Nach acht Jahren Civaka Azad – Zeit für eine Neusausrichtung

Als wir 2011 die Arbeiten von Civaka Azad – dem Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit – aufnahmen, waren wir eine Handvoll politisch interessierter kurdischer Aktivistinnen und Aktivisten, die sich an der Berichterstattung zum Thema Kurden und Kurdistan störten. Wir wollten uns allerdings nicht nur über diesen Zustand beklagen, sondern beschlossen, etwas dagegen zu tun. Also begaben wir uns in die Welt der Öffentlichkeitsarbeit und lernten wie man eine Pressemitteilungen schreibt, wie eine Homepage aufgesetzt wird etc. Anschließend knüpften wir vielfältige Kontakte zu verschiedensten kurdischen politischen Akteuren, die allesamt von unserer Idee begeistert waren. Wir sprachen mit jungen Kurdinnen und Kurden, die in Deutschland aufgewachsen waren, und begeisterten sie für unsere Idee. Auch zahlreiche solidarische Menschen boten uns ihre Unterstützung an und halfen uns dabei, unser Projekt voranzubringen. So wuchsen wir schnell auf eine Gruppe von rund 50 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, die sich mit uns gemeinsam der Herausforderung stellten, die kurdischen Stimmen in die deutsche Öffentlichkeit zu tragen.

Thema „Kurdistan“ präsenter in den Medien

Das Thema „Kurdistan“ ist heute ohne Zweifel präsenter in der deutschen Öffentlichkeit als zu dem Zeitpunkt, an dem wir unsere Arbeiten aufgenommen hatten. Der Genozid an den Ezidinnen und Eziden im Şengal (Sindschar) 2014, der Kampf gegen den IS in Kobanê 2014/2015, aber auch die politischen Entwicklungen in der Türkei und damit verbunden auch in Nordkurdistan haben den Fokus der internationalen Medien immer wieder auf die Region Kurdistan gelenkt. Wir haben in diesen „heißen Phasen” unsere Aufgabe stets darin gesehen, Journalistinnen und Journalisten den Zugang nach Kurdistan zu eröffnen und ihnen kurdische Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zu vermitteln. Es sollte nicht bloß über die Kurden gesprochen werden, sondern auch mit ihnen. Zurückblickend können wir sagen, dass wir diese Aufgabe, die wir auch in Zukunft erfüllen möchten, teilweise meistern konnten.

Selektive Berichterstattung der Medien

Zugleich mussten wir allerdings in den vergangenen acht Jahren immer wieder die bittere Erfahrung machen, wie selektiv große Medien mit großer Reichweite über die Kurdinnen und Kurden berichten. Während beispielsweise der Kampf gegen den IS in Kobanê in hiesigen Medien größte Aufmerksamkeit genoss, war das beim Einmarsch des türkischen Staates in der nordsyrischen Provinz Efrîn 2018 bereits nicht mehr in demselben Maße der Fall. Dass heute in Efrîn die Bevölkerung praktisch unter denselben grausamen Bedingungen islamistischer Herrschaft leidet, wie die Menschen Syriens zuvor im IS-Herrschaftsgebiet, findet auch kaum Eingang in namhafte Medien. Ebenso desinteressiert zeigen sich deutsche Medien über einen Besatzungskrieg, den die türkische Armee aktuell im Norden des Iraks führt. Geradezu den Nullpunkt erreicht die Berichterstattung schließlich, wenn wir beim Thema der Repressionen gegen die kurdische Bevölkerung in Deutschland angelangen. Dass ein kurdischer Buchverlag mitten in Deutschland verboten und tonnenweise Bücher beschlagnahmt wurden, darunter bspw. auch die Werke Goethes und Schillers in türkischer und kurdischer Sprache, fand keinen nennenswerten Eingang in die deutschsprachige Medien und wenn dann durch eine verkürzte Wiedergabe des deutschen Innenministeriums.

Eine kurdische Gegenöffentlichkeit hat sich herausentwickelt

Wir haben in den acht Jahren unserer Arbeit aufgrund der angeführten Beispiele auch gelernt, dass die Pressearbeit bei weitem nicht ausreicht, um eine effektive Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Kurdinnen und Kurden zu betreiben. Als ein weiteres Standbein unserer Arbeit hat sich deshalb die Auseinandersetzung mit effektiven Strategien der Gegenöffentlichkeit herausentwickelt. Selbst zu einer Informationsquelle zu werden und unsere Inhalte in Diskussionsveranstaltungen zu tragen, gehörten zu den wichtigsten Teilen unserer Gegenöffentlichkeitsarbeit. Heute können wir allerdings auch sagen, dass sich andere Strukturen und Aktivitäten im deutschsprachigen Raum gebildet haben, welche die Aufgaben der Gegenöffentlichkeit weitaus effektiver ausfüllen, als wir es vermutlich hingekriegt hätten. Deshalb werden wir mit dem Relaunch unserer Homepage unserer Fokus fortan weniger auf tagesaktuelle politische Ereignisse legen und stattdessen versuchen, mit wöchentlichen Analysen und Hintergrundartikeln die politischen Zusammenhänge hinter den Entwicklungen aufzuzeigen. Tagesaktuelle Entwicklungen werden wir fortan vor allem über unserer Twitteraccount teilen und öffentlich machen.

Unsere neuen alten Aufgaben

Die Neuaufmachung unserer Seite zeigt deutlich, dass wir unseren Schwerpunkt fortan auf Hintergrundinformationen legen möchten. Neben den regelmäßigen politischen Analysen, die von uns selbst oder in Form von Gastbeiträgen von anderen Autoren verfasst werden, möchten wir mit unserer neuen Seite insbesondere unter dem Menüpunkt Service unser Angebot für Interessierte erweitern. Geplant ist auch die Einbindung von Video- und Audiobeträgen auf unserer Seite, um auf diese Weise multimedial zum Thema Kurdistan informieren zu können.

Wir hoffen, dass wir so als eine Anlaufstelle für alle Menschen wirken können, die sich im weitesten Sinne mit Kurdistan auseinandersetzen wollen und Informationen benötigen. Wenn wir dabei die eine oder andere Anfrage nicht selbst beantworten können, so können wir mit ziemlicher Sicherheit einen passenden Ansprechpartner für jeden Interessierten vermitteln. Zugleich verstehen wir uns weiterhin als eine Art Multiplikator im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit für kurdische Organisationen, Vereine und Parteien. Wir versuchen ihre Stimmen für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu gehört auch, dass wir beim Besuch kurdischer Politikerinnen und Politiker in Deutschland Pressetermine anbieten und vermitteln. Andersherum unterstützen wir auch Delegationen, die von hier aus nach Kurdistan reisen möchten und vermitteln weiterhin passende Ansprechpartner und Kontakte vor Ort.

Viele unserer selbstgesteckten Ziele bleiben auch mit der neuen Homepage gleich. Wir möchten lediglich Akzentuierung unserer Aufgaben zu Lasten der aktuellen politischen Entwicklungen stärker auf den Bereich der Analysen und Hintergrundinformationen legen. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir für Anfragen zu aktuellen Themen nicht mehr ansprechbar sind. Im Gegenteil, mit unserem breiten Kreis an Unterstützerinnen und Unterstützern sowie unserem großen Netzwerk an Kontakten zur Politik und Zivilgesellschaft Kurdistans sehen wir uns stärker denn je für jede denkbare Anfrage zu Kurdistan gewappnet. Wir freuen uns deshalb schon jetzt auf das rege Interesse!