Neue Phase im kurdischen Befreiungskampf: PKK stellt militärischen Kampf ein
Vom 5. bis 7. Mai hat die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ihren 12. Kongress abgehalten. Aus Sicherheitsgründen fand das Treffen an zwei verschiedenen Orten in den Qandil-Bergen in Südkurdistan (Nordirak) statt. 232 Delegierte nahmen daran teil. Die PKK gab außerdem den Tod zweier Gründungsmitglieder, Ali Haydar Kaytan und Rıza Altun, bekannt, die bereits 2018 bzw. 2019 gefallen sind.
Die wichtigste Entscheidung des Kongresses war der formelle Abschluss der Arbeit unter dem Namen „PKK“ sowie das Ende des bewaffneten Kampfes. Die Organisation begründete diesen Schritt mit der Notwendigkeit einer politischen Neuorientierung im Verhältnis zwischen Kurd:innen und dem türkischen Staat. Die PKK betonte, ihre historische Aufgabe – die kurdische Frage auf die politische Agenda zu setzen – erfüllt zu haben. Vor allem die Erklärung Abdullah Öcalans vom Februar dieses Jahres markiere den Übergang in eine neue Phase.
In ihrer Abschlusserklärung rief die PKK die kurdische Bevölkerung auf, den neuen Weg des zivilen, demokratischen Aufbaus mitzutragen. Besonders Frauen und Jugendliche sollen tragende Rollen in der Errichtung selbstverwalteter Strukturen übernehmen. Gleichzeitig forderte die PKK auch von der türkischen Gesellschaft eine Mitgestaltung des Friedensprozesses durch eine inklusive, zivilgesellschaftlich getragene Bewegung.
Die PKK appellierte zudem an die internationale Gemeinschaft, demokratische Entwicklungen nicht aus Eigeninteresse zu blockieren. Internationalistische Solidaritätsstrukturen sollten ihre Arbeit im Sinne des Paradigmas der demokratischen Moderne fortführen.
Einordnung: Kein Ende, sondern ein Neubeginn
Anders als viele westliche Medien berichten, handelt es sich bei der Entscheidung nicht um eine „Auflösung der PKK“ im klassischen Sinne, sondern um den bewussten Übergang in eine neue Strategie der politischen Auseinandersetzung. Der militärische Kampf wird beendet, doch die politische Arbeit innerhalb des Netzwerkes der KCK – der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans – soll intensiviert und ausgebaut werden.
Duran Kalkan, Mitglied des Exekutivrats der PKK, erklärte: „Es geht darum, eine Phase zu beenden, um den Weg für einen neueren, stärkeren und ambitionierten Anfang zu ebnen.“
Reaktionen und offene Fragen
Die Reaktionen auf die Erklärung fielen international überwiegend positiv aus. Politiker:innen bezeichneten den Schritt als bedeutenden Impuls für einen möglichen Frieden. Präsident Erdoğan forderte in einer Rede auch die YPG und YPJ in Nordostsyrien zur Entwaffnung auf sowie die Auflösung „PKK-naher“ Strukturen in Europa. Der MHP-Vorsitzende kommentierte: „Frieden ist kein Vogel mit nur einem Flügel.“ Die DEM-Partei betonte, dass nun ein Demokratisierungsprozess in der Türkei folgen müsse.
Während die Worte vielversprechend klangen, blieb das Verhalten der Regierungen unverändert. Die Türkei setzte ihre Angriffe auf die Qandil-Region mit Artillerie und verbotenen Waffen fort. Offene Fragen wie Amnestie, gesellschaftliche Reintegration der Guerilla oder eine Aufarbeitung von Kriegsverbrechen sind bislang unbeantwortet. Am 20. Mai lehnten AKP und MHP einen Antrag der DEM-Partei zur Einrichtung einer Untersuchungskommission zu extralegalen Tötungen und Verschwindenlassen ab.
Auch in Deutschland bleibt die Repression bestehen. Am Dienstag wurde der kurdische Aktivist Yüksel Koç in Bremen verhaftet. Der Verfassungsschutz kündigte an, die Entwicklung zunächst weiter zu beobachten. Eine Neubewertung der PKK steht nicht bevor. Gleichzeitig wird eine Klage der PKK gegen das seit 1993 bestehende Betätigungsverbot weiter vorangetrieben. Der Berliner Rechtsanwalt Lukas Theune, der die PKK in dem Verfahren vertritt, erklärte, dass die kurdische Bewegung und Minderheit in Deutschland die Möglichkeit brauche, sich frei zu organisieren. Nur so könne der Friedensprozess gelingen.
Mexmûr: Protest gegen Blockade zeigt Wirkung
Seit Wochen ist das Geflüchtetencamp Mexmûr in Südkurdistan nahezu vollständig blockiert. Die Regierung der Autonomen Region Kurdistan sowie die irakische Zentralregierung lassen weder Medikamente noch Lebensmittel hinein. Am 14. Mai reiste eine Delegation des Camps nach Bagdad, um mit der Regierung zu verhandeln. Auf dem Rückweg wurden drei Mitglieder, darunter der Ko-Bürgermeister und der Ko-Vorsitzende des Volksrates, festgenommen.
Als Reaktion organisierten die Bewohner:innen des Camps eine sechstägige Mahnwache an einem Checkpoint vor dem Lager. Die Regierung sicherte daraufhin zu, auf die Forderungen einzugehen. Die Versorgung soll nun wieder aufgenommen werden.
Internationale Politik: Sanktionen gegen Syrien aufgehoben
Am 13. Mai kündigte der US-Präsident die Aufhebung wirtschaftlicher Sanktionen gegen Syrien an. Eine Woche später folgte die Europäische Union mit einem entsprechenden Beschluss. Während die Maßnahme der USA eher symbolischen Charakter hat, dürften die EU-Erleichterungen die syrische Wirtschaft konkreter beeinflussen – vor allem durch Lockerungen im Bankensektor.
Laut EU-Kommissarin Kallas bleiben Sanktionen gegen Mitglieder des Assad-Regimes sowie Waffen- und Repressionstechnologie in Kraft. Die strukturellen Probleme Syriens wie Korruption und zerstörte Infrastruktur werden jedoch eine schnelle wirtschaftliche Erholung verhindern.
Kritik kam unter anderem von Menschenrechtsorganisationen. Die Entscheidung zur Sanktionsaufhebung fiel trotz andauernder Gewalt gegen ethnische Minderheiten wie Alawit:innen und Drus:innen in den HTS-kontrollierten Gebieten. Frauenorganisationen forderten erneut, das Modell der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens mit paritätischer Beteiligung von Frauen in ganz Syrien anzuwenden. Die HTS wird für ihre patriarchalen Strukturen zunehmend kritisiert.