Der Hungerstreik gegen die unmenschlichen Bedingungen in türkischen Haftanstalten wächst

Hişyar Özsoy, stellvertretender Co-Vorsitzender und außenpolitischer Sprecher der HDP, 31.03.2017

Am 31. März 2017 haben unser Co-Vorsitzender Selahattin Demirtaş und unser Abgeordneter Abdullah Zeydan, die beide im Gefängnis von Edirne gefangen gehalten wurden, einen Hungerstreik in Solidarität mit den Protestaktionen politischer Gefangener in der Türkei aufgenommen.

Die sich gegenwärtig ausweitenden Hungerstreiks in den Gefängnissen nahmen bereits im Februar ihren Anfang. Sie richten sich gegen die systematischen Rechtsbrüche in den türkischen Haftanstalten, die im Zuge der Notstandsverordnung nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15 Juli dramatische Ausmaße angenommen haben. Per Gesetzesdekrete wurden seitdem schwere Restriktionen bei dem Recht auf eine gerechte Gerichtsverhandlung vorgenommen. Das Recht auf eine juristische Verteidigung wurde ebenso massiv eingeschränkt, wie die Kommunikation der Gefangenen mit ihren Anwälten, Angehörigen und der Außenwelt. Mittlerweile erreichen die willkürlichen und unmenschlichen Strafpraktiken in den Gefängnissen ein alarmierendes Ausmaß: Sie drücken sich in Form von umfangreicher Folter, Einzelhaft, Strafversetzungen in andere Gefängnisse, unangemeldete regelmäßige Zellendurchsuchungen, Beschlagnahmung von persönlichen Gegenständen und der Beschränkung des Zugangs zu Fernseh- und Rundfunk, Zeitungen, Büchern und Briefen, die an die Gefangenen gerichtet sind, aus.

Derzeit befinden sich mehr als hundert politische Gefangene in mehreren Gefängnissen des Landes im Hungerstreik . Mit dem heutigen Datum ist der Hungerstreik im İzmir Aliağa-Şakran Gefängnis am 44. Tag, im Gefängnis von Edirne am 35. Tag, im Ankara-Sincan-Gefängnis am 36. Tag, im Gefängnis von Tekirdağ am 23.Tag, im Tarsus-Gefängnis am 16. Tag und im Van-Gefängnis am zehnten Tag angelangt. Bei all diesen Aktionen handelt es sich um unbefristete Hungerstreiks. Die Gesundheit einiger Hungerstreikender hat bereits eine kritische Phase erreicht.

In ihrer Botschaft an die Öffentlichkeit erklärten der HDP-Co-Vorsitzende Herr Demirtaş und der Abgeordnete Herr Zeydan Folgendes: „Weil die Leitung des Gefängnisses von Edirne sich einem Dialog komplett verschließt, die unrechtmäßige und menschenunwürdige Behandlung der Gefangenen weiter anhält und gegenüber den seit Tagen anhaltenden Hungerstreiks aus den anderen Gefängnissen keinerlei positive Schritte signalisiert werden, treten wir ab Freitag in den Hungerstreik. Wir rufen die Öffentlichkeit dazu auf, sich diesen Hungerstreiks und den Rechtsverstößen in den Gefängnissen anzunehmen.“

Am 1. April 2017 werden drei weitere gefangene HDP-Abgeordnete, Herr Ayhan Bilgen, Frau Meral Danış Beştaş und Herr Nihat Akdoğan, sowie die Co-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Regionen (DBP), Frau Sebahat Tuncel, einen Hungerstreik beginnen, um die öffentliche Wahrnehmung und die Sensibilität für dieses Thema zu stärken. Am 30. März beendete die eingesperrte Sprecherin der HDP-Frauenrates, die Abgeordnete Frau Besime Konca ihren fünftägigen Hungerstreik im Kandira-Gefängnis. Ihr Hungerstreik wird von Frau Ayla Akat Ata, die als ehemalige Abgeordnete und Sprecherin des Freien Frauenkongresses (KJA) ebenfalls inhaftiert ist, fortgesetzt.

Wir fordern alle internationalen demokratischen Institutionen auf, die türkischen Behörden dazu zu drängen, den Dialog mit den Gefangenen aufzunehmen und die schweren Rechtsverletzungen in den Gefängnissen zu beenden. Wir fordern alle betroffenen internationalen Menschenrechtsorganisationen dringend dazu auf, Delegationen in die Türkei zu entsenden, um das Thema vor Ort zu untersuchen, den Hungerstreik stärker in das öffentliche Bewusstsein zu tragen und sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um die unmenschlichen Bedingungen in türkischen Gefängnissen zu beenden.