Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in der Türkei: Eine neue Opposition wächst heran

selahattin_demirtas_hdpCivaka Azad, 13.08.2014

“Wir als die HDP wollten gemeinsam mit den uns unterstützenden Kreisen eine Hoffnung für schönere Zukunft zum Vorschein bringen. Die Präsidentschaftswahlen waren hierfür eine gute Gelegenheit. […] Wir haben laut den Ergebnissen unsere Zielvorstellung so gut wie erreicht.” Mit diesen Worten bewertete der HDP Kandidat Selahattin Demirtaş die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag. Sein endgültiger Stimmanteil betrug 9,78%, das knapp verfehlte vorgegebene Ziel lag bei 10%.

Dennoch hat die HDP mit diesen Wahlen einen wichtigen Erfolg erzielen können. Ihr ist es mit ihrem Präsidentschaftskandidaten gelungen überall in der Türkei Stimmen für sich zu gewinnen, wodurch sie das ihr von außen auferlegte Image einer “Kurdenpartei” im großen Maße aufbrechen konnte. Die kurdischen Regionen bleiben zwar weiterhin die Hochburgen der HDP – in insgesamt elf kurdischen Provinzen erhielt Demirtaş die meisten Stimmen – doch der vielleicht noch größere Erfolg zeichnete sich für die HDP in den nicht-kurdischen Siedlungsgebieten ab.

So gelang es dem HDP-Kandidaten Demirtaş in Regionen der Türkei Stimmen zu sammeln, in denen es reinste Normalität ist, dass es zu Lynchaktionen gegen Menschen kommt, die Wahlkampf für Menschen oder Parteien machen, welche sich nicht deutlich genug von der kurdischen Freiheitsbewegung distanzieren. Auch im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen kam es in Städten wie Samsun zu nationalistischen Übergriffen auf Menschen, die Wahlwerbung für Demirtaş verteilen wollten. Dennoch konnte der HDP-Kandidat beispielsweise in den Städten der Schwarzmeerregion, wo die HDP noch bei den Kommunalwahlergebnissen vom 30. März dieses Jahres überall eine 0 vor dem Komma stehen hatte, zwischen 1,2% und 2,5% der Stimmanteile sammeln. Für die HDP ist dieses Ergebnis ein wichtiger Schritt, um in der Region Fuß fassen zu können. In westlichen Metropolen wie Istanbul (Kommunalwahlen: 4,8%, Präsidentschaftswahlen: 9,5%) und Izmir (Kommunalwahlen: 3,4%, Präsidentschaftswahlen: 8%) machte die HDP mit der Kandidatur von Demirtaş auch einen wichtigen Sprung nach vorne. In der Hauptstadt Ankara gelang der HDP immerhin eine Steigerung von 0,8% bei den Wahlen am 30. März auf 3% am vergangenen Wochenende.

Vielleicht mag es etwas schwierig sein, die Kommunalwahlergebnisse vom 30. März, an der immer 26 Parteien teilnahmen, mit den Präsidentschaftswahlen mit insgesamt drei Kandidaten zu vergleichen. Dennoch zeigt das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen klar und deutlich, dass das Projekt der Demokratischen Partei der Völker bei einem deutlich größeren Kreis Anklang gefunden hat, als in den kurdischen Hochburgen im Osten und Südosten des Landes. Wollen wir dennoch am Vergleich mit den Kommunalwahlen festhalten, so ist es der HDP gelungen, ihren Stimmanteil um mehr als 50% zu erhöhen. Selbst von der Konkurrenz gab es für diesen Wahlerfolg Anerkennung. Die Abgeordnete Melda Onur von der Republikanischen Volkspartei (CHP) bezeichnete Selahattin Demirtaş als eine neue linke Führungsfigur.

Doch im Wahlkampf der HDP ging es nicht darum, neue Führungsfiguren aufzubauen. Das ausgegebene Ziel war es, über die Person von Demirtaş die Inhalte und Vorstellungen der HDP an die breitere Bevölkerung zu tragen. Bereits vor den Wahlen gab der HDP Kandidat das Ziel seiner Partei mit folgenden Worten aus: „Uns geht es nicht einfach nur darum, den Sitz in der Präsidentenvilla zu bekommen. Wir wollen bei dieser Wahl allen Unterdrückten, Frauen, Kurden, Aleviten, Arbeitern, eine gemeinsame Stimme geben. Das war für uns das wichtigste. Das zumindest haben wir geschafft. So gesehen haben wir schon gewonnen.“ ((http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-07/interview-tuerkei-demirtas))

Die HDP und Demirtaş sind mit dem „Aufruf für ein neues Leben“ in den Wahlkampf getreten. Nun gilt es mit der Dynamik aus den Präsidentschaftswahlen die Perspektive einer demokratischen und pluralistischen Türkei, also das neue Leben, breiter zu organisieren.