Die Revolution in Westkurdistan – Teil 7

von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V.

Die Jugend ist der dynamischste Teil der Gesellschaft und für autoritäre Regime deshalb auch oft der gefährlichste. Aufgrund dessen war die kurdische Jugend unter dem Baath-Regime stets einer starken Repression ausgesetzt. Mit dem Ausbruch der Revolution hat die Jugend nun ihre Selbstorganisierung deutlich gestärkt. Immerhin kommt der Jugend eine große Verantwortung in dieser revolutionären Phase zu. Hazal Peker (JINHA) sprach hierüber mit drei Mitgliedern der Patriotischen Jugendkonföderation aus Westkurdistan.

 

Jugendkonföderation: Eine Organisiation, nach der SchülerInnen und Studierende gedürstet haben

Dicle Çarçel (Mitglied der Jugendkonföderation): Ich bin Mitglied der Jugendkonföderation. Wir haben diese Konföderation am 27.Mai in Aleppo gegründet. Sofort nach unserer Gründung haben wir gemerkt, was für ein großes Interesse die SchülerInnen und StudentInnen an unserer Konföderation haben.

Anscheinend haben sie nach solch einer Organisation gedürstet. Wir haben mit ganz wenigen Mitgliedern angefangen und sind sehr schnell gewachsen.Schon kurz nach unserer Gründung haben wir Gruppen in Rakka, Damaskus, Lasqi und Hasekê aufgebaut. Wir haben uns in zuerst vor allem auf Städte konzentriert, in denen es Universitäten gibt. Kurz darauf haben wir dann unseren ersten Kongress abgehalten. Auf dem Kongress haben wir über verschiedene grundsätzliche Fragen lange Diskussionen geführt. Es ging beispielsweise darum, mit welchem Bewusstsein die kurdische Jugend aufwachsen sollte.Eine andere Frage war, welche Verantwortung der Jugend in dieser revolutionären Phase zukommt oder wie die Studierenden einen Beitrag für die kurdischsprachige Schulbildung leisten können. Wir haben für die verschiedenen Bereiche Kommissionen aufgebaut, mit denendiese Frage im Sinne unserer Diskussionen angegangen werden sollen. Die Sprache ist aktuell natürlich ein sehr wichtiges Gebiet für uns. Das liegt ganz einfach daran, dass die Schulbildung bisher nur in arabischer Sprache stattgefunden hat und wir nun, was das betrifft, einen kompletten Neuanfang machen.

Ein anderes wichtiges Thema ist die Geschlechterfrage. Auch hier haben die Frauen innerhalb unserer Konföderation ihre eigene Kommission aufgebaut. Sie befassen sich mit der Bewusstseinsbildung bei den Frauen. Denn wenn die Frau sich nicht selber befreien kann, wird sich auch keine Gesellschaft und kein Land dieser Welt nicht befreien können. Die Frauenkommission setzt sich auch mit den Spielchen des Systems gegenüber der Frau auseinander. Sie versucht diese zu dechiffrieren und ins Leere laufen zu lassen.

Candoz Beki (Mitglied der Jugendkonföderation): Das Baath-Regime versuchte mit allen Mitteln, unsere Jugend zu verwahrlosen und zu degenerieren. Dagegen führen nun unseren Kampf. Wir versuchen, der Jugend ein Bewusstsein für ihre Sprache und Kultur, aber auch für ein verantwortliches Leben zu vermitteln. Unserem ersten Aufruf hierfür sind viele gefolgt und haben sich uns angeschlossen. Ich bin mir sicher, wir werden schon bald schöne Tage erleben.

“Ohne die Freiheit der Frau, keine Freiheit der Gesellschaft”

Doz Kobanî (Mitglied der Jugendkonföderation): Wir arbeiten hier als Mitglieder der Jugendkonföderation für unsere Bevölkerung. Den wichtigsten Teil unserer Arbeit macht die Frauenarbeit aus. Denn unser Vorsitzender sagte nicht zu Unrecht, dass ohne die Freiheit der Frau sich auch die Gesellschaft nicht befreien kann. Deswegen setzen wir vor allem bei den jungen Frauen an und bieten auf sie ausgerichtete Bildungsarbeit an. Zudem setzen wir uns mit der Zivilisationsgeschichte auseinander und thematisieren tiefgehend die 5000jährige Geschichte des Patriarchats. Wir klären also die jungen Menschen darüber auf, welche Stellung der Frau in der Gesellschaft vor dem Beginn des Patriarchats zukam und was in der Zeit danach der Mann aus ihr gemacht hat. Diese Diskussionen sind für uns sehr wichtig.

Wenn wir heute noch Kurdisch sprechen können, haben wir das unseren Müttern zu verdanken. Unsere Mütter haben nämlich zu Hause mit uns in unserer Muttersprache gesprochen. Unsere Kultur, unser Zusammenleben mit der Natur, das alles haben uns die Mütter weitergegeben. Sie sind sozusagen während der gesamten Zeit der Unterdrückung die Hüterin unserer Kultur und Geschichte gewesen. Diese Tatsachen haben wir uns während der Bildungsarbeit immer wieder vergegenwärtigt. Wenn die Frau sich selbst nicht vergisst, geht auch ihre Kultur nicht verloren.

Vor allem die Frauen hier in Kobanî haben stets viel Leid erfahren. Das Baath-Regime hat vor allem die Männer schlecht behandelt. Die Männer haben das anscheinend von ihm übernommen und dann wiederum unsere Frauen schlecht behandelt. Deswegen haben wir unsere Bildungsarbeit auch auf die Männer hier zugeschnitten. Mit der Revolution hat sich vieles im Verhalten der Männer verändert. Die Männer haben wieder angefangen, ihre Identität zu schützen. Und was genauso wichtig ist, sie haben angefangen, ihre Frauen wieder zu respektieren. Vor allem diese Tatsache hat uns mit Stolz erfüllt. Wir werden als Jugendkonföderation genau an diesem Punkt weiterarbeiten und unsere politische Bildungsarbeit fortsetzen.

 

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