Civaka-Info: Wochenrückblick Kurdistan

Tişrîn-Staudamm: Mahnwache feiert Erfolg – Entmilitarisierungsabkommen beschlossen

Am vergangenen Samstag wurde bekannt, dass sich die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und die selbsternannte Übergangsregierung auf ein Entmilitarisierungsabkommen am Tişrîn-Staudamm geeinigt haben. Seit Dezember war der Damm Ziel täglicher Angriffe durch die türkisch geführte Dschihadistenmiliz SNA gewesen. Der Staudamm ist nicht nur von zentraler Bedeutung für die Stromversorgung der Region Kobanê, sondern hatte auch strategische Relevanz für die Angreifer, die versuchten, den Euphrat zu überqueren.

Ab Januar hielten Menschen aus ganz Nord- und Ostsyrien eine ununterbrochene Mahnwache am Staudamm ab. Mehr als 20 Teilnehmer:innen wurden dabei durch Bombenangriffe getötet, viele weitere verletzt. Die Bekanntgabe des Abkommens wurde vor Ort mit Musik und traditionellen Tänzen gefeiert.

Laut der Vereinbarung sollen die Militärpräsenz auf beiden Seiten schrittweise reduziert und die Westseite des Staudamms durch die Sicherheitskräfte der syrischen Zentralregierung kontrolliert werden. Die SNA-Truppen sollen sich zurückziehen, während die Ostseite weiterhin unter der Kontrolle der Sicherheitskräfte der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens bleibt. Auch die technische Verwaltung soll durch Personal der Selbstverwaltung erfolgen.

Gemeinsame Sicherheitsstruktur in Aleppo – Abkommen wird umgesetzt

Auch in Aleppo zeigen sich Fortschritte: Ein Abkommen vom 1. April zur Normalisierung der Lage in den kurdisch geprägten Stadtteilen Şêxmeqsûd und Eşrefiyê wird schrittweise umgesetzt. Die beiden Viertel verwalten sich seit dem Arabischen Frühling eigenständig. Nun sollen Barrikaden entfernt und Sicherheitscheckpoints durch gemeinsame Patrouillen der kurdischen Sicherheitskräfte (Asayîş) und der syrischen Zentralregierung gemeinsam betrieben werden. Einheiten der YPG und YPJ haben sich aus Aleppo teilweise zurückgezogen.

Das Abkommen wird als Zeichen zunehmender Anerkennung der Selbstverwaltungsstrukturen gesehen. Auch im nördlicher gelegenen Efrîn zeigt sich dieser Wandel: Über 7.000 Familien sind in den letzten Wochen in ihre Heimatregion zurückgekehrt. Die Menschenrechtsorganisation Efrîn rechnet mit bis zu 250.000 weiteren Rückkehrer:innen. Ziel des zugrunde liegenden Abkommens ist langfristig auch die Rückkehr Vertriebener nach Girê Spî und Serê Kaniyê.

Friedensprozess: Treffen der Imralı-Delegation mit Justizminister verschoben

Nach dem Treffen zwischen der DEM-Partei und Präsident Erdoğan vergangene Woche war für gestern ein Gespräch mit dem türkischen Justizminister geplant. Das Treffen wurde aufgrund des Gesundheitszustands des Delegationsmitglieds Sırrı Süreyya Önder verschoben, der am Dienstagabend einen Herzinfarkt erlitt. Nach einer Notoperation wurde er auf die Intensivstation verlegt. Sein Zustand wird nach wie vor als ernst beschrieben, und die Prognosen sind zurückhaltend.

Bezüglich des Treffens mit dem türkischen Justizminister teilte die DEM-Partei nun mit: „Das für Freitag geplante Treffen zwischen dem Justizminister und der Imrali-Delegation wurde aufgrund des Gesundheitszustands von Sırrı Süreyya Önder und der Tatsache, dass alle Führungskräfte unserer Partei im Krankenhaus sind, verschoben. Wir werden den neuen Termin nächste Woche bekannt geben, sobald er feststeht.“ Laut der DEM-Delegation ist eine Verbesserung der Menschenrechtslage untrennbar mit der Situation Abdullah Öcalans verbunden.

DEM-Politikerin Pervin Buldan betonte: „Das Recht auf Hoffnung muss auch gesetzlich abgesichert werden. Ohne rechtliche Reformen wird es sehr schwierig, dass dieser Prozess vorankommt.“ Hoffnung macht die Freilassung von 161 Studierenden, die bei Protesten festgenommen worden waren. Dennoch befinden sich weiterhin Hunderte Demonstrierende in Haft.

Kurdische Frauenorganisationen gründen gemeinsame Plattform

Am 7. April haben sich 24 Frauenorganisationen aus allen vier Teilen Kurdistans zur Plattform für die Einheit kurdischer Frauen zusammengeschlossen. Ziel ist die Schaffung einer demokratischen, geschlechterbefreiten und geeinten Gesellschaft. Die Plattform versteht sich nicht als Parteibündnis, sondern als gesamtgesellschaftliche Bewegung.

Die Organisationen kündigten drei zentrale Projekte an: Ein jährlich rotierendes kurdisches Frauenfestival, eine Unterstützungsstruktur für Kinder in Kriegs- und Armutsverhältnissen sowie eine nationale Konferenz kurdischer Frauen.

Todesurteile gegen kurdische Aktivistinnen im Iran

Das Regime in Teheran geht weiterhin mit massiver Repression gegen kurdische Aktivist:innen vor. Drei von ihnen – Varisheh Moradi, Pakhshan Azizi und Sharifeh Mohammadi – wurden zum Tode verurteilt. Obwohl Azizis Urteil derzeit ausgesetzt ist, hat das Oberste Gericht erneut einen Wiederaufnahmeantrag abgelehnt.Das Todesurteil bleibt damit bestehen, auch wenn es vorerst nicht vollstreckt wird.

Azizi hatte mit vertriebenen êzîdischen Frauen und Kindern gearbeitet, die Opfer des IS-Genozids geworden waren. Als Zeichen der Solidarität verlieh ihr die italienische Stadt Florenz die Ehrenbürgerschaft.

QSD verhindert IS-Ausbruchsversuch

Sicherheitsbehörden warnten in dieser Woche vor einem geplanten Angriff des sogenannten Islamischen Staates auf das al-Hol-Camp, in dem rund 1.900 irakische IS-Angehörige inhaftiert sind. Ziel ist die Befreiung von Gefangenen.

Wie real diese Gefahr ist, zeigt sich an den Plänen einer fünfköpfigen IS-Zelle, die ein Gefängnis in Raqqa angreifen wollte. Sie wurde von einer Spezialeinheit der QSD festgenommen. Bereits im März befreiten die Sicherheitskräfte einen jungen êzîdischen Mann, der seit 2014 vom IS verschleppt und zum Kindersoldaten gemacht worden war.

Abschlusserklärung der Öcalan-Konferenz in Rom

Mehr als 360 Teilnehmer:innen aus vier Kontinenten haben in Rom an der internationalen Konferenz “Freiheit für Abdullah Öcalan – Politische Lösung der kurdischen Frage” teilgenommen. In der Abschlusserklärung wurden zahlreiche Initiativen beschlossen, wie unter anderem eine Nominierung Öcalans für den Friedensnobelpreis, Veranstaltungen am Weltfriedenstag am 1. September sowie öffentliche Diskussionen zur Philosophie Öcalans.

Blockade gegen Camp Mexmûr

Im Geflüchtetencamp Mexmûr das von kurdischen Geflüchteten im Norden Iraks aufgebaut wurde und bewohnt wird, verschlechtert sich die Lage dramatisch. Die irakische Zentralregierung blockiert seit einer Woche die Lieferung lebensnotwendiger Güter. Die Bewohner:innen vermuten, dass die türkische Regierung hinter dieser Entwicklung steht – in der Vergangenheit war das Camp wiederholt Ziel türkischer Drohnenangriffe. Der Volksrat warnt vor einer neuen Eskalation.


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