Kommission für auswärtige Angelegenheiten der HDP, 12.09.2015
Die Türkei driftet mehr und mehr in einen Bürgerkrieg. Geleitet von der Übergangsregierung der AKP eskalierte die politische Gewalt nach den Parlamentswahlen am 7. Juni. Heute ist der Friedensprozess zwischen der PKK und dem türkischen Staat zum Erliegen gekommen und der Krieg ist erneut ausgebrochen.
Allein im letzten Monat gab es schwere Zusammenstöße in vielen kurdischen Städten wie Silopi, Lice, Şemdinli, Silvan, Yüksekova und Cizre, in denen die Zivilbevölkerung von staatlichen Kräften angegriffen wurde. Dutzende zivile Personen, Guerillakämpfer*Innen und Mitglieder des staatlichen Sicherheitsapparats haben bei diesen Zusammenstößen ihr Leben verloren. Seit dem 24. Juli hat die AKP-Übergangsregierung keine IS-Stellungen angegriffen. Stattdessen werden die Kandil-Berge auf dem Gebiet der kurdischen Regionalregierung (Irak), ebenso Kurd*Innen, demokratische Kräfte, demokratische Politiker*Innen, zivile Personen, Frauen und die Opposition in der gesamten Türkei attackiert.
Der türkische Staat und die AKP-Übergangsregierung gebrauchen alle Formen oppressiver Maßnahmen wie z.B. das Verbot der Ein- und Ausreise aus kurdischen Städten, in denen sie militärische Operationen durchführen, Abbruch jeglicher Kommunikations-möglichkeiten darunter Telefon und Internet und die Verweigerung von Presse und Beobachter*Innen, um zu verhindern, dass die Wahrheit über die Geschehnisse vor Ort an die nationale und internationale Öffentlichkeit gelangt. Eine Ausgangssperre wurde letzte Woche über Cizre verhängt; seitdem haben 23 Menschen ihr Leben dort verloren. Die Belagerung von Cizre dauerte 9 Tage an; es gab einen ernst zu nehmenden Mangel an Nahrung und Wasser. Einen Zugang zur gesundheitlichen Grundversorgung, Behandlungsmöglichkeiten für Verwundete und Möglichkeiten diejenige zu beerdigen, die von den staatlichen Sicherheitskräften getötet worden sind, gab es nicht. Es bestand die berechtigte Angst eines Massakers in Cizre, so die Äußerung von gewählten Mitglieder*Innen des türkischen Parlamentes und von Nichtregierungsorganisation (NRO).
In dieser sehr gewalttätigen Situation ist auch die HDP zur Zielscheibe von AKP-Sprechern und regierungsnahen Medien geworden. Nahezu jeden Tag wird unsere Partei und werden besonders unsere Co-Vorsitzenden zum Zielobjekt von Nationalisten und Faschisten Viele Aufrufe und Äußerungen von AKP-Vertretern waren ein Signal zum Aufruf eines Krieges gegen die HDP. Als ein Ergebnis dieses gewaltsamen Diskurses der AKP wurden viele unserer Gebäude in vielen Städten von Gruppen von Menschen mit rassistischem und faschistischem Hintergrund angegriffen. Am 8. September zündeten diese unseren Zentralsitz in Ankara an. Unsere Archive und Aufnahmen wurden dabei besonders angegriffen. Es ist niemand während des Brandes des Gebäudes unserer Zentrale verletzt worden, aber Letztere ist derart stark beschädigt worden, dass wir es nicht mehr nutzen können. Bis heute sind über 128 Partei-Zentralen über die ganze Türkei verteilt angegriffen worden. Des Weiteren sind die Polizei und andere Sicherheitskräfte des Staates ihre Aufgabe, diese Angriffe zu verhindern, nicht nachgekommen.
Noch einmal möchten wir bekräftigen, dass die HDP kein Teil dieser gewalt- und kriegsorientierten Politik ist. Als HDP haben wir an keinen Entscheidungen des Krieges teilgehabt. Ganz im Gegenteil, wir versuchen sowohl die PKK als auch den türkischen Staat zu einem Ende des bewaffneten Konfliktes zu führen. Es sollte verstanden werden, dass es die AKP ist, welche auf Kriegspolitik und anti-demokratische Praktiken über die gesamte Türkei beharrt.
Inmitten dieser feindseligen Entwicklungen, rufen wir die internationale Gemeinschaft, NROs und internationale Medien zu Solidarität und Unterstützung für einen sofortigen Waffenstillstand und Beginn von Friedensgesprächen auf. Wir rufen auch auf zu zügigen Handlungen gegen die steigende Gewalt des Staates, die Verletzung von Menschenrechten und anti-demokratischen Praktiken und Maßnahmen in kurdischen Städten und auch in Städten in den westlichen Teilen des Landes. Wir brauchen mehr denn je internationale Öffentlichkeit, um einen lang anhaltenden Frieden im Nahen Osten, in der Türkei und in Kurdistan zu erreichen. In diesem Zusammenhang rufen wir all unsere Freunde, politische Parteien, Institutionen, Netzwerke, NGOs und friedensstrebende Kräfte auf, sich mit uns zu solidarisieren. Wir rufen alle demokratischen, internationalen Institutionen und Kräfte auf, konkrete Schritte gegen die Gewalt des türkischen Staates und dessen anti-demokratische Handlungen gegen ihre eigene Bevölkerung zu unternehmen.