In unserem neuen Newsletterformat werden wir ab sofort regelmäßig über die neuesten Entwicklungen in Kurdistan informieren. Das Format entsteht in Kooperation mit dem Podcast “Frieden für Kurdistan” und soll einen Überblick über alle relevanten Nachrichten aus Kurdistan und der Region geben.
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Newroz-Feuer leuchten über Kurdistan
Das kurdische Neujahrsfest findet immer zum Frühlingsanfang am 21. März statt. Deshalb wünschen wir an dieser Stelle allen Newroz pîroz be! Ein schönes Newroz-Fest!
Newroz-Feiern haben bei vielen Völkern im Zweistromland eine jahrtausendealte Tradition. Der Mythos, auf dem Newroz beruht, erzählt vom Widerstand gegen den grausamen Tyrannen Dahak. Am Ende siegt der Widerstand des Volkes, angeführt vom Schmied Kawa, und auf dem Dach des Tyrannenpalastes wird ein großes Feuer entzündet.
Der Höhepunkt der Newroz-Feierlichkeiten fand wieder in Amed (tr. Diyarbakır) statt. Unter dem Motto „Freie Führung – Demokratische Gesellschaft“ versammelten sich Hunderttausende im Newroz-Park, um den Beginn des neuen Jahres und den historischen Widerstandsgeist zu feiern. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der Aufruf des PKK-Gründers Abdullah Öcalan für Frieden und eine demokratische Gesellschaft sowie die Forderung nach einer diplomatischen Lösung der kurdischen Frage.
Newroz als politisches Signal
Das Fest in Amed war nicht nur Ausdruck kultureller Identität, sondern auch ein starkes politisches Signal. Es verband Hoffnung mit klaren Forderungen: nach einem Ende der Repression, der Freilassung Abdullah Öcalans und der Öffnung demokratischer Räume. Newroz 2025 wurde in Amed zur Plattform für eine klare Botschaft: Frieden ist nur möglich mit Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und der Anerkennung der kurdischen Identität und Rechte. Die Worte aus der Abschlusserklärung der politischen Gefangenen bringen es auf den Punkt: „Heute ist der Tag, den Kampf auszuweiten. Newroz in Amed ist ein Ausdruck des Willens zur Lösung und zum Frieden“.
Auch im deutschsprachigen Raum finden in vielen Städten Newroz-Feiern statt. Die zentrale Newroz-Feier in Deutschland findet am 29. März in Frankfurt am Main statt. Aus ganz Deutschland werden gemeinsame Busreisen organisiert.
Massaker durch türkischen Drohnenangriff
Im Dorf Berxbotan in der Region Kobanê sind am Montagabend zehn Menschen durch einen türkischen Drohnenangriff ermordet worden. Die zehn Ermordeten gehören alle zu einer Familie. Sieben der Opfer sind Kinder, darunter mehrere Kleinkinder und Babys. Ihre Namen lauten Ahîn Osman Ebdo, Dijle Osman Ebdo, Dilovan Osman Ebdo, Yasir Osman Ebdo, Ezîz Osman Ebdo, Saliha Osman Ebdo, Avesta Osman Ebdo, Osman Berkel Ebdo, Ronîda Osman Ebdo, der Vater der Kinder, und Xezal Osman Ebdo, die Mutter der Kinder.
Die Türkei richtet ihre Angriffe immer wieder gegen zivile Infrastruktur oder terrorisiert wie in diesem Fall direkt die Zivilgesellschaft. Mazlum Abdi, Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), forderte das syrische Zentralregime auf, seiner Verantwortung nachzukommen und Angriffe anderer Staaten zu verhindern. Er wendete sich in derselben Mitteilung auch an die internationale Gemeinschaft und forderte sie auf, Maßnahmen gegen solche Verbrechen zu ergreifen. Ein Waffenstillstand sei dringend notwendig, um einen erfolgreichen Übergang zu einem sicheren und prosperierenden Syrien zu gewährleisten.
Als Reaktion auf das Massaker haben die SDF am Dienstag Gegenangriffe auf türkische Militärstützpunkte und SNA-Lager in Syrien gestartet. Währenddessen gehen die militärischen Angriffe der Türkei und der SNA auf den Tişrîn-Staudamm und die Qereqozax-Brücke weiter. Auch die zivile Mahnwache am Staudamm wird täglich weitergeführt.
Reaktionen auf die Verfassungserklärung des HTS-Regimes
Die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyriens hatte bereits am 10. März mit der Zentralregierung in Damaskus ein Abkommen geschlossen, das die Grundlage für künftige Zusammenarbeit bildet. Es garantiert allen Syrer:innen die politische Teilhabe unabhängig von Religion oder Ethnie.
Der am 13. März unterzeichnete Entwurf einer neuen Verfassungserklärung durch die Übergangsregierung in Damaskus widerspricht allerdings diesen Prinzipien. In dem Entwurf wird festgehalten, dass die Rechtsprechung auf islamischen Grundsätzen, dem sogenannten Scharia-Recht, beruhen soll. Kritisiert wird zudem die fast uneingeschränkte Macht des Präsidenten, der wichtige Posten ohne Kontrolle besetzen kann – ein System, das laut der kurdischen Frauenbewegung Kongra Star dem türkischen Präsidialsystem ähnelt. Darüber hinaus arbeiteten fast ausschließlich sunnitische Araber am Entwurf, was laut der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens die Vielfalt Syriens ignoriere.
Die Demokratische Selbstverwaltung betonte bei einem Folgetreffen mit der Übergangsregierung die Notwendigkeit, alle Bevölkerungsgruppen in den politischen Prozess einzubeziehen. Die Notwendigkeit, alle Teile der Gesellschaft in den Prozess der Neuordnung einzubeziehen, zeigt sich nicht zuletzt an den Massakern an der alawitischen Minderheit an der Westküste Syriens. Bei Angriffen von dschihadistischen Gruppen, die zum Teil der Türkei nahe stehen, wurden in den vergangenen Wochen innerhalb nur weniger Tage über 1500 Zivilist:innen, vor allem Alawit:innen, ermordet. Das HTS-Regime kündigte an, alle Verbrechen zu ahnden. Gleichzeitig betonte es, gegen alle “Überreste des alten Regimes und seiner Offiziere“ vorgehen zu wollen. Aus Angst vor weiteren Massakern sind aktuell über zehntausend vor allem alawitische Syrer:innen auf der Flucht in den angrenzenden Libanon.
Die Bevölkerung Nord- und Ostsyriens hat sich bereit erklärt, den betroffenen Regionen jede erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen. Die Erklärung beinhaltete auch einen Aufruf zur materiellen und moralischen Unterstützung. Auf diesen Aufruf hin wurde ein Hilfskonvoi mit rund 20 Lastwagen mit Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern zusammengestellt, der am vergangenen Dienstag in der betroffenen Region eingetroffen ist.
Friedensprozess geht weiter – Türkei eskaliert Angriffe
Sechs kurdischstämmige Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben den Aufruf von Abdullah Öcalan als “Chance für eine friedliche, freiheitliche und demokratische Lösung der Kurdenfrage” begrüßt. Die fünf Abgeordneten der Linkspartei und ein Abgeordneter der Grünen forderten die Freilassung aller politischen Gefangenen in der Türkei. Weiterhin sei die Wiederherstellung der Amtsgeschäfte abgesetzter Bürgermeister:innen ein Schritt hin zu einer demokratischen Gesellschaft. Als notwendig für den Friedensprozess benannten die Abgeordneten zudem die Verankerung der kulturellen Rechte von Kurd:innen und anderen Minderheiten in der türkischen Verfassung. Des Weiteren appellierten die Politiker:innen an die Bundesregierung, ihren Einfluss gegenüber der Türkei geltend zu machen und so den Prozess zu unterstützen. Auch in Deutschland selbst müsse die ungerechtfertigte Kriminalisierung von kurdischen Aktivist:innen beendet werden.
Bereits am 1. März hatte die PKK nach einem Aufruf von Abdullah Öcalan einen einseitigen Waffenstillstand erklärt. Dennoch intensiviert der türkische Staat seit einigen Wochen seine Angriffe auf die PKK-Guerilla. Allein in der ersten Hälfte dieses Monats flog er über 5.000 Angriffe auf die Gebiete der Guerilla.
In der Türkei hat sich unterdessen eine Delegation der DEM-Partei mit Vertretern der ultra-nationalistischen MHP getroffen. Die MHP ist Koalitionspartner der Regierungspartei AKP des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan. Das Treffen fand im Rahmen einer Reihe von Gesprächen mit verschiedenen Parteien und politischen Akteuren zum historischen Aufruf Abdullah Öcalans statt. Eine Meldung über den Verlauf der Gespräche ist seitens der DEM-Partei noch nicht veröffentlicht worden. Im Raum steht auch ein Treffen zwischen der DEM-Partei und dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Auf Anfrage der DEM-Partei habe Erdoğan erklärt, er stehe dafür nach dem Fest des Fastenbrechens, Eid al-Fitr, Anfang April zur Verfügung.
Bürgermeister Istanbuls verhaftet
Das türkische Regime hat am vergangenen Mittwoch den Bürgermeister von Istanbul und voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten der kemalistischen CHP, Ekrem Imamoğlu, verhaftet. Neben Imamoğlu wurden 87 weitere Personen aufgrund von Haftbefehlen festgenommen. Darunter sind zwei Bezirksbürgermeister und leitende städtische Angestellte. Imamoğlu gilt als größter Konkurrent von Amtsinhaber Erdoğan bei den Präsidentschaftswahlen 2028.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Oppositionspolitiker vor, im Amt Bestechungsgelder angenommen zu haben. Außerdem soll er die Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, unterstützt haben, indem er sich mit der DEM-Partei in den Wahlen 2023 abgesprochen habe. Die DEM ist eine legale Parlamentspartei in der Türkei, die sich für eine demokratische Politik einsetzt. Sie hat enge Verbindungen zur kurdischen Freiheitsbewegung und wird deshalb vom türkischen Staat beschuldigt, eine Teilorganisation der PKK zu sein. Derartige Argumentationsmuster sind die Grundlage für die Gefangenschaft von über zehntausend Kurd:innen, die in der Politik, im Journalismus, in der Rechtshilfe oder im sozialen und kulturellen Bereich aktiv waren.
Massaker von Helebce vor 35 Jahren
Am 16. März jährte sich das Massaker von Helebce zum 35. Der damalige irakische Diktator Saddam Hussein hatte 1988 die hauptsächlich von Kurd:innen bewohnte Stadt fünf Stunden lang mit chemischen Waffen bombardieren lassen. Etwa 5.000 Menschen starben, viele weitere erlagen ihren Verletzungen. Mehr als 400 Kinder, die in iranischen Krankenhäusern behandelt wurden, gelten bis heute als vermisst.
Ermöglicht wurde dieser Angriff damals insbesondere durch die deutsche Firma Karl Kolb GmbH. Diese lieferte der Saddam-Diktatur die Stoffe zur Herstellung von Giftgas. Das Massaker von Helebce wurde vor Gericht verhandelt, hatte aber keine rechtlichen Konsequenzen für das Unternehmen.
Helebce gilt als trauriger Höhepunkt der dreijährigen Anfal-Kampagne Husseins, der 180.000 Menschen zum Opfer fielen. Die überwiegende Mehrheit der Opfer waren Kurd:innen.
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