Ist der Wunsch nach Trennung vom Irak eine kurdische oder eine PDK-Perspektive?

südkurdistan-iraq mapvon Nihat Kaya, Journalist, Erbil, 10.03.2014

Dem von Masud Barzani, Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Irak, offen formulierten Wunsch nach der Trennung vom Irak ging ein heftiger Streit mit der irakischen Zentralregierung um den illegalen Verkauf von Öl an die Türkei voraus. Dieser Streit mündete zuletzt im Konflikt um das Budget der Zentralregierung in Bagdad für die autonome Region Kurdistan. Masud Barzani hat erst kürzlich bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Chemiewaffenangriffs auf Halabja offen seine Wut zum Ausdruck gebracht und bekundet, “dass unter diesen Umständen ein gemeinsames Leben keinen Sinn mehr macht”. Diese Rede bedroht offensichtlich die Demokratie, den Föderalismus und somit eine gemeinsame Zukunft im Irak.

Parallel zu diesen Entwicklungen haben in Südkurdistan-Nordirak (bzw. der Autonome Region Kurdistan im Irak) die Diskussionen um eine konföderale Struktur des Staatsgebildes des Iraks zugenommen. Es ist unbestritten, dass die Diskussionen um die konföderale Struktur bei einer großen Gruppe der kurdischen Gesellschaft, die seit mehr als 100 Jahren auf einen souveränen Staat pocht, emotional auf Zustimmung trifft. Die Frage ist jedoch, inwieweit dieser Wunsch seinen reellen Ausdruck in der Politik finden wird.

Die Zentralregierung in Bagdad verlangt nun von der südkurdischen Führung die Offenlegung aller Einkünfte aus dem illegalen Verkauf des Öls mit Tankern in die Türkei. Denn Fakt ist, dass die Einnahmen aus diesem illegalen Verkauf entgegen der irakischen Verfassung dem Finanzministerium in Bagdad gegenüber nicht deklariert wurden und es somit zu klären gilt, wer vom Ölverkauf profitiert hat und wie und wo die Einnahmen eingesetzt wurden. Dieser Aspekt verdeutlicht, dass der Konflikt an Schärfe zugenommen hat und sich nicht rein auf die Vereinbarung zwischen der kurdischen Regionalregierung mit Ankara bezieht eine Ölpipeline aus dem kurdischen Gebiet hin in die Türkei zu bauen. Daher hat sich auch die Haltung der kurdischen Regionalregierung unter Masud Barzani Bagdad gegenüber extrem verschärft.

Viele der oppositionellen kurdischen Parteien und Gruppen in der autonomen Region bekunden ihren Unmut über den illegalen Ölhandel der kurdischen Regionalregierung, allen voran Barzanis PDK. Denn jeder weiß und sieht nun mittlerweile, ob und wie das Öl in die Türkei gelangt. Allen ist nun auch bewusst, dass eine kleine Gruppe von ehemaligen Peschmergas (kurdische Kämpfer der PDK oder PUK), die zuvor ein enthaltsames Leben führen mussten, nun in Vermögen in Milliardenhöhe schwimmen. Die Antikorruptionsunruhen von 2011 mit 10 toten Demonstranten waren ein Ausdrucks dieses Unmuts. Daher unterstützen die kurdischen Oppositionellen auch Bagdads Forderung nach Offenlegung der Einkünfte, da bereite Schichten in der Gesellschaft sich an der extrem ungleichen Vermögensverteilung stören.

Eine Akzeptanz der Bedingungen der Zentralregierung in Bagdad würde bedeuten, dass alle ihre Einkünfte und Vermögen offen legen müssten. Eben deshalb wehrt sich vor allem die PDK mit aller Macht gegen dieses Vorhaben aus Bagdad. Genau hier bedient sich die PDK nationalpatriotischer Argumente, um die kurdische Gesellschaft in einem Konflikt um ihre ökonomischen Interessen hinter sich zu vereinen. Es ist einfach zu verstehen, worauf die Diskussionen um die konföderale Staatsstruktur und die brandgefährliche Aussage, “dass es keinen Sinn mehr macht, gemeinsam zu leben”, zurückzuführen sind. Diese draufgängerischen Erklärungen haben zweifelsfrei in der kurdischen Gesellschaft auch ihren emotionalen Wiederhall gefunden. Obwohl fast alle oppositionellen Kräfte in Irakisch-Kurdistan sich an dieser draufgängerischen Art Barzanis und seiner PDK stören, haben sie keinerlei politische Arbeit gegen diese brandgefährliche Taktik aufgenommen, da ihnen der Mut dazu fehlt. Wenn man dann auch noch die sozio-psychischen Auswirkungen des Jahrzehnte währenden Kurdisch-Arabischen-Krieges berücksichtigt, kann man viel besser verstehen, warum sogar die kurdischen oppositionellen Parteien sich in solch einer rhetorisch aufgeheizten Stimmung um den kurdischen Nationalismus herum scharren.

Der ungeklärte Status von Gebieten wie Kirkuk und damit die ausbleibende Umsetzung des §140 der irakischen Verfassung (Referendumg über den Status von Kirkuk) erteilen den Diskussionen um einen konföderalen Staat einen harten Dämpfer. Denn eine Separation aus dem Staat Irak würde bedeuten, auf die ölreichsten Gebiete wie Kirkuk zu verzichten. Auch wenn Barzanis PDK bereit wäre, diesen Verlust hinzunehmen, würde dies am Widerstand aller anderen Parteien scheitern. Denn diese sind und werden nicht im Ansatz dazu bereit sein. Daher unterstützen sie auch die Zentralregierung in Bagdad bei der Forderung nach Offenlegung aller illegal erzielten Einkünfte aus dem Ölverkauf, so dass hier vor allem der Barzani-Clan sich angesprochen fühlen muss. Daher betrachten so gut wie alle Beteiligten die Separations-Aussagen Barzanis als eine Taktik zur Verschleierung des illegalen Ölgeschäfts. Auch wenn die kurdischen Parteien untereinander uneins sind, wird die kurdische Regionalregierung sich dem Druck aus Bagdad unterordnen und den Verkauf des Öls unter die Kontrolle der Zentralregierung stellen.

Im Gegenzug wird sich die KRG (Kurdistan Regional Government) und allen voran die PDK mit Bagdad darüber einigen, die bis dato erzielten Einkünfte ohne jegliche Deklaration behalten zu können.

Sobald eine Vereinbarung zwischen Barzani und dem irakischen Ministerpräsidenten Maliki erzielt wurde, werden alle politischen Parteien vergessen, dass der §140 der irakischen Verfassung keine Anwendung gefunden hat, somit Kirkuk weiterhin ohne Status ist, dass die aus dem illegalen Verkauf des Öls erzielten Einnahmen Volkseigentum sind. Alle werden so weiter machen wie bisher.

Quelle: YÖP, 10.3., ISKU

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