Über 30 Jahre PKK-Verbot: Die Kriminalisierung der kurdischen Freiheits-Bewegung in Deutschland

An dem Umstand, dass sich das Hirngespinst von der terroristischen PKK bis heute hält, haben auch Medien und Journalist:innen ihren Anteil. Das schreiben Alexander Glasner-Hummel, Monika Morres und Kerem Schamberger in ihrem Buch „Geflohen. Verboten. Ausgeschlossen. Wie die kurdische Diaspora in Deutschland mundtot gemacht wird“. In Bezug auf die kurdische Freiheitsbewegung habe der deutsche Journalismus vielfach versagt, die vierte Gewalt sei gescheitert in ihrer Funktion, die Politik zu kontrollieren und kritisch zu begleiten.

In Köln findet heute eine Demonstration für die Freiheit von Abdullah Öcalan statt, zu der unter anderem die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED) unter dem Motto „Schluss mit 25 Jahren Isolation, Folter und Rechtlosigkeit“ aufruft. Der Dachverband kurdischer Kulturvereine hat angesichts der reißerischen und stigmatisierenden Vorabberichterstattung die Einhaltung des Pressekodex gefordert und insbesondere einen Artikel im Kölner Express scharf kritisiert. Interessant an diesem diffamierenden Artikel unter der Schlagzeile „Brücken und Straßen gesperrt: 15.000 zu Großdemo für Anführer von Terrorgruppe in Köln erwartet” ist auch der Schluss. Dort steht nämlich: „Dieser Text wurde mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt und von der Redaktion (Adnan Akyüz) bearbeitet und geprüft.” Adnan Akyüz war von 2011 bis 2013 Reporter bei der türkischen Zeitung Hürriyet und ist seit 2014 beim Express.

Aber auch der WDR berichtete in ähnlichem Stil von einer „Demonstration für den Anführer der Terrororganisation PKK“ und behauptete, die PKK wolle einen unabhängigen kurdischen Staat gründen. Tatsächlich ist die PKK vor über dreißig Jahren von diesem Ziel abgerückt und hat seit 1993 neun einseitige Waffenstillstände gegenüber dem türkischen Staat ausgerufen. Das Alternativkonzept von Abdullah Öcalan zum Nationalstaat heißt Demokratische Nation, ein Modell, welches als strategisches Ziel ein friedliches und demokratisches Zusammenleben der Völker formuliert.

Der WDR-Bericht ist auch der Aufhänger für einen Beitrag im Blog Voices from Kurdistan, in dem das seit über dreißig Jahren bestehende PKK-Verbot und die Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung in Deutschland kritisiert wird. Darin heißt es unter anderem:

Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung in Deutschland

In der Kölner Innenstadt findet am Samstag eine Demonstration für den Anführer der Terrororganisation PKK statt. Die Polizei rechnet mit 15.000 Teilnehmern. ‚Freiheit für Öcalan‘ ist das Motto der Demonstration am Samstag. Anhänger der PKK wollen damit in Köln für die Freilassung ihres Anführers Abdullah Öcalan demonstrieren.“ Das berichtet der WDR einen Tag vor der geplanten Demonstration in Köln gegen die vollständige Isolationshaft Abdullah Öcalans auf der Gefängnisinsel Imrali. Öcalan ist vielen Menschen bekannt, wird jedoch in allen regierungspolitischen Diskursen als „Terrorist“ diffamiert. Für Kurd:innen ist er ein Philosoph und der größte Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung in ihrem Streben nach einer friedlichen Lösung und einer antikapitalistischen globalen Bewegung gegen ausbeuterische und patriarchale Systeme.

Deutschland verfolgt seit Jahrhunderten ein Eigeninteresse, linke Arbeiterbewegungen und progressive Kräfte gegen den eigenen staatlichen Konservatismus niederzuschlagen, und begann mit dieser Repression bereits im Zeitalter Bismarcks mit dem Verbot linker Parteien. Der im Grundgesetz verankerte Paragraph 129a/b gegen sogenannte „terroristische Vereinigungen“ wird aktuell am stärksten gegen die kurdische Arbeiterpartei, die PKK, landesweit genutzt, um jeglichen kurdischen Aktivismus im Kern zu ersticken. Ein Tag vor der Demonstration werden bereits verfälschte Ängste mit einer bewussten Rhetorik von „Anhängern“ und „Terroristen“ geschürt, um eine gesamtgesellschaftliche diskreditierende Atmosphäre gegen alle Beteiligten zu mobilisieren. Die Debatten um die PKK, um Abdullah Öcalan und um aktivistische Kurd:innen in Deutschland finden zu diesen Zeiten erneut einen besonderen Aufschwung. Es bietet sich an, die Frage zu stellen, was ist die PKK und was für ein Ziel verfolgt die deutsche Regierung mit einem solchen Parteiverbot für einen Konflikt, der außerhalb von Deutschlands Grenzen vonstatten geht?

Sich offen zu dem Slogan Jin Jiyan Azadî bekennen und es für feministische Diskurse nutzen und gleichzeitig die kurdische Ideologie, aus der es stammt und gelebt wird, aufs Höchste kriminalisieren: Das ist Deutschland. Unsere Außenministerin Anna-Lena Baerbock war eine der vielen politischen Akteur:innen, die mit einem Plakat der ins Englische übersetzten kurdischen Parole „Woman Life Freedom“ gesichtet wurde und es stolz trug, doch im gleichen Atemzug ihre „feministische Außenpolitik“ mit Waffenlieferungen an die Türkei definiert, mit denen die Kräfte, die diese radikal-emanzipatorisch feministische Ideologie tragen, militärisch eliminiert werden.

1993 leitete die deutsche Regierung das PKK-Verbot in die Wege, jedoch nicht aus eigener staatlicher Überzeugung, sondern als eine Übernahme des Terror-Verständnisses der Türkei, um zu jedem Preis eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Kooperationen mit dem Terror-Regime zu entgehen. Deutschland kann als Land seiner Verantwortung und Aufgabe nicht entgehen und muss sich zwingenderweise mit der politischen Lösung der kurdischen Frage auseinanderzusetzen, denn hier ist die größte kurdische Diasporagemeinde in Europa ansässig. Jedoch nimmt sie bislang bei dieser Thematik zu keinem Punkt eine konstruktive Rolle ein und wird ihrem Ruf als demokratisches Land einfach nicht gerecht. (…)

Um die Jahre 2014/2015, die die intensivsten Kampfjahre gegen den IS markieren, fiel im Diskurs die „Chance einer Neueinordnung“. Viele deutsche Politiker:innen äußerten sich in diesen Jahren positiv über die YPG/YPJ und auch die PKK als Verbündete im Kampf gegen den IS. (…) Rasant verstummten die Sympathiebekundungen der Bundesrepublik aber wieder, obwohl in den dreißig Jahren des PKK-Verbots klar wurde: Die PKK stellt für Deutschland keine Gefahr dar und das Recht auf kurdischen Aktivismus ist ein Menschenrecht, welches im Grundgesetz als eine der größten zentralen Säulen verankert ist. (…) Mit diesen Worten hoffen wir auf eine laute und erfolgreiche Demonstration ohne gewalttätige Polizeieinsätze für einen der wichtigsten Freiheitsmärsche der Demokratie!


Der Artikel stammt aus dem Blog Voices from Kurdistan.