Ein Appell von einem „Artikel-Terroristen“

mahmut-alinakHasan Cemal, türkischer Journalist und Autor

Seit langer Zeit sitzt er im Gefängnis. „Er ist Häftling der F-Typ Gefängnisse, von denen gesagt wird, dass sie wie in der Tristheit der Todesstile absackende Gräber konzipiert sind. Die Anschuldigung? Mit seinen verfassten Artikeln soll er „Terrorismus“ betrieben haben. Also hat er „Meinungsvergehen“ begangen.

Seit Jahren habe ich Mahmut Alinak nicht mehr gesehen. Seit langem ist er inhaftiert. Er sitzt in einer Zelle im Kandira F-Typ Gefängnis Nr.2.
Sein Vergehen?
Mit den verfassten Artikeln soll er „Terrorismus“ begangen haben!
Also wurde „Meinungsvergehen“ begangen.

Sein Sohn, der Anwalt Halit Sinan Alinak, hat die Artikel seines Vaters (auch die im Gefängnis verfassten) unter dem Titel „Artikel-Terrorist“ veröffentlicht. (*).
Ein Teil des auf den 5. März 2012 datierenden Artikels „Als Türke im kurdischen Staat“ findet in meiner Kolumne Platz.

* * *

Wenn es einen kurdischen Staat geben sollte, welcher die Rechte von den anderen Völkern aberkennt, könnte ich es nicht ertragen, ein Kurde dieses Staates zu sein. Ohne zu zögern würde ich dem Kurdentum entsagen. Ich würde einer, dessen Rechte beraubt worden sind werden.
Wenn beispielsweise die offizielle Sprache dieses Staates Kurdisch wäre, und im Parlament die ParlamentarierInnen der anderen Völker nicht in ihrer Muttersprache sprechen würden, sondern gezwungen wären Kurdisch zu sprechen …
Wenn in den Gerichtssälen die Verteidigung auf Türkisch und anderen Sprachen verhindert würde und nur das Sprechen von Kurdisch erlaubt wäre …
Wenn in der Schule Türkisch und andere Sprachen verboten würden, und sämtlicher Unterricht auf Kurdisch abgehalten würde …
Wenn die nichtkurdischen Kinder gezwungen wären, einen rassistischen Schwur auf Kurdisch, wie „Ich bin Kurde, ich bin gut, ich bin fleißig“ abzuhalten

Wenn bei offiziellen Institutionen es verboten wäre Schreiben auf Türkisch und anderen Sprachen zu verfassen …
Der Gebrauch in den öffentlichen Ämtern von Türkisch und andere geschwisterlichen Sprachen verboten wäre und einzig Kurdisch gestattet wäre …
Wenn die alten Namen der Dörfer, von denen jedes einzelne über eine lange historische und gesellschaftliche Geschichte verfügt, in kurdische Namen umgeändert würden …

Wenn die Völkern, deren Identität verboten ist, ohne Recht wären, ihren Kindern die gewünschten Namen zu geben wären…
Der kurdische Ministerpräsident während seinen Auslandsreisen in seinen Reden davon spricht, dass „Assimilation das größte Menschheitsverbrechen ist“, und im Inland der TürkInnen, LazInnen, AssyrerInnen, ArmenierInnen, AraberInnen … die Assimilation vorantreiben würde …
Würde ich mich schämen Kurde zu sein. Ich würde Türke werden. Würde Tscherkese, Laz, Armenier, Araber, Assyrer werden.
(…)
Einigen könnten glauben, dass wir frei sind. Unsere Freiheit sind die roten Fäden des Staates. Sobald einer dieser Fäden angefasst wird, ist der Ort an den wir geschickt werden, ohne zu schauen bei wem es sich bei uns handelt, das Gefängnis.

* * *

Mahmut Alinak schreibt bei dem im Gefängnis verfassten Artikel „Liebe im F-Typ“ folgendes:
„Die F-Typ Gefängnisse sind als wie in der Tristheit der Todesstile absackende Gräber konzipiert. So dass selbst Mäuse hier nicht unterkommen können.
Wenn die Entwickler dieses Projektes erfahren würden, dass hier eine Liebe erfahren wird welche alle anderen Lieben im Schatten stehen lässt und ein Paradies auf Erden schafft, würden sie wahrscheinlich aus Fassungslosigkeit ihre kleinen Zungen schlucken.
Selbst die Träume haben in den Gefängnissen einen anderen Geschmack und Klang.
Ein Stück Himmel, den wir von unserem Hof erblicken können, die Sonne, der Himmel, die Wolken, Sterne, und die vorbeifliegenden Vögel …
Alles ist ganz anders …
Alles ist viel tiefer …
Von den Apfel- und Zitronenkernen, die ich auf die Fensterbank gelegt habe, bis hin zur mit Wasser gefüllten Flasche.
Abwarten ob sie ergrünen werden?
Hoffnungsvoll werde ich warten.“

Mahmut Alinak ertönt so aus dem Gefängnis. Leider vermag mir nichts als dem „Artikel-Terroristen“ die baldige Freiheit zu wünschen …

* Mahmut Alinak; „Artikelterrorist“; ehemaliger Parlamentarier von Kars; ehemaliger Vorsitzender der DTP Kars“

Artikel wurde am 01.05.2012 in der türkischen Tageszeitung Milliyet veröffentlicht.

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