HDP bezwingt 10% Wahlhürde

demirtasyüksekdagPressemitteilung vom Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 08.06.2015

Nach hohen Stimmenverlusten kann die islamisch-konservative AKP keine alleinige Regierungsmehrheit mehr stellen. Großer Gewinner der Wahl für die 25. Legislaturperiode des türkischen Parlaments (TBMM) ist die Demokratische Partei der Völker (HDP). Mit einem Stimmanteil von 13.12% ist die HDP als erste prokurdische Partei in das TBMM eingezogen.

 

Große Stimmverluste für die AKP
Mit dem Verlust von mehr als 9 Prozentpunkten auf 40,8 Prozent stellt die AKP zwar weiterhin die stärkste politische Kraft in der Türkei dar, verfehlt mit einem Anteil von 258 Abgeordneten klar die für die absolute Mehrheit notwendigen 276 Sitze. Auffallend ist der hohe Stimmverlust der AKP in den kurdischen Gebieten, wo sie zum Teil mehr als 50 Prozent ihrer Stimmen einbüßen musste. Die kemalistische CHP kommt mit geringen Stimmenverlusten im Vergleich zur letzten Wahl vom Jahre 2011 auf etwa 25 Prozent. Die nationalistische MHP ist mit 16,3 Prozent, vom Stimmanteil aus gesehen, weiterhin drittstärkste Partei, teilt sich aber mit 80 Abgeordneten den Platz als drittstärkste Fraktion mit der HDP, die ebenfalls 80 Abgeordnete aufweisen kann.

 

Demirtaş: Ende der Diktatur
In seinem ersten Statement zu den Wahlergebnissen erklärte Selahattin Demirtaş, dass die Diskussionen um ein Präsidialsystem  und eine Diktatur ein Ende gefunden haben. Weiter richtete der Co-Vorsitzende der HDP seinen speziellen Dank an den PKK-Vorsitzenden Öcalan, welcher nach den Worten von Demirtaş „die Phase mit seinen Gedanken einer demokratischen Türkei und eines gemeinsamen Heimatlandes unterstützt hat. Ich bin der Überzeugung, dass er seine Unterstützung fortsetzen und weiter intensivieren wird. Er wird die Rolle, die er bis heute geführt hat und seine Verantwortung weiter fortsetzen.“

 

Koalitionsmöglichkeiten
Eine zwei-drittel Parlamentsmehrheit (367 Sitze) bedarf es für eine Verfassungsänderung. Durch eine drei-fünftel Mehrheit (330 Sitze)könnte eine Verfassungsänderung per Volksreferendum durchgeführt werden. Da keine Partei sich bereit erklärt, die AKP und Staatspräsident Erdogan in seinem Vorhaben der Schaffung eines Präsidialsystems zu unterstützen, wird abzuwarten sein unter welchen Parteien sich Koalitionsgespräche ereignen werden.
Aufgrund von inhaltlich zu großen Diskrepanzen ist eine Koalition unter Beteiligung der ultranationalistischen MHP und der demokratischen HDP nicht vorstellbar. Größte Wahrscheinlichkeit bildet die Bildung einer Koalition zwischen der AKP und MHP. Allerdings wäre auch eine Minderheitenregierung der AKP bzw. einer CHP-MHP Koalition möglich.

 

Yüksekdağ: HDP hält alle Wahlversprechen
HDP Co-Vorsitzende Figen Yüksekdağ versicherte vor anwesender Presse, dass die HDP ihr Wahlversprechen einhalten wird und eine AKP-Regierung in keiner Weise, weder von innen noch von außen, unterstützen wird.
Sollte nach 45 Tagen keine Regierung gebildet werden, könnte Staatspräsident Erdogan zu Neuwahlen aufrufen.

 

Über eine Millionen abgegebener Stimmen für ungültig erklärt
In mehreren Provinzen häuften sich die Vorwürfe von Wahltäuschungen. So hat die HDP Beschwerde bei der obersten Wahlbehörde eingelegt, weil in Batman zahlreiche Stimmen für nichtig erklärt wurden. In dessen Folge wurde ein der HDP zustehender Parlamentssitz der AKP zugesprochen. Die Anzahl der ungültigen Stimmen beträgt 1.330.637, was die Vorwürfe von Wahlmanipulation bekräftigt.

 

AKP: HDP kann Film von Lösungsprozess drehen
Die beiden HDP-Co-Vorsitzenden Demirtaş und Yüksekdağ betonten in ihren Reden den Willen zum Frieden. Während AKP Parteichef Davutoğlu und Erdoğan sich bisher nicht zum Lösungsprozess geäußert haben, erklärte Yalcın Akdoğan, stellvertretender Ministerpräsident, dass „die HDP von nun an höchsten den Film des Lösungsprozesses drehen könnte“.