Wütende Proteste nach „Wahl-Putsch“ durch AKP-Regierung in Wan

Bereits zwei Tage nach den Kommunalwahlen zeigt die AKP-Regierung, dass sie in keinster Weise bereit ist, den Wähler:innenwillen der kurdischen Bevölkerung anzuerkennen. So wurde am Dienstag die Kandidatur des DEM-Partei Politikers Abdullah Zeydan für die Provinz Wan (tr. Van) annulliert.

Dieser hatte gemeinsam mit Neslihan Şedal  55,5 Prozent der Stimmen in Wan erhalten. Sein Gegenkandidat von der AKP, Abdulahat Arvas, kam gerade mal auf 27,1 Prozent. Doch trotz eindeutigem Wahlergebnis erhielt nun der AKP-Politiker Arvas am Dienstag die Ernennungsurkunde zum Oberbürgermeister von Wan. Die Wahlbehörde begründet den von Jurist:innen als „eindeutig rechtswidrig“ eingestuften Schritt mit einem Einspruch des türkischen Justizministeriums gegen eine frühere Entscheidung, die Zeydan das Recht gewährt, gewählt zu werden. Der frühere Parlamentsabgeordnete saß mehr als fünf Jahre unter Terrorvorwürfen im Gefängnis, wurde rechtskräftig verurteilt und kam Anfang 2022 frei. Der Wahlausschuss erhob bei seiner Bewerbung um eine Kandidatur für das Oberbürgermeisteramt zunächst  keinerlei Einwände.

Wie die DEM-Partei und die Juristenvereinigung ÖHD am Dienstag öffentlich machten, hat das Justizministerium am letzten Freitag, nur fünf Minuten vor der Schließung des Gerichts – und weniger als 48 Stunden vor der Kommunalwahl – die Streichung der Wiederherstellung der politischen Rechte Zeydans und eine Rücknahme der Tilgung im Strafregister erwirkt. Per Blitzverfahren wurde der Antrag im Sinne des Ministeriums entschieden und der Beschluss an die Wahlbehörde übermittelt. Auf Grundlage dieser Entscheidung soll nun der Wahlsieg Abdullah Zeydans und Neslihan Şedals annulliert werden.

Wütende Proteste in ganz Nordkurdistan

n vielen Städten der Türkei kam es unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung zu Protesten gegen die Ernennung des AKP-Politikers Abdulahat Arvas zum Bürgermeister von Wan. Die Proteste dauerten bis in die späten Abendstunden an. Es kam zu Straßenschlachten, Verletzten und Festnahmen, die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein.

In Wan protestierten bereits tagsüber Tausende Menschen gegen die Entscheidung, es wurden Straßenbarrikaden errichtet. Die Polizei ging mit einem Großaufgebot gegen die Proteste vor, nach Angaben des Provinzverbands der DEM wurde das Parteigebäude gestürmt und mit Tränengasgranaten beschossen. Nach dem Fastenbrechen am Abend flammten die Proteste erneut auf, Jugendliche zündeten Feuer auf Straßen an und riefen Parolen.

In Colemêrg (tr. Hakkari) demonstrierten überwiegend junge Menschen im Stadtzentrum, die Polizei setzte Aufstandsbekämpfungseinheiten ein. AKP-Anhänger schossen in die Luft, die Demonstrant:innen reagierten mit Steinwürfen und Feuerwerkskörpern. Auch in Gever (tr. Yüksekova), dem Geburtsort von Abdullah Zeydan, errichteten Jugendliche brennende Straßensperren und wurden von der Polizei mit Gaskartuschen, Plastikmunition und Wasserwerfern angegriffen.

Bei einer Protestaktion der DEM-Partei vor dem Wahlausschussbüro in Amed wurde zum Widerstand aufgerufen. Die gewählte Ko-Oberbürgermeisterin Serra Bucak erklärte, dass das kurdische Volk am Sonntag seinen Willen gezeigt und ihre Partei die Wahl in 78 Städten und Gemeinden gewonnen habe: „Damit wurden alle Wahlintrigen zunichte gemacht.Aus diesem Grund hat die Regierung keine 48 Stunden später gegen den Willen der Bevölkerung in Wan geputscht. Der Vorgang ist illegitim und antidemokratisch. Wir wehren uns seit acht Jahren gegen das Regime der Zwangsverwaltung, mit dem unsere Städte und Dörfer ausgebeutet und der Willen des kurdischen Volkes übergangen wird. Wir stehen auf der Seite der Bevölkerung von Wan, ganz Kurdistan lässt Wan in dieser Situation nicht allein.“

Nachfolgend finden Sie die englischsprachige Erklärung der DEM-Partei zu den Vorgängen in Wan