Deutsche Guerillakämpferin in Kurdistan getötet
Die 31-jährige Hamburgerin Kelly Freygang (Codename Tijda Zagros) wurde am 29. April 2025 durch einen türkischen Drohnenangriff in den Medya-Verteidigungsgebieten Südkurdistan (Nordirak) getötet. Kelly Freygang wuchs in einem demokratisch und sozialistisch geprägten Elternhaus auf. Die kurdische Freiheitsbewegung lernte sie während ihres Jurastudiums kennen. 2017 schloss sie sich dem kurdischen Widerstand an und gehörte den Frauenverteidigungseinheiten YJA Star an. Nachdem die PKK am 28. Februar 2025 bereits einen einseitigen Waffenstillstand verkündet hatte, führte die Türkei ihre Angriffe unvermindert fort. Der Tod von Kelly Freygang steht in eklatantem Widerspruch zum aktuellen Friedensprozess und offenbart die systematischen Kriegsverbrechen der Türkei.
Türkische Politik: Reformen und Rhetorik
Die türkischen Angriffe auf kurdische Gebiete halten an. Parallel kündigte Parlamentspräsident Kurtulmuş die Einrichtung einer Kommission an, die sich mit einer politischen Lösung der kurdischen Frage befassen soll. Zusammensetzung und Zielsetzung sollen in Kürze festgelegt werden. Diese Kommission könnte dem Parlament erstmals eine tragende Rolle in einem möglichen Friedensprozess zukommen lassen – eine langjährige Forderung der DEM-Partei.
Erdoğan kündigte an, eine neue türkische Verfassung entwerfen zu wollen. Diese Verfassung sei, so Erdogan, ” (…) nicht für uns selbst, sondern für unser Land. Es geht mir nicht darum, wiedergewählt zu werden oder erneut zu kandidieren.” Die aktuelle Verfassung stammt aus dem Jahr 1980 und wurde nach dem damaligen Militärputsch unter der Führung des Militärs ausgearbeitet. Laut Erdoğan wäre die Gesellschaft unter einer von Putschisten geschriebenen Verfassung nicht zu vereinen. Gleichzeitig erklärte er, dass die ersten vier Artikel der Verfassung kein Problem seien. Diese Artikel legen fest, dass es nur die türkische Sprache, Nation und Flagge gibt – ein Ausschlusskriterium für die Anerkennung ethnischer Vielfalt.
Das Parlament verabschiedete außerdem das 10. Justizreformpaket, das unter anderem Hausarrest für bestimmte schwer kranke Häftlinge vorsieht – allerdings nicht für lebenslang Inhaftierte. Gülistan Kılıç Koçyiğit (DEM) kritisierte das Paket als unzureichend: „Es braucht mehr als kosmetische Korrekturen. Wir fordern die sofortige Freilassung aller unrechtmäßig Inhaftierten und strukturelle Veränderungen, die die gesellschaftlichen Wunden heilen.“
Die türkische Regierung verabschiedete ein weiteres Gesetzespaket, das der staatlichen Religionsbehörde Diyanet die Befugnis gibt, Koran-Ausgaben und Koran-Kommentare zu verbieten, die nicht ihrer konservativen und orthodoxen Auslegung entsprechen – ein Schritt, den viele als religiöse Zensur bewerten.
Gewalt gegen Frauen in der Türkei
Im Mai wurden in der Türkei mindestens 21 Frauen von Männern ermordet, womit die Zahl der Femizide seit Jahresbeginn auf 86 gestiegen ist. Die tatsächliche Zahl liegt vermutlich weitaus höher, da 20 weitere Frauen unter „zweifelhaften Umständen“ ums Leben kamen. Die Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen“ weist darauf hin, dass Täter oft Suizid, Unfälle oder natürliche Todesfälle vortäuschen. Somit ist die Dunkelziffer hoch.
Seit Jahren steht die Türkei international in der Kritik wegen unzureichender Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt. 2021 trat die Türkei aus der Istanbul-Konvention aus, die als zentrales internationales Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt gilt.
Frauenorganisationen setzen sich weiterhin für Schutzmaßnahmen ein. So protestierten Aktivistinnen in Wan gegen die Aufhebung eines Protokolls, das gewaltbetroffenen Frauen Zugang zu kostenloser rechtlicher Unterstützung ermöglichte. Bereits zuvor wurden Frauenhäuser, Beratungsstellen und Schutzräume durch staatliche Zwangsverwalter geschlossen.
Parallel dazu fand in Amed (tr. Diyarbakır) eine große Demonstration der Frauenbewegung TJA statt. Tausende Frauen forderten die Freilassung von Abdullah Öcalan als Voraussetzung für Friedensverhandlungen sowie die rechtliche Anerkennung kurdischer Identität, Sprache und Kultur. Weitere zentrale Forderungen betrafen die Gleichberechtigung von Frauen in Gesetzgebungsverfahren und Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Tülay Hatimoğulları, Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, erinnerte daran, dass Frauen in Kriegen und Konflikten besonders von Vertreibungen, Entrechtung und sexualisierter Gewalt betroffen sind.
Gewalt gegen Frauen in Nord- und Ostsyrien
Auch in Rojava und Nord- und Ostsyrien bleibt Gewalt gegen Frauen ein drängendes Thema. Nach einem erneuten Femizid in Qamişlo gingen Frauen auf die Straße, um ihren Protest auszudrücken. Sie forderten stärkeren Schutz und Unterstützung für Überlebende sowie die Abschaffung von Gesetzen, die mildernde Strafen bei Femiziden ermöglichen. Als Reaktion auf die Zunahme misogyner Verbrechen organisierte die Frauenorganisation Kongra Star mehrere Kundgebungen. Sie kritisierte die gesellschaftliche Gleichgültigkeit gegenüber diesen Verbrechen und forderte eine gemeinsame Haltung aller politischen Akteur:innen, Institutionen und Menschenrechtsorganisationen gegen geschlechtsspezifische Gewalt.
Treffen zwischen Delegation aus Nord- und Ostsyrien und Übergangsregierung
Am 1. Juni traf sich eine Delegation der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens mit der Übergangsregierung in Damaskus. Im Mittelpunkt der Gespräche stand die Vereinbarung mit der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) vom 10. März.
Als Ergebnis wurden vier Punkte festgehalten:
– Die Einrichtung spezialisierter Ausschüsse zur Überwachung der Umsetzung des Abkommens.
– Regelungen zur Vereinheitlichung von Prüfungen für Schüler:innen und Student:innen.
– Die Schaffung von Mechanismen zur Erleichterung der Rückkehr von Vertriebenen in ihre Heimat.
– Maßnahmen zur Stabilisierung der Situation in den Stadtteilen Aleppo, Eşrefiyê und Şêxmeqsûd.
Gefangenenaustausch in Aleppo
Am 1. April unterzeichneten die Nachbarschaften Eşrefiyê und Şêxmeqsûd in Aleppo ein 14-Punkte-Abkommen mit der Zentralregierung in Damaskus, das unter anderem den Austausch von Gefangenen vorsah. Die Situation in den betroffenen Stadtteilen war auch Thema des Treffens zwischen der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens und der damaszener Übergangsregierung am 1. Juni. Infolge dieser Gespräche wurde der Gefangenenaustausch am 2. Juni vollzogen: Nahezu 500 Gefangene wurden zwischen der Selbstverwaltung und der Regierung ausgetauscht.
Camp Hol: Rückführungen und Sicherheitsbedenken
Für syrische und irakische Familien im Camp Hol wurden Vereinbarungen zur Rückkehr getroffen. In dem Lager sind etwa 36.000 Menschen interniert, darunter Personen mit Verbindungen zum sogenannten Islamischen Staat (IS). Es handelt sich um die neunte Rückführung irakischer Familien in diesem Jahr. Zudem wurde eine Vereinbarung zwischen der Übergangsregierung in Damaskus, der Internationalen Anti-IS-Koalition und der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens getroffen, um syrischen Familien die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Es bleibt unklar, wie mit Rückkehrer:innen verfahren wird – und ob der IS diese Situation zur Rekrutierung neuer Kämpfer ausnutzt. Eine Übertragung der Lagerverwaltung an die damaszener Übergangsregierung lehnten die Verantwortlichen vom Camp Hol ab.
Erstarken des IS
Der IS verübte in der letzten Woche mehrere koordinierte Angriffe. Dabei wurden u. a. drei Sicherheitskräfte der Selbstverwaltung getötet. Die Nutzung von Autobomben und moderner Ausrüstung deutet auf wachsende operative Kapazitäten und ein breiteres Unterstützungsnetzwerk hin. Die SDF und Asayîş intensivieren ihre Gegenmaßnahmen.
Hinrichtungswelle im Iran hält weiter an
Die Lage in iranischen Gefängnissen spitzt sich weiter zu. Allein im Mai wurden mindestens 163 Personen hingerichtet, womit die Zahl der Exekutionen in diesem Jahr auf mindestens 518 gestiegen ist. Gleichzeitig wächst der Widerstand gegen die Hinrichtungen. Die Kampagne „Dienstags gegen Hinrichtungen“ erfährt zunehmend Unterstützung. In mindestens 38 iranischen Gefängnissen beteiligen sich Insass:innen, indem sie jeden Dienstag in einen eintägigen Hungerstreik treten. Auch Familien außerhalb der Gefängnisse schließen sich dem Protest an.
„Ich will Öcalan treffen“-Kampagne
Das Europäische Forum für Freiheit und Frieden (EFFP) hat unter dem Titel „Ich will Öcalan treffen“ eine neue Kampagne gestartet. Ziel ist es, die internationale Unterstützung für eine politische Lösung der kurdischen Frage und den Demokratisierungsprozess in der Türkei zu fördern. Die Kampagne beruft sich auf Abdullah Öcalans Aufruf vom 27. Februar und fordert seine uneingeschränkte Teilnahme an einem politischen Prozess. Um dies zu erreichen, ruft das Forum Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kunst, Politik und Medien dazu auf, Öcalan persönlich zu besuchen, um sich direkt mit seinen Ideen auseinanderzusetzen. Die Initiative fordert zudem eine Beendigung der Isolation Öcalans. Unterstützer:innen können sich per E-Mail, Brief oder öffentlichen Appellen an das türkische Justizministerium wenden, um eine Besuchserlaubnis für das Gefängnis auf der Insel Imrali zu beantragen.
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