Die irakische Armee hat in diesen Stunden erneut begonnen, Stellungen der YBŞ und der Sicherheitskräfte „Asayîşa Êzîdxanê“ im nordirakischen Şengal (Sinjar) zu attackieren. In der Region kommt es zu schweren Gefechten.
Nachdem es bereits am Sonntag zu einem Angriff der irakischen Armee auf Stellungen des Asayîşa Êzîdxanê (Sicherheitskräfte der Selbstverwaltung) gekommen war, eskaliert nun die Lage erneut. Wie die Nachrichtenagentur RojNews meldet, hat ein neuer irakischer Angriff auf Stellungen der Sicherheitskräfte und der Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ) begonnen. Demnach kommt es in Sinunê zu Schusswechseln mit der irakischen Armee. Am Sonntagabend war es ebenfalls in Sinunê zu einem kurzen Gefecht gekommen. Den Sicherheitskräften war es gelungen, die irakischen Truppen zur Umkehr zu zwingen.
Zuvor hatte am Sonntag die irakische Armee damit begonnen, in Dîgurê, Sinunê und Xanesor Kontrollpunkte des Asayîşa Êzîdxanê zu umstellen. Die irakische Regierung plant offenbar die Selbstverwaltung von Şengal zu zerschlagen. Dazu hatte sie sich in einem Abkommen mit der von der Türkei kontrollierten südkurdischen PDK am 20. Oktober 2020 bereit erklärt. Die Macht in der Region soll zwischen PDK und irakischer Regierung aufgeteilt werden. Bisher scheiterte die Umsetzung dieses unter türkischer Regie zustande gekommenen Abkommens am entschlossenen Widerstand der Bevölkerung.
In der ezîdischen Stadt Şengal verübte der sogenannte Islamische Staat (IS) im August 2014 einen Genozid an der Bevölkerung. Nach den Angaben der Vereinten Nationen wurden dabei mindesten 5.000 Bewohner:innen der Stadt ermordet. Mehrere Tausend Frauen und Kinder wurden zudem entführt und als Sexsklavinnen gehalten. Ein noch größeres Ausmaß des Genozids konnte damals nur durch das Einschreiten der bewaffneten Kräfte der PKK und der nordsyrischen YPG- und YPJ-Einheiten verhindert werden. Diese kämpften einen Fluchtkorridor nach Rojava/Nordsyrien frei, über den die Bevölkerung in Schutz gebracht werden konnte. Nach der Befreiung der Stadt vom IS baute die Bevölkerung Selbstverteidigungseinheiten und eine Selbstverwaltungsstruktur auf, auch um sich vor zukünftigen Angriffen verteidigen zu können. Seitdem wird die Selbstverwaltung allerdings immer wieder von der Türkei, der südkurdischen Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) und der irakischen Zentralregierung angegriffen. Bei der aktuellen Eskalation durch die irakische Armee handelt es sich um die schwerwiegendsten Angriffe auf Şengal seit Ausrufung der Selbstverwaltung.