Narin Güran und Femizide in Kurdistan

Gewalt gegen Frauen und junge Mädchen unterliegt einem spezifisch ausgelegten System, welches generationsübergreifend weitergetragen und fortgesetzt wird.

Am 21. August 2024 wurde die achtjährige Narin Güran in Amed (tr. Diyarbakir) als vermisst gemeldet, nachdem sie von der Koranschule nicht mehr nach Hause gekommen war. Ganze 19 Tage später, am 8. September, wurde ihre Leiche mitsamt Gewaltspuren in einem Bach nahe ihres Heimatdorfes aufgefunden, welches mutmaßlich bereits von der türkischen Militärpolizei gründlich abgesucht worden sei.

Eine Definition von Femiziden lautet wie folgt: „Als Femizid bezeichnet man die Tötung von Frauen oder Mädchen als extreme Form geschlechtsbezogener Gewalt, die im Kontext von patriarchaler Geschlechterdifferenzen verübt wird.“ (Quelle: Wikipedia). Die meisten Femizide werden innerhalb von Partnerschaften, nach der Trennung von Ex-Partnern und von Familienangehörigen verübt, wobei die endgültigen Morde meist nach einer längeren Phase von Gewalthandlungen erfolgen, die verschiedene Delikte wie Freiheitsberaubung, häusliche Gewalt, Stalking, Körperverletzung und Vergewaltigung mit einbeziehen.

Konstant nimmt die Gewalt an Frauen und Kindern universell zu. Doch vor allem in kurdischen Städten und Provinzen, in denen die höchste staatlich-militärische Kontrollpräsenz existiert, bestehen für die größten Schutzbedürftigen, zu denen primär Frauen und Kinder gehören, keine Schutzmechanismen oder Dokumentationen der Täter. Die Gesetze, die formell vorliegen, werden seitens der Regierung nur punktuell nach eigenen Interessen her angewendet.

Als Konsequenz sind Frauen und Kinder schutzlos dem männerdominierten Regime, islamistisch-frauenfeindlichen Söldnern und auch ihrer eigenen Familie ausgeliefert. Im Kern davon liegt die tief integrierte patriarchale Regierungsmentalität, die Frauen objektivisiert und ihr Leid aktiv nicht anerkennt. Initiativen für Kinderschutz und Frauenhäuser kriegen politisch keine Repräsentanz, weshalb ihre Verbesserungsvorschläge nicht berücksichtigt, geschweige denn staatlich implementiert werden. Mit der faschistischen AKP/MHP-Regierungskoalition wird progressiv- feministischen Organisationen und wichtiger Öffentlichkeitsarbeit der Weg versperrt und damit die innergesellschaftliche Zwangsmisere immer weiter verstärkt.

In allen Teilen Kurdistans ist geschlechtsspezifische Gewalt Teil des Alltags von Frauen und jungen Mädchen. Auch in Südkurdistan erleben wir in immer häufigerem Maße, wie Gewalt gegen Frauen in ihren endlosen Facetten der Verbrennung, Körperverletzung und Missbrauch keine gesellschaftspolitische Plattform findet und Betroffene keine unterstützenden Anlaufstellen haben.

Alle gesellschaftlichen Schichten und Bevölkerungsgruppen müssen obligatorisch über dieses Thema sensibilisiert und die Täter rechtskräftig verurteilt werden. Gewalt gegen Frauen und junge Mädchen unterliegt einem spezifisch ausgelegten System, welches generationsübergreifend weitergetragen und fortgesetzt wird. Um diesen Kreislauf zu stoppen, braucht es Stimmen, Intervention und aktive Vereitelung jeder Art von Gewalt. Narin ist eines von vielen jungen Mädchen und Kindern, die ihren Lebensumständen zu Opfer fallen. Kämpfen wir gemeinsam für Veränderung, um kurdische Kinder vor Gewalt und Misshandlung ausnahmslos zu schützen.