der Geschichte des kurdischen Frühlings sind, nicht nur in Kurdistan, sondern auch in der Türkei und im Mittleren Osten seine Wirkung zeigen wird.

Quelle: Yeni Özgür Politika, 03.05.2012, ISKU

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