Karayılan: Im Gedenken an die Gefallenen in Ankara werden wir an der Entscheidung zum Waffenstillstand festhalten!

Murat KarayilanFiratnews, 12.10.2015

Zum am 10. Oktober ausgerufenen einseitigen Waffenstillstandes sprach der Kommandant der Volksverteidigungseinheiten HPG Murat Karayılan über Funk zu den Guerillaeinheiten in Nordkurdistan und den Meder-Verteidigungsgebieten.

Die Verantwortlichen dieses Anschlages werden zu Rechenschaft gezogen!

In der wichtigen Phase unseres Kampfes, hat der Vorstand unserer Bewegung über einen Waffenstillstand diskutiert, um für die Wahlen am 1. November für die in der Türkei lebenden Völker und gegenüber der türkischen Gesellschaft der Verantwortung gerecht zu werden, dass die Wahlen unter normalen Umständen abgehalten werden können. Aufgrund der Aufrufe verschiedener internationaler Kräfte, den verschiedenen politischen Kräften in der Türkei und Kurdistan, allen voran der HDP, den NGOs und den Intellektuellen, wird ein Waffenstillstand als notwendig gesehen. Die Ausruf des Waffenstillstandes am 10. Oktober, an dem Tag, wo Gewerkschaften und NGOs für den Frieden demonstrieren wollten, wurde als angebracht empfunden. Aber durch die kriegerische Mentalität der AKP, die mit einem Krieg in Kurdistan in die Wahlen gehen und so ihre Macht erhalten will, wurde aus der Friedenskundgebung ein Blutbad.

Auf die Menschen, die sich versammelten um für die Geschwisterlichkeit der Völker, für ein miteinander in Frieden und für eine Beendigung des Blutvergießens demonstrieren wollten, wurde ein brutaler Bombenanschlag verübt. Die Nachricht, dass über 120 Menschen gestorben und Hunderte verletzt worden sind, hat uns schwer getroffen und mit Trauer erfüllt.

Dieser Anschlag wurde gegen uns, gegen den Frieden, gegen die Geschwisterlichkeit und gegen all jene, die für Frieden, Geschwisterlichkeit eintreten, verübt.

Wir drücken den Angehörigen der geschätzten und wertvollen Menschen, die bei diesem Anschlag ihr Leben gegeben haben, und unseren Völkern, unser tiefes Beileid aus.

Eines ist klar, die Verantwortlichen dieses Anschlages auf unsere FriedensbotschafterInnen werden zur Rechenschaft gezogen. Egal auf welche Art und Weise, die AKP ist an dieser Tat beteiligt.

Es ist bekannt, dass gewisse Untergrundorganisationen des Regierungsapparates, sowie die Gladio der AKP sich mit dem Islamischen Staat (IS) gegen die kurdische Freiheitsbewegung zusammengeschlossen haben, und als eine Fortsetzung des Kampfes, den sie in Kobanê geführt haben, auch eine Reihe von Attentaten in der Türkei und in Kurdistan zu verantworten haben. Auch das Attentat in Ankara ist eine Fortsetzung der Bombenanschläge, welche in Adana und Mersin vor den Wahlen, am 5. Juni in Amed und am 20. Juli in Suruç verübt worden sind.

Die Tatsache, dass ein Anschlag wie dieser in der Hauptstadt der Türkei, der Stadt, die im ganzen Land am intensivsten bewacht wird, verübt werden konnte, spricht eine deutliche Sprache. Als Widerstandsbewegung, die gegen diesen Staat kämpft, sind wir uns genau bewusst, dass ohne die Zustimmung, ohne das Wissen der türkischen Sicherheitskräfte und des türkischen Geheimdienstes, zwei Selbstmordattentäter in dieser Stadt einen solchen Anschlag nicht verüben können.

Die Terrororganisation Islamischer Staat und die türkische Gladio sind ehe miteinander verwickelt. Nicht nur in Kobanê haben sie zusammen gekämpft, wir wissen allzu gut, dass während der neun Tage andauernden Belagerung von Cizre diese zwei Organisationen gemeinsam gegen die kurdische Bevölkerung vorgegangen sind. Die türkische Gladio und der IS verüben ihre Angriffe gegen die kurdische Bevölkerung im Rahmen eines gemeinsamen Konzeptes.

Warum sonst richten sich derartige Angriffe, denen unschuldige ZivilistInnen zum Opfer fallen, nur gegen HDP-Anhänger und die Sozialisten in der Türkei. Warum gibt es keine derartigen Anschläge auf Veranstaltungen der AKP oder ähnliche Veranstaltungen. Natürlich sind wir gegen jegliche Anschläge dieser Art, egal gegen wen sie sich richten, ein Anschlag, bei dem ZivilistInnen das Ziel sind, ist ein entsetzliches Verbrechen, welches nicht akzeptiert werden kann. Aber es ist auch offensichtlich, dass diese Anschläge die Absicht tragen, die kurdische Bevölkerung und die sozialistische Bewegung in der Türkei einzuschüchtern. So verspricht man sich die Stimmen der Nationalisten und Rassisten zu bekommen, um die absolute Mehrheit im türkischen Parlament zu erlangen. Egal auf welche Art und Weise auch immer, man hat sich an diesen Anschlägen beteiligt und sie toleriert.

Die regierungsnahen Medien verbreiten weiter ihre Lügen

Diese Reihe von Attentaten legen offen, dass die AKP von Anfang an als eine spezielle Kriegsregierung und eine spezielle Kriegsclique organisiert wurde. Ihre Herangehensweise an die Kurden, ihre Aussagen über eine friedliche Lösung und eine fortschrittliche Demokratie, sowie die Friedensgespräche, welche sie mit uns und mit Abdullah Öcalan geführt haben, beruhen alle auf dem Konzept der Liquidierung der kurdischen Freiheitsbewegung. Es ist offensichtlich, dass sie weder eine Demokratisierung der Türkei, noch eine Lösung der kurdischen Frage beabsichtigen. Die AKP-Regierung hat sich zu einer speziellen Kriegsmacht mit dem Konzept organisiert, die kurdische Freiheitsbewegung, welche sie bis heute nicht besiegen konnten, auf der einen Seite zu unterdrücken und auf der anderen Seite Beziehungen zu ihr aufzubauen.

Geben wir acht, welche Regierung hatte bis jetzt so viele regierungsnahe Medien? Aber weil die AKP-Regierung eine spezielle Kriegsregierung ist, haben sie ein riesiges Medienimperium errichtet, um diesen speziellen Krieg umsetzen zu können. Auf der einen Seite verüben sie Anschläge auf die kurdischen und türkischen Sozialisten und behaupten dann schamlos, „diese Kräfte“ verübten diese Anschläge selbst.

Unsere Entscheidung zum Waffenstillstand hat die AKP beängstigt

Da die Absicherung der eigenen Macht unter normalen Bedingungen bei den Wahlen nicht absehbar ist, bemüht man sich um die Eskalation der Lage. Aus diesem Grund wurde der Krieg angezettelt. Aber das beabsichtigte Ergebnis wurde bisher nicht erzielt. Es ist eindeutig, dass bandenähnlich organisierte Gladio-Strukturen auf Anordnung von Erdoğan agieren. Hinzu kommt, dass diese Gruppierungen Methoden zur Anwendung bringen, die in der Vergangenheit kaum vorkamen, damit die Gesellschaft eingeschüchtert, desillusioniert und zur Auswanderungen gezwungen wird. Die Taten dieser Banditen führten dazu, dass allein in Cizre 22 Personen und insgesamt 100 ZivilistInnen ums Leben kamen. Die Tatsache, dass unter diesen 23 Kinder zu beklagen sind, wirft eine Debatte über Menschlichkeit auf. Das ist schlichte Brutalität. Doch trotz all dieser Machenschaften konnte sie den Krieg nicht unter ihrer Kontrolle halten. Das Ziel, die Einschüchterung der Bevölkerung, haben sie nicht erreichen können. Der Widerstand der Völker einerseits und die neuen taktischen Schritte der Guerillakräfte haben ihre Pläne durcheinander gebracht. Dies alles hat den Verlust von Wählerstimmen noch weiter voran getrieben. Unsere Entscheidung zur Einleitung einer Waffenruhe hat ihre Ängste noch weiter vertieft. Seit 5–6 Tagen wird über diese Waffenruhe diskutiert. Als diese Diskussion den Medien zugänglich wurde, haben die AKP-Sprecher sofort mit der Begründung „uns reicht es mit diesen Versprechungen – weiter mit dem Krieg“ abgelehnt. Daraus ist zu schließen, dass ihre Pläne mit der Waffenruhe gefährdet werden.

Im Gedenken an die Gefallenen in Ankara werden wir an der Entscheidung zum Waffenstillstand festhalten. Genau an dem Tag, an dem die Waffenruhe ausgerufen wurde, wird eine brutale Tat auf eine abscheuliche Art und Weise an Frieden suchende Menschen verübt. Natürlich werden solche Anschläge mit Vergeltung beglichen, aber nicht zu übersehen ist, dass die Motivation dieser Tat in der Verhinderung der Waffenruhe liegt. Wie auf das Massaker in Suruç der Krieg am 24. Juli folgte, so war es in diesem Fall die Verhinderung der Phase, in der die Waffen schweigen sollen.

Wir sind dazu verpflichtet, den Anliegen der geschätzten Gefallen gerecht zu werden. Unsere Antwort darauf ist, den von diesen Menschen ersehnten Waffenstillstand einzuhalten. In diesem Sinne werden wir die Waffenruhe bewahren. Mit dieser Haltung werden wir dem Wunsch der Gefallenen nach Frieden gerecht. Mit dieser Haltung werden wir unser Bekenntnis zur Demokratie, zu Freiheit und Geschwisterlichkeit der Völker verstärken und die Verfolgung der Verantwortlichen für dieses Massaker erzwingen. Daher ist der vom Exekutivrat der KCK gefasste Entschluss ab dem heutigen Tag (11. Oktober 2015) einzuhalten.