Die Geschichte kurdischer Selbstorganisierung in Deutschland

“Die Geschichte kurdischer Selbstorganisierung in Deutschland” – Interview mit Mehmet Demir, Civaka Azad Dossier Nr. 15, 03.12.2018

Wenig ist über die kurdische Gesellschaft, eine der größten migrantischen Bewölkerungsgruppen in der Bundesrepublik, bekannt. Ihre (politische) Geschichte in Deutschland ist untrennbar mit dem Befreiungskampf in Kurdistan verbunden, der Ende der 70er mit der Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ihren Anfang nahm und bis heute andauert.

Only bad news, are good news“, so lautet die Maxime vieler Mainstream Medien hierzulande. Die Ereignisse aus Kurdistan werden, wenn überhaupt, nur einseitig mit dem Fokus auf den Krieg beleuchtet. Wenn es um die Kurdinnen und Kurden in Deutschland geht, wird vor allem der sog. Sicherheitsaspekt in den Vordergrund gerückt, was altbekannte Stigmatisierungen und Vorurteile bekräftigt.

Doch auch in zahlreichen kurdischen Vereinen in Deutschland werden Projekte gemäß dem Paradigma des demokratischen Konfönderalismus umgesetzt. Vor allem kurdische Frauen und Jugendliche organisieren sich anhand der Parameter Demokratie, Frauenbefreiung und Ökologie. Mithilfe kurdischer Dachverbände wurde seit Jahrzehnten die zivilgesellschaftliche Organisierung der Bevölkerung vorangetrieben, und die Menschen wurden dazu animiert, Probleme basisdemokratisch selbst zu lösen. Diese innergesellschaftlichen Diskurse und Umwälzungsprozesse bei den KurdInnen geraten leider aufgrund der Repressalien des jeweiligen Staatsapparates in den Hintergrund oder werden medial und im gesellschaftlichen Diskurs nur oberflächlich angeschnitten.

Die geschätzten Zahlen der in der Bundesrepublik lebenden Kurdinnen und Kurden reichen von 800.000 bis hin zu einer Million. Und bereits hier beginnt das Problem. Es gibt keine offizielle Statistik über die genaue Anzahl der in Deutschland lebenden KurdInnen. Sie werden je nach ihrer Staatsangehörigkeit als TürkInnen, IrakerInnen, IranerInnen oder SyrerInnen registriert. Begründet wird dies damit, dass sie über keinen eigenständigen Staat verfügen.

Wir haben ein Gespräch mit Mehmet Demir geführt, einem Zeitzeugen, der diese Geschichte der KurdInnen in Deutschland nicht nur miterlebt, sondern auch mitgestaltet hat. Er war Vorsitzender von YEK-KOM, dem früheren Dachverband kurdischer Vereine in Deutschland, und arbeitet gegenwärtig im Anti-Repressionsbereich beim Rechtshilfefond Azadî e.V. Wir hoffen, mit der Veröffentlichung dieses Interviews zu einem Verständnis der kurdischen Frage beizutragen und Interessierten einen Einblick in die von staatlicher Repression geprägte kurdische Geschichte in der Bundesrepublik zu gewähren.

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