Über die Bedeutung der Wahlbündnisse

Selahattin Erdem über die Wahlen in der Türkei, 10.05.2018

Das Zentralkomitee der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat in einer Stellungnahme erklärt, dass sie vom 21. bis zum 24. April ihre ordentliche Sitzung abgehalten und Planungen für die Sommerphase des Freiheitskampfes in Kurdistan vorgenommen hat. (…) Aus der Erklärung der PKK wird auch ersichtlich, dass auf dieser Sitzung die vorgezogenen Wahlen in der Türkei am 24. Juni bewertet wurden. In diesem Rahmen wurden alle antifaschistischen, demokratischen Kräfte dazu aufgerufen, sich gegen die faschistoide Diktatur der AKP und MHP zu stellen und die Bedeutung von Bündnissen wurde deutlich betont. Mit dem plötzlichen Vorziehen der Wahlen durch Erdoğan und Bahçeli ist klar geworden, dass die Ankündigung von Wahlen im November nur eine Lüge und Täuschung war. Sie haben sich schon seit Längerem mit ihrem Bündnis und Kongressen auf die Wahlen vorbereitet. Dahinter steht wohl die Hoffnung, die Opposition unvorbereitet und zersplittert zu überraschen, um so Erdoğan erneut zum Präsidenten machen zu können. Mit der Aufstellung der Kandidaten und den gegenseitigen Herausforderungen hat die Wahlphase nun offiziell begonnen.

Der Kandidat der AKP und MHP ist Erdoğan. Die Oppositionsparteien hingegen haben es als angemessen betrachtet, in der ersten Wahlrunde ihre jeweils eigenen Kandidaten aufzustellen. Das ist zweifellos richtig, denn mit auf diese Weise kann die Wahl Erdogans in der ersten Runde verhindert werden. In der Stichwahl wird der Kandidat der CHP von Bedeutung sein. Es heißt, dass auch der HDP-Kandidat Selahattin Demirtaş und die Kandidatin der İyi Parti, Meral Akşener, an der Stichwahl teilnehmen werden. Bei guter Vorarbeit ist es nicht unwahrscheinlich, dass Demirtaş in der Stichwahl bleibt und die Wahl gewinnt.

Doch schauen wir uns den Kandidaten der CHP genauer an. Nach Diskussionen über Abdullah Gül und Abdullatif Şener wurde nun Muharrem İnce von der CHP aufgestellt. Haben die Verantwortlichen der CHP die notwendigen Gespräche geführt, dass im Falle einer möglichen Stichwahl Muharrem İnce von allen Oppositionsparteien gewählt wird? Wenn dies nicht der Fall ist, wäre es nicht falsch zu sagen, dass der geheime Kandidat der CHP Erdoğan ist. Denn das vor Kurzem gebildete “Volksbündnis” – Milli İttifak – aus Sozialdemokraten (CHP), Nationalisten (IYI), Islamisten (Saadet) und Konservativen (DP) wird wohl unter sich eine Übereinkunft gefunden haben. Für einen Erfolg wäre nun die Unterstützung der HDP notwendig.

Gegenwärtig treten bei den Wahlen vom 24. Juni nun die zwei oben erwähnten Bündnisse und die HDP an. Die HDP ist im Grunde auch ein Bündnis der antifaschistischen und demokratischen Kräfte. Verschiedene Parteien, Einzelpersonen, Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Gruppen, Frauen- und Jugendorganisationen sind Teil der HDP. Wenn man die AKP-MHP als offen faschistisches Bündnis und das Bündnis der CHP als geheimes faschistisches Bündnis betrachtet, stellt die die HDP das einzige demokratische Bündnis dar. Nur die HDP kann der Türkei wirkliche Demokratie bringen.

Die im Rahmen der Wahlen entstanden Bündnisse spiegeln im Grunde die Parteienlandschaft der Türkei realistisch wieder. Es ist nicht richtig, wenn das Viererbündnis der CHP dahin gehend kritisiert wird, dass die HDP nicht mit einbezogen wurde. Die HDP kann sich diesem Bündnis im Grunde gar nicht anschließen, da sie ansonsten das, was sie grundsätzlich ausmacht, verlieren würde. Zudem hat die HDP nicht das Bedürfnis nach solchen Bündnissen, um die Wahlhürde zu überwinden. Die HDP hat in den zwei Wahlen zuvor auch die Hürde überwunden und konnte ihren Stimmanteil darüber hinaus vermehren. Deshalb kann die HDP ein eigenes Bündnis gegen die AKP und MHP aufstellen. Um den Kandidaten, der in der Stichwahl gegen Erdoğan antritt, muss sich dann vereinigt werden. Somit wird klar werden, wer wirklich gegen Erdogan ist.

In diesem Sinne gehen der Block um die CHP und das Bündnis um die HDP unter Bedingungen des Ausnahmezustands in den Wahlkampf. Zentral wird im Wahlkampf dabei vor allem die Kritik an der AKP-MHP Regierung sein. Während der Aktivitäten im Rahmen der ersten Wahlrunde darf dabei nicht die Stichwahl vergessen werden. So können die Wahlen am 24. Juni zu einem Ereignis führen, das die Regierungszeit der Diktatur nicht verlängert, sondern beendet.