Bundeskanzler Olaf Scholz ist am Samstag zu einem eintägigen Besuch in die Türkei gereist. Dabei wurde deutlich, dass Deutschland und die Türkei nach Jahren der Zurückhaltung im Rüstungsbereich wieder enger kooperieren wollen. Nach seinem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul bezeichnete es der SPD-Politiker als selbstverständlich, dass der NATO-Partner Türkei deutsche Waffen erhalte. „Die Probleme, die wir in der Vergangenheit bei der Beschaffung entsprechender Produkte hatten, haben wir jetzt hinter uns gelassen und wollen in diesem Bereich zusammenarbeiten“, sagte Erdoğan. Scholz zeigte sich auch offen für die Lieferung von Eurofighter-Kampfflugzeugen.
Kurz vor dem zweiten Türkei-Besuch des Bundeskanzlers wurde bekannt, dass die Bundesregierung wieder in größerem Umfang Rüstungsexporte in die Türkei genehmigt. In diesem Jahr wurden bis zum 13. Oktober bereits 69 Genehmigungen im Wert von über 200 Millionen Euro erteilt. Vor allem in linken Kreisen wird die Bundesregierung für ihre Rüstungsexporte in die Türkei kritisiert, da es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Die Türkei bombardiert in Kooperation mit islamistischen Milizen im Norden und Osten Syriens sowie im Nordirak immer wieder zivile Ziele und kritische Infrastruktur in Kurdistan, begeht schwere Kriegsverbrechen und hat zahlreiche Militärbasen in der Region errichtet, wodurch sie die Zivilbevölkerung einem täglichen Terror aussetzt. Darüber wird die Bundesregierung wohl auch in Zukunft hinwegsehen; Menschenrechtsfragen waren auf der gemeinsamen Pressekonferenz kaum ein Thema.
Kampf gegen die PKK
Nach fast neun Jahren Pause wollen Scholz und Erdoğan auch die deutsch-türkischen Regierungskonsultationen wiederbeleben. Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) war ebenfalls ein Thema. Der Bundeskanzler brüstete sich mit der Bekämpfung kurdischer Strukturen durch deutsche Behörden. „Unter den europäischen Ländern ist Deutschland sehr erfolgreich, wenn es etwa darum geht, Straftaten der PKK zu verfolgen. Das werden wir auch weiterhin in unserer Zusammenarbeit machen“, so Scholz. Bundeskanzler Scholz bekräftigt damit seine ablehnende Haltung gegenüber einem Demokratisierungsprozess in der Türkei und einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage. Es wird ersichtlich, dass die Bundesregierung nach wie vor nicht gewillt ist, die täglichen Menschenrechtsverletzungen gegen Kurd*innen in der Türkei zu thematisieren. Stattdessen wird deutlich, dass sie den Kriegskurs der Türkei weiterhin aktiv unterstützen möchte.
Darüber hinaus wäre es notwendig gewesen, dass sich Herr Scholz für ein Ende der fast täglichen völkerrechtswidrigen Angriffskriege der Türkei sowie für einen Rückzug der türkischen Truppen aus den kurdischen Gebieten einsetzt. Zudem muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Türkei ihre Unterstützung für islamistische Milizen einstellt. Der pro-islamistische Kurs der Türkei gefährdet nicht nur die Demokratisierung der Türkei, sondern stellt auch eine erhebliche Gefahr für die Sicherheitslage in Deutschland dar.
Auch vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl 2025 kommt es darauf an, Demokratie, Sozialstaatlichkeit und Fortschritt glaubwürdig und gewissenhaft zu vertreten. So ist auch die Ampelkoalition gefordert, endlich eine klare Haltung gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei einzunehmen, sich für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einzusetzen und die Lebensbedingungen der Kurd*innen in Deutschland zu verbessern. Dies erfordert die Beendigung der Kriminalisierung der Kurd*innen und ihrer Institutionen sowie eine demokratie- und völkerrechtskonforme Ausgestaltung der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Türkei, dem Iran, Syrien und dem Irak. Der Kampf gegen den Islamismus kann nur mit ehrlichem Interesse und nicht mit Zugeständnissen an den IS- und Hamas-Unterstützer Recep Tayyip Erdoğan erfolgreich geführt werden.