Amed Dicle, Firatnews, 24. März 2016
Nach den zwei Anschlägen in Ankara ist die Organisation TAK wieder in aller Munde. Wer diese Organisation ist, müssen eigentlich nicht die Kurden erklären, sondern der türkische Staat. Denn die Existenz dieser Gruppe hängt direkt mit der Politik des türkischen Staates zusammen. Werfen wir dennoch einen Blick auf die Struktur und Ausrichtung dieser Gruppe.
Laut Eigenangaben aus der Homepage der Organisation reicht die Geschichte der „Freiheitsfalken Kurdistans“ (Teyrêbazên Azadiya Kurdistan, kurz TAK) auf das Jahr 2004 zurück. Mit den ersten Anschlägen in türkischen Metropolen macht die Gruppe allerdings erst im Jahr 2006 von sich Reden.
2007 sorgte ein Anschlag des TAK Mitglieds Güven Akkuş in der Innenstadt von Ankara für großes Aufsehen. Ziel des wohl verfehlten Anschlags soll der damalige türkische Generalstabschef Yaşar Büyükanıt gewesen sein. In jenen Tagen herrschte in der Türkei eine ähnliche aufgeheizte politische Stimmung wie heute. Damals fanden Experten in den Haarproben Abdullah Öcalans Befunde, wonach dieser auf der Gefängnisinsel Imrali vergiftet worden sein könnte, was dazu führte, dass überall auf der Welt Kurdinnen und Kurden auf die Straßen gingen, um zu protestieren.
Den Informationen der TAK-Homepage zufolge hat es zwischen den Jahren 2006 und 2012 kontinuierlich Aktionen der Gruppe gegeben. In den Jahren 2013 und 2014 hatte die Organisation ihre Aktionen dann eingestellt, bevor sie nun mit einem Anschlag am 23. Dezember 2015 und den zwei Anschlägen in Ankara wieder aktiv geworden ist.
In einer Stellungnahme vom 30. Dezember 2015 erklärt die Gruppe, dass sie die Zielperspektiven, die Aktionsformen und die Taktiken der PKK und anderer kurdischer Gruppen für zu lasch und unwirksam hält, weswegen sie nun selbst dem „Krieg des türkischen Faschismus gegen das kurdische Volk“ die notwendige Antwort geben werde. In derselben Stellungnahme sagt die TAK aus, dass sie während der Phase, in der Gespräche zwischen dem türkischen Staat und Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali geführt wurden, keine Aktionen durchgeführt habe. Mit dem Ende dieser Phase sei man allerdings wieder aktiv geworden und werde die Unterdrückung und die Massaker an der kurdischen Bevölkerung nun rächen.
Nach den jüngsten Anschlägen in Ankara spekulierten verschiedene Kreise, dass die Organisation TAK unter dem Einfluss der PKK agiere. Doch die PKK hat vielfach erklärt, dass sie keinerlei Beziehung zur TAK hat. Die PKK verfügt über eine politische und gesellschaftliche Perspektive. Sie hat sich in den verschiedensten Lebensbereichen organisiert. Sie verfügt auch über eigene Guerillakräfte, die allerdings im Einsatz nur Aktionen gegen militärische und militaristische Ziele durchführen. Die PKK wertet Aktionen, die gegen Zivilisten gerichtet sind, als Kriegsverbrechen und hat 1994 die Genfer Kriegskonvention unterzeichnet, an welche sie sich bis heute gebunden fühlt. Aktionen der PKK aus den 1980er Jahren, die zivile Opfer zur Folge hatten, wurden von ihr selbst untersucht und die Verantwortlichen verurteilt.
Die TAK erklärt jegliche staatliche Einrichtung der Türkei und die Wirtschaft des Landes zu ihren erklärten Zielen. Sie sagt selbst aus, dass sie nicht gezielt Anschläge gegen Zivilisten zu verüben beabsichtigt. Für die zivilen Opfer beim jüngsten Anschlag in Ankara hat sie in ihrer Erklärung ihr Beileid bekundet. Doch geht aus eben jener Erklärung auch hervor, dass die Gruppe den Kampf der PKK als unzureichend betrachtet und deshalb radikalere Aktionsformen befürwortet.
Aus den Erklärungen der TAK geht auch hervor, dass einige ihrer Mitglieder zuvor in den Reihen der PKK ihren Platz eingenommen hatten. Doch infolge der Friedensbestrebungen der PKK haben diese Jugendlichen wohl der PKK den Rücken gekehrt, eine neue Organisationsplattform gesucht und diese in der TAK gefunden.
Aus dem Gesagten wird deutlich, dass eine Gleichsetzung der TAK mit der PKK entweder aus Unwissenheit erfolgt oder Teil einer Kriegspropaganda ist.
Eine Frage, mit der wir uns allerdings auch auseinandersetzen müssen, ist, wie es sein kann, dass eine Organisation wie die TAK entstehen kann? Heute sind in Kurdistan zehntausende junger Menschen davon überzeugt, dass eine Lösung mit dem türkischen Staat nur durch einen Krieg möglich ist. Tausende Menschen in Kurdistan rufen auf der Straße „Rache“. Bei Demonstrationen in Kurdistan, der Türkei und in Europa halten junge Menschen die Bilder von TAK-Mitgliedern hoch. Selbst zu Zeiten der Gespräche auf Imrali haben tausende Jugendliche die PKK kritisiert, weil diese nicht kämpfe. Besuchen sie heute irgendeine kurdische Veranstaltung und sie werden Jugendliche finden, die die Erklärung der TAK gutheißen. Es sind also die Ursachen dieses Rachegefühls, welche sich innerhalb der kurdischen Jugend breit machen, die soziologisch untersucht werden müssen, wenn man sich mit der Entstehung der TAK befassen will. Und es sind die Kriegsverbrechen der Türkei, die sie in Cizîr, Silopi, Sur und andernorts begeht, welche die Jugendlichen dazu bringt, sich in den Reihen der TAK zu organisieren.
Dass bei den Anschlägen der TAK Zivilisten ums Leben kommen, ist mit Nichts gutzuheißen. Hiergegen muss sich Protest erheben. Diese Anschläge müssen kritisiert und verurteilt werden. Doch das allein wird nicht ausreichen, die Organisation aus der Welt zu schaffen. Die Jahre 2013 und 2014 haben gezeigt, dass diese Organisation die Friedensbemühungen auf Imrali nicht durch die Fortsetzung ihrer Aktionen sabotiert hat. Aus diesem Grund ist das effektivste Mittel gegen die TAK ein Ende der Kriegspolitik der AKP gegen die kurdische Bevölkerung und die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen.
Während des Lösungsprozesses hatten einzelne AKP Abgeordnete erklärt, dass wenn man keine Lösung für die kurdische Frage herbeiführen würde, vielleicht eine PKK gehen, dafür allerdings mehrere PKKs zurückkehren würden. Die eine PKK ist zwar nicht gegangen. Aber die Gefahr neuer „PKKs“ scheint sich in Form der TAK zu bewahrheiten.