Newsletter: Wahlen in der Türkei & Repressionen in Deutschland

Es sind nur noch 19 Tage bis zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei und der türkische Präsident Erdoğan lässt nichts unversucht, um in letzter Minute doch noch das Ruder an sich zu reißen. Nachdem seine Pläne einer militärischen Eskalation in Kurdistan vorerst gescheitert zu sein scheinen, versucht er nun mit wirtschaftlichen Wahlgeschenken seine Wählerschaft zu vergrößern. Zuletzt kündigte er bei der Eröffnung einer Erdgasanlage am vergangenen Donnerstag an, die Bevölkerung einen Monat lang kostenlos mit Gas versorgen zu wollen.

Vor dem Hintergrund der multiplen Krisen im Land ist jedoch kaum zu erwarten, dass die AKP mit solchen Maßnahmen neue Unterstützerkreise gewinnen kann. Denn der Wunsch nach Veränderung ist in der Gesellschaft groß. Auch deshalb hat das Erdoğan-Regime für die Wahlen zahlreiche reaktionäre und islamistische Kräfte um sich geschart. Viele fragen sich bereits, ob es in der Türkei zu einem friedlichen Machtwechsel kommen kann, wenn die AKP die Wahlen verliert.

Die Menschen in der Türkei sind sich bewusst, dass die Wahlen – unabhängig von ihrem Ausgang – keine schnellen Veränderungen bringen werden. Vielmehr stellt sich die Bevölkerung bereits jetzt auf einen langen Übergangsprozess ein. Denn auch wenn der Oppositionskandidat Kemal Kılıçdaroğlu im Wahlkampf Hoffnungen auf eine demokratische Wende im Land macht, finden sich in seinem Wahlbündnis rechtskonservative und rückwärtsgewandte Akteur:innen, die diesen Weg aller Voraussicht nach nicht mitgehen werden. Die Wahlen mögen daher ein wichtiger Moment sein, die Zukunft der Türkei und damit der gesamten Region wird jedoch vom demokratischen Kampf der Gesellschaft bestimmt werden.

Während in Kurdistan und im Mittleren Osten alle Augen auf die Wahlen in der Türkei gerichtet sind, wird in Deutschland kräftig am Repressionsrad gedreht. In den letzten Monaten hat nicht nur die Zahl der Ausreiseverbote oder Verfahren nach §129 a/b gegen kurdische Aktivist:innen massiv zugenommen, es fanden auch wieder gezielte Aktionen zur Kriminalisierung organisierter kurdischer Strukturen statt.

So wurden am 19. April die Vereinsräume des „Demokratischen Gesellschaftszentrums der Kurden in Darmstadt e.V.” sowie das Büro der „Föderation der demokratischen Vereine – KAWA e.V.“ durchsucht. Parallel dazu fanden Razzien in den Wohnungen der ehemaligen Co-Vorsitzenden dieser Vereine statt. Anlass war eine Gedenkveranstaltung vor knapp drei Jahren, bei der eine PKK-Fahne gezeigt worden sein soll. Die Durchsuchungen verliefen ergebnislos. Alle vorläufig Festgenommenen wurden wieder freigelassen, beschlagnahmt wurden einzelne Fahnen und Transparente, die verbotene PKK-Fahne befand sich nicht darunter.

Darüber hinaus nehmen auch die Fälle von Abschiebungen politisch aktiver Kurd:innen zu. Zuletzt konnte die Abschiebung eines Kurden aus Kassel durch einen Eilantrag seines Anwalts in letzter Minute verhindert werden. Für zwei Familien aus Timmendorfer Strand kam jede Hilfe zu spät. Als die Polizei am
22. April um 6 Uhr morgens die Wohnungstüren der Betroffenen aufbrach, stürzte sich ein Familienvater verzweifelt von seinem Balkon aus dem dritten Stock und liegt seitdem im Krankenhaus. Ein weiterer Familienvater befindet sich auf der Flucht, während die Familien der beiden abgeschoben wurden.

Dass diese Verschärfung der Repressionen ausgerechnet jetzt, ein Jahr nach den ersten juristischen Schritten gegen das Betätigungsverbot der PKK in Deutschland und so kurz vor den Wahlen erfolgt, ist ein sehr beunruhigendes Signal, das die Bundesrepublik an die kurdische Bevölkerung sendet.

Wir hoffen daher, dass die Wahlen nicht nur den Beginn einer Wende in der Türkei markieren. Auch die Bundesrepublik muss dringend ihre Politik gegenüber der kurdischen Bevölkerung in Deutschland überdenken!


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