Einen Brief an internationale Institutionen und die türkische Präsidentschaft haben 88 Nobelpreisträger:innen aus verschiedenen Fachbereichen unterzeichnet. Hierin unterstützen sie den Aufruf des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan für „Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ sowie den laufenden Prozess zur Lösung der kurdischen Frage. Weiter äußern sie ihre anhaltende Besorgnis über die Haftbedingungen, unter denen er seit 26 Jahren inhaftiert ist. Sie erklären: „In einer Zeit, in der sich Konflikte weltweit verschärfen, ist der Aufruf von Herrn Öcalan zu Frieden und Demokratie in der Türkei ein Leuchtfeuer der Hoffnung für die Völker der Region.“
„Offensichtlicher Mangel an sinnvollen Bemühungen“
Die Unterzeichnenden kritisieren internationale Institutionen für ihren „offensichtlichen Mangel an sinnvollen Bemühungen seitens der hier angesprochenen europäischen Einrichtungen sowie des UN-Menschenrechtsausschusses“ im Fall Öcalan und fordern sie auf, ihren Verpflichtungen zum Schutz der Rechte nachzukommen, insbesondere indem sie die Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von 2014 bezüglich des „Rechts auf Hoffnung“ und gegen verschärfte lebenslange Haftstrafen sicherstellen.
Forderung nach Öcalans Freiheit
Dies ist das dritte Mal, dass Nobelpreisträger:innen in den Fall Öcalan eingreifen und internationale Institutionen dazu auffordern, Maßnahmen zum Schutz seiner Rechte zu ergreifen. In diesem Brief gehen die Preisträger:innen noch einen Schritt weiter und bekunden ihre Unterstützung für den von ihm initiierten Friedensprozess und für seine Rolle als wichtiger Gesprächspartner in diesem Prozess:
„Der Aufruf von Herrn Öcalan folgt dem Geist der Geschwisterlichkeit und des Friedens, den Alfred Nobel so nachdrücklich betont hat. Als Nobelpreisträger:innen erkennen wir diese Initiative an und unterstützen sie. Im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen und als legitimer politischer Vertreter und Führungspersönlichkeit des kurdischen Volkes muss Herr Öcalan frei sein und uneingeschränkt an dem von ihm initiierten Friedensprozess teilnehmen können, um so frei mit seinem Rechtsbeistand, seiner Partei und allen Akteur:innen in diesem Prozess kommunizieren zu können.”
„Öcalan will sich für Frieden einsetzen“
Die Initiative wurde von zwei Friedensnobelpreisträgerinnen, Jody Williams (1997) und Shirin Ebadi (2003), geleitet, die sich aktiv für Menschenrechte und Friedensförderung einsetzen. In einem Interview Anfang dieses Jahres betonte Williams die Bedeutung der Freiheit Öcalans und seiner ungehinderten Teilnahme an dem Prozess.
„Diejenigen von uns, die die Situation seit einiger Zeit verfolgen, hoffen natürlich, dass die Türkei entsprechend reagieren wird, dass sie seinem Aufruf nachkommen und die Voraussetzungen für seine Teilnahme schaffen wird“, sagte sie. „Er ist ein vollwertiger Teilnehmer an diesem Prozess und [braucht] auch Sicherheit.“
Williams verband den Kampf für die Rechte der Kurd:innen außerdem mit umfassenderen globalen Konflikten:
„In der heutigen Welt sehen wir nur Hass und Völkermord … und zu sehen, wie Öcalan diese Position einnimmt und sich für den Frieden einsetzen will, ist inspirierend.“
Zweiter Brief geht an Erdoğan
Der Brief wurde an alle internationalen Institutionen geschickt, denen die Türkei angehört, sowie an den Generalsekretär des Europarates, den Menschenrechtskommissar, den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und das Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter (CPT). Weitere Briefe wurden an alle Mitglieder des Ministerkomitees des Europarates geschickt, das im September 2025 erneut über die Umsetzung des EGMR-Falls Öcalan gegen die Türkei aus dem Jahr 2014 beraten wird.
Ein zweiter Brief wurde auch direkt an den türkischen Präsidenten Reccep Tayyip Erdoğan geschickt, welcher sowohl für die Umsetzung der EGMR-Entscheidungen im Fall Öcalan als auch für die Fortsetzung und den Erfolg des aktuellen Friedensprozesses eine erhebliche Verantwortung trägt.
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Den vollständigen Appell der Nobelpreisträger:innen finden Sie hier: