“Die AKP führt das Land in die internationale Isolation und an den Rand des Bürgerkriegs”

erdogan5Cemil Bayik, Kovorsitzende des KCK-Exekutivrates im Interview mit Sterk TV (Teil 2), 03.11.2014

Der Kovorsitzende des KCK-Exekutivrates Cemil Bayik sprach im Interview mit dem Fernsehsender Sterk TV über den erfolgreichen Widerstand von Kobanê und den Lösungsprozess. Im ersten Teil (siehe hier) hat Bayik beschrieben, wie der Widerstand von Kobanê die Pläne der türkischen Regierung für die Region zunichte gemacht hat. In diesem Teil geht er auf die Haltung der AKP im Lösungsprozess ein.

Sie sind darauf eingegangen, dass der Widerstand von Kobanê den Plänen von verschiedenen Kräften einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Allen voran die AKP-Regierung der Türkei hat aktiv im Kampf gegen Kobanê mitgewirkt. Sie ist mit dieser Strategie gegen die Wand gefahren und versucht jetzt den Schaden zu begrenzen. Gleichzeitig führt diese Regierung aber weiterhin einen Lösungsprozess mit Herrn Öcalan und der Bewegung. Wie passt das alles zusammen?

Ich glaube es macht Sinn, zunächst Folgendes festzuhalten: Die Türkei sich hat zu keiner Zeit die Lösung der kurdischen Frage selbst zur Aufgabe gemacht. Sie hat auch kein Konzept für die Lösung dieser Frage entwickelt. Das gilt auch gegenwärtig. Im Gegenteil, sie hat den Prozess, den unser Vorsitzenden Abdullah Öcalan initiiert hat, stets versucht zu behindern und inhaltlich auszuhöhlen. Sie hat den Schein erzeugt, als wolle sie die kurdische Frage lösen, um ihr Selbstbild aufzupolieren. In Wahrheit hat sie allerdings die Bevölkerung nur hingehalten und keine ihrer Erwartungen erfüllt. So versucht sie von Wahl zu Wahl durchzukommen um die Regierungsmacht nicht aus den Händen zu verlieren.

Die AKP redet viel von der Lösung, in der Praxis tut sie aber rein gar nichts. Wir werten das als Teil einer psychologischen Kriegsführung gegen uns. Sie hat es tatsächlich gut verstanden, Erwartungen in der Bevölkerung zu schüren, die dann unerfüllt blieben, weil auf die Worte keine Taten folgten. Und nicht nur das, sie hat auch jede Initiative unseres Vorsitzenden, den Prozess voranzubringen, gestoppt oder inhaltlich ausgehöhlt. Nun nimmt sie die Proteste in Nordkurdistan aufgrund der Ereignisse in Kobanê zum Anlass und droht offiziell den Prozess zu beenden. Sie droht also damit, das offiziell zu machen, was sie eigentlich die ganze Zeit gemacht hat. Nämlich den Prozess zu sabotieren.

Aber die AKP redet davon, dass sie euch eine Roadmap für den Lösungsprozess hat zukommen lassen.

Es stimmt, Vertreter der AKP haben öffentlich erklärt, dass sie uns und unserem Vorsitzenden eine Roadmap geschickt haben. Nur ist solch eine Roadmap nie bei uns angekommen. Es handelt sich also um nichts anderes als eine Propagandameldung, um die türkische und die internationale Öffentlichkeit zu täuschen.

Und wenn das alles so weitergeht, wie wird sich dann der Prozess entwickeln?

Erdogan und die AKP-Regierung haben die Türkei an den Rand des Abgrunds geführt. In der Vergangenheit konnten sie im Kampf gegen die PKK auf die Unterstützung der NATO und der EU zählen. Nun finden sie noch nicht einmal mehr diese Unterstützung. Das ist das Ergebnis ihrer eigenen Politik. Sie haben die Türkei in eine Sackgasse geführt und international isoliert. Die Türkei wird mit ihrer Politik sowohl von der NATO als auch von der EU als eine Last empfunden. Die AKP-Regierung führt die Türkei nicht nur in eine internationale Isolation, sie treibt das Land auch an den Rand eines neuen Bürgerkriegs.

Unsere Bewegung und unser Vorsitzender haben große Mühen aufgebracht, damit die AKP endlich Schritte in diesem Prozess tätigt. Aber jeder muss auch verstehen, dass solch ein Prozess einseitig nur bis zu einem bestimmten Punkt geführt werden kann. Und dieser Punkt ist längst erreicht.

Doch spätestens von diesem Punkt aus muss der Lösungsprozess beidseitig geführt werden. Jede erfolgreiche Konflikttransformation ist der offene Beweis hierfür. Eigentlich bedarf es gar einer dritten unabhängigen Instanz, die den Prozess kontrolliert. Aber davon sind wir dank der Haltung der AKP noch weit entfernt. Unser Vorsitzender bringt weiterhin große Mühen auf, um den Prozess irgendwie zu retten und somit die Rückkehr in einen Bürgerkrieg zu verhindern. Aber die türkische Regierung zeigt keinerlei positive Anzeichen, die eine Antwort auf diese Mühen darstellen könnte. Ich sage es ganz offen, sowohl in unserer Bewegung als auch in der Bevölkerung steigt die Wut gegen diese Politik der AKP. Die Geduld ist an ihrem Ende angelangt. Unsere Freiheitsbewegung fordert die türkische Regierung auf, unmittelbar ihren Hinhaltekurs zu beenden und sofort die Verhandlungen für die Lösung der kurdischen Frage aufzunehmen. Andernfalls, und dafür sprechen auch die Entwicklungen in Kurdistan und im ganzen Mittleren Osten, wird die AKP mit dieser Politik ihr eigenes Ende besiegeln.

ANF, 03.11.2014, ISKU

 

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