Der türkische Staat hat am gestrigen Sonntag eine Besatzungsoperation jenseits seiner Grenzen im Nordirak/Südkurdistan begonnen. Die Operation konzentriert sich derzeit auf die Region Metîna, die direkt hinter der türkischen Grenze liegt. Metîna gehört zu den Medya-Verteidigungsgebieten in der irakischen Region Kurdistan, die von den Guerillakräften der PKK (Volksverteidigungskräfte, HPG) kontrolliert werden.
Das Pressezentrum der HPG erklärte zu der türkischen Operation, dass das Gebiet bereits seit der Nacht zum 16. April von der türkischen Armee bombardiert werde. Türkische Kampfhubschrauber und Kampfflugzeuge seien im Einsatz. „Die Besatzungstruppen wenden in diesen Gebieten eine andere Taktik an: Die Invasion soll nicht auf einmal, sondern Schritt für Schritt ausgeweitet werden“, so die HPG in ihrer ersten Stellungnahme zur türkischen Offensive.
Erdoğan besucht heute Bagdad und Erbil (Hewlêr)
Die türkische Besatzungsoperation in Südkurdistan fällt mit einem Besuch des türkischen Staatspräsidenten im Irak und in der Autonomen Region Kurdistan zusammen. Es ist der erste Besuch Erdoğans im Nachbarland seit zwölf Jahren. Auf der Tagesordnung stehen die Wirtschaftsbeziehungen und Sicherheitsfragen. Bei letzterem dürfte es vor allem um den Kampf gegen die PKK gehen. Die irakische Regierung hatte bereits Mitte März nach einem Besuch des türkischen Außenministers Hakan Fidan angekündigt, die Arbeiterpartei Kurdistans verbieten zu wollen.
Zum heutigen Besuch des türkischen Staatspräsidenten im Irak und in der kurdischen Autonomieregion erklärt die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK): „Obwohl der offizielle Zweck dieses Besuchs die Förderung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern ist, besteht das eigentliche Ziel der Türkei darin, die Legitimation für ihre 87 Militärstützpunkte auf irakischem Territorium und der Besetzung des Landes zu erhalten und ihre geplanten neuen Angriffe abzusichern. Auf dieser Grundlage und unter angeblichen Sicherheitsbedenken will der türkische Staat also seine Besetzung irakischen Bodens ausweiten. Die Erdoğan-Regierung verletzt die Souveränität des Irak und nutzt das Staatsgebiet und den Luftraum des Landes nach Belieben.“
Türkische Militäroperationen im Irak nicht vom Völkerrecht gedeckt
Die türkische Armee führt seit den 1990er Jahren immer wieder grenzüberschreitende Militäroperationen gegen die PKK durch. In den letzten fünf Jahren intensivierte die AKP-Regierung ihr Vorgehen im Nordirak durch groß angelegte Besatzungsoperationen. Bei diesen Operationen setzte die türkische Armee nach Angaben der HPG immer wieder auch international geächtete Kampfstoffe ein, um gegen die Tunnelsysteme der Guerillakräfte vorzugehen.
Auch wenn sich die Türkei bei diesen Operationen auf das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der VN-Charta beruft, sind sich internationale Expert:innen einig, dass die türkischen Offensiven völkerrechtswidrig sind. Dies bestätigen auch zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages aus den Jahren 2020 und 2022.
In den vergangenen Monaten mussten die türkischen Soldaten zudem immer wieder schwere Rückschläge hinnehmen. Den Kräften der HPG gelang es, bei winterlichen Witterungsbedingungen Stellungen der türkischen Armee zu zerstören und Dutzende Soldaten zu töten. Die HPG berichtete zudem, dass es ihr in den vergangenen Monaten gelungen sei, Dutzende bewaffnete Drohnen der türkischen Armee abzuschießen.