Die Proteste gegen die Absetzung des demokratisch gewählten Ko-Oberbürgermeisters von Wan (tr. Van), Abdullah Zeydan, durch das türkische Innenministerium haben zu massiven Polizeieinsätzen und schweren Menschenrechtsverletzungen geführt. Ein Krisenstab aus dem Verein freiheitlicher Juristen (ÖHD), der Rechtsanwaltskammer Van und der örtlichen Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD übt scharfe Kritik an der Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte und fordert die sofortige Freilassung der Inhaftierten.
Nach aktuellen Berichten beläuft sich die vorläufige Bilanz der Proteste auf etwa 400 Festnahmen, 40 Verhaftungen und rund 200 Verletzte. Mindestens 106 der Betroffenen – darunter 16 Minderjährige – wurden Opfer gezielter und exzessiver Gewalt durch die Polizei. Zahlreiche Demonstrierende erlitten Knochenbrüche oder schwere Quetschwunden, zwei Menschen droht der Verlust ihres Augenlichts. In vielen Fällen sind die Misshandlungen so gravierend, dass sie den Tatbestand der Folter erfüllen, darunter auch gegen Minderjährige. Der ÖHD bereitet derzeit hunderte Strafanzeigen gegen die Polizei vor.
Die Eskalation begann am Samstag, als die Polizei mit einem Großaufgebot das Rathaus von Wan stürmte. In den frühen Morgenstunden drangen Einsatzkräfte mit Tränengas und Gummigeschossen in das Gebäude ein, in dem sich zahlreiche Protestierende, darunter Zeydan selbst, Parlamentsabgeordnete der DEM-Partei sowie Medienschaffende, verbarrikadiert hatten. Die brutale Vorgehensweise sorgte landesweit für Empörung.
Hintergrund der Proteste ist die umstrittene Absetzung von Abdullah Zeydan durch das Innenministerium. Die Regierung ersetzte ihn durch einen Zwangsverwalter, gestützt auf eine Verurteilung wegen vermeintlicher Terrorverbindungen, die zu einer fast vierjährigen Haftstrafe führte. Die Entscheidung wird von Oppositionellen und Menschenrechtsorganisationen als politisch motiviert kritisiert. Seitdem kommt es in Wan täglich zu Demonstrationen.
Besonders besorgniserregend ist die hohe Anzahl minderjähriger Festgenommener. Nach Angaben des Krisenstabs wurden über 50 Minderjährige in Polizeigewahrsam genommen, gegen sieben von ihnen wurden Haftbefehle erlassen. Mehr als 100 Menschen befinden sich weiterhin in Haft, ohne klare Informationen über eine mögliche Freilassung.
Der Krisenstab fordert die sofortige Freilassung aller unrechtmäßig Inhaftierten, eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt und eine juristische Aufarbeitung der massiven Menschenrechtsverletzungen. Die internationale Gemeinschaft wird aufgerufen, Druck auf die türkische Regierung auszuüben, um die demokratischen Rechte und die Meinungsfreiheit in der Region zu schützen.