Hungerstreik in den türkischen Gefängnissen: Appell von Menschenrechtsorganisationen

Menschenrechtsverein IHD und der Stiftung für Menschenrechte in der Türkei (TIHV), 03.04.2017

Seit dem 15 Februar 2017 befinden sich politische Gefangene in unterschiedlichen Gefängnissen der Türkei im unbefristeten Hungerstreik.

Die uns dazu vorliegenden Informationen lauten wie folgt:

Seit In dem Gefängnis Anzahl der Hungerstreikenden Tage
15.02.2017 Şakran T2 8 48
15.02.2017 Şakran T3 5 48
22.02.2017 Şakran Frauengefängnis 5 41
23.02.2017 Sincan Frauengefängnis 7 40
01.03.2017 Şakran T4 8 34
08.03.2017 Tekirdağ T-1 10 27
15.03.2017 Tarsus Frauengefängnis 5 21
22.03.2017 Şakran T 4 7 13
27.03.2017 Bolu F Tipi 10 7
01.04.2017 Hatay T Tipi 11 3
  1. In sechs unterschiedlichen Gefängnissen befinden sich insgesamt 76 Gefangene, darunter 17 Frauen, im unbefristeten Hungerstreik.
  2. Parallel zu diesem unbefristeten Hungerstreik finden seit dem 15 März 2017 in den türkischen Gefängnissen im 5-tägigen Takt rotierende Hungerstreiks statt. 29 Gefangene, die seit dem 22. März 2017 im F-Typ Gefängnis von Van in unbefristeten Hungerstreik getreten waren, haben ihren Hungerstreik seit dem 1. April in befristeten Hungerstreik umgewandelt.
  3. Weil am Tag 45 des unbefristeten Hungerstreiks keinerlei entgegenkommende Schritte seitens der Verantwortlichen eingeleitet wurden, sind die HDP Abgeordneten Ayhan Bilgen, Meral Danış Beştaş und Nihat Akdoğan ebenfalls in den Hungerstreik getreten.
  4. Nachdem der Co-Vorsitzender der HDP Selahattin Demirtaş und der Abgeordnete Abdullah Zeydan in Hungerstreik getreten waren, wurde im Gefängnis von Edirne der Hungerstreik, welcher seit dem 22. Februar anhielt, am 31. März beendet, weil gegenseitig Erklärungen des Guten Willes zur Lösung der Probleme gemacht worden sind.

Zusammenfassung der Forderungen der Gefangenen:

  1. Verbesserung der Haftbedingungen
  2. Beendigung der anhaltenden Festnahmen und Verhaftungen aufgrund von Meinungsäußerung und politischer Arbeit, Beendigung der militärischen und politischen Repressionen gegenüber der Bevölkerung
  3. Beendigung der Isolationshaft gegenüber Abdullah Öcalan

Die Kapazitäten der türkischen Gefängnisse sind überstrapaziert. Vor allem nach dem gescheiterten Militärputsch wurden 45.000 Menschen, mit dem Vorwurf sich am Militärputsch beteiligt zu haben und dem Fetullah Gülen Organisation anzugehören, festgenommen. Aufgrund des Drucks der Justiz wurden mehr als 5.000 Oppositionelle, allen voran kurdische Oppositionelle verhaftet. Die Festnahmen und Verhaftungen halten ununterbrochen an. Das führt dazu, dass die Gefängnisse überfüllt sind und die Grundlage für ein menschenwürdiges Leben nicht mehr besteht. Infolge des Ausnahmezustandes (OHAL) wurde eine Amnestie für kriminelle Gefangenen erlassen, mit der das  Problem der überfüllten Haftanstalten auch nicht gelöst werden konnte. Die Erklärung des Ausnahmezustandes sowie die daraufhin erlassenen Gesetzesdekrete führten zu Einschränkungen der vorhandenen gesetzlichen Rechte, was ebenfalls schwerwiegende Menschenrechtsprobleme mit sich bringt. Die Praxis der Isolation in den Gefängnissen, willkürliche Behandlung jeglicher Art, Folter und Misshandlungen, Gefangenenverlegungen, willkürliche Disziplinstrafen, Verhinderung der medizinischen Behandlung von gesundheitlichen Problemen bei Gefangenen sowie die Nichtentlassung von schwerkranken Gefangenen aus dem Gefängnis sind einige der vielen Probleme.

Es handelt sich um Forderungen, die laut der bestehenden Verfassungsordnung der Türkei von den Machthabenden zu erfüllen sind.

Die folgenden gemeinsamen Forderungen von Menschenrechts- und Gesundheitsorganisationen sollten vom Justizministerium und der Öffentlichkeit beachtet werden:

  1. Regelmäßige Gesundheitskontrollen von Gefangenen, die sich im Hungerstreik befinden, sowie die Gewährleistung, dass Ärzte, die von der Türkischen Ärztekammer beauftragt werden, die Gefangenen gesundheitlich kontrollieren dürfen.
  2. Aufnahme des Dialogs durch das Justizministerium mit den Gefangenen bezüglich deren Forderungen, und die Aufnahme des Gespräches mit Abgeordneten sowie Vertretern aus der Menschenrechts-, Rechts- und Gesundheitsorganisationen; Besuchserlaubnis für unabhängige Delegationen in den Gefängnissen zwecks Untersuchungen vor Ort.
  3. Die umgehende Beendigung der ungesetzmäßigen Isolationshaft gegen Abdullah Öcalan, sowie die Ermöglichung von Konsultationen durch seine Anwälten und Familienangehörigen.

Wir appellieren an die demokratische Öffentlichkeit, sich den unbefristeten Hungerstreiks in den Gefängnissen umgehend anzunehmen.

Menschenrechtsverein in der Türkei (IHD)

Menschenrechtsstiftung (TIHV)

Plattform der Freiheitlichen JuristInnen

Initiative für die Solidarität mit den Gefangenen