Erklärung der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) anlässlich des Jahrestages der Entführung und Festnahme Abdullah Öcalans, ANF, 13.02.2017
Anlässlich des 18. Jahrestages der Entführung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan am 15. Februar hat sich die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt. Darin begrüßt die KCK sowohl den Widerstand Abdullah Öcalans, den dieser seit dem ersten Tag seiner Festnahme gegen seine Bedingungen leistet, als auch den weltweiten Protest gegen das internationale Komplott, mit welchem der PKK-Vorsitzende 1999 festgenommen und an die Türkei ausgehändigt wurde.
„In der Person unseres Vorsitzenden Öcalans wurde die kurdische Bevölkerung in Geiselhaft genommen“
Im Folgenden wird die Erklärung der KCK in Teilen wiedergegeben: „Die kurdische Bevölkerung befand sich im gesamten 20. Jahrhundert gegenüber der Verleugnungs- und Vernichtungspolitik der Republik Türkei im Aufstand und Widerstand. Der größte dieser Aufstände wurde von unserem Vorsitzenden Apo (Öcalan) und seinen heldenhaften Mitstreitern entfacht. Dieser letzte große Aufstand hat im letzten Vierteljahrhundert unter dem Vorzeichen des Schutzes der kurdischen Existenz gestanden. Die Errungenschaften aus diesem Kampf haben nicht nur die regionalen Mächte, sondern auch die internationalen kapitalistischen Kräfte in Aufruhr versetzt. Für sie haben die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung als eine Gefahr für die eigenen Kalkulationen und Interessen im neuen Jahrhundert betrachtet. Die „Existenz des freien Kurden“ betrachteten sie als nicht kompatibel mit ihren eigenen imperialistischen Interessen in der Region. Die PKK wurde als größtes Hindernis für das „Greater Middle East Project“ ins Auge gefasst, und um dieses Hindernis zu beseitigen, wurde das internationale Komplott gegen unseren Vorsitzenden in die Wege geleitet. So wollten sie sicherstellen, dass sie den Mittleren Osten entsprechend ihrer kolonialistischen Interessen ungehindert neugestalten können. Um das zu ermöglichen, sollte in der Person unseres Vorsitzenden das kurdische Volk und unsere Bewegung in Geiselhaft genommen werden.[…]
Unter den extremen Bedingungen der Isolation, hat der Vorsitzende Apo auf das Komplott mit einer geistigen Revolution geantwortet. […] Seine Thesen zum freien Leben und zu einer freien Gesellschaft waren Teil einer der bedeutungsvollsten Verteidigungen auf eines der größten Komplotte unserer Zeit. Die Verteidigung der Demokratischen Zivilisation, wie sie von unserem Vorsitzenden formuliert wurde, stellt eine Verteidigung im Namen der Kurden, der Frauen und aller unterdrückten Völker dar. Es handelt sich um die Verteidigung des freien Menschen, die Verteidigung einer freien Gesellschaft. Das demokratisch-ökologische und geschlechterbefreiende Paradigma, das in dieser Verteidigung auf Papier gebracht wurde, birgt das Potential, das Schicksal der Unterdrückten im 21. Jahrhundert zu verändern. So gesehen haben das Komplott und die Zeit der Isolation unseres Vorsitzenden nicht im Sinne derjenigen gewirkt, die hierfür verantwortlich sind. Im Gegenteil, in dieser Zeit haben sich im Sinne der Menschheit die Ideen einer demokratischen und freien Gesellschaft herausentwickelt und konkretisiert. Diese Ideen unseres Vorsitzenden werden heute überall dort, wo die Kurden leben, als praktiziertes Gesellschaftsmodell in die Realität umgesetzt. Sie stellen die Grundlage für ein neues Lebens- und Widerstandsverständnis dar. […]
Gegenwärtig versucht der kolonialistische türkische Staat gemeinsam mit weiteren Kräften das zu schaffen, was ihm infolge des Internationalen Komplotts vom 15. Februar 1999 missglückt ist. Die Kräfte, die hierfür verantwortlich sind, sind die faschistische AKP-MHP Koalition und ihre internationalen Bündnispartner.
Die anhaltende Isolationspolitik gegen unseren Vorsitzenden auf der Gefängnisinsel Imrali ist eines der Hauptgründe für die Lösungslosigkeit in der kurdischen Frage und die anhaltenden Auseinandersetzungen. Denn die kurdische Bevölkerung und unsere Bewegung sind nicht bereit, diese außergewöhnliche Isolationspolitik zu akzeptieren. Hiergegen leisten wir in jeder Form Widerstand und werden dies auch weiterhin tun.
„Das internationale Komplott ist in Rojava, in Shengal und hinter den Barrikaden des Selbstverteidigungswiderstands geschlagen worden“
Infolge des internationalen Komplottes kam es in Kurdistan und im Mittleren Osten zu rasanten und wichtigen Entwicklungen. Inmitten dieser Entwicklungen haben die Kurden mit einem großen Kampf und unter großen Opfern wichtige Errungenschaften erzielt. Die Erfahrungen der Revolution von Rojava sind da sicherlich das hervorstechendste Beispiel. Aber auch der Selbstverwaltungswiderstand in Bakur (Nordkurdistan), sowie die Widerstände von Shengal und Kobanê gehören zu den wichtigen Ereignissen dieser Phase. Auch als besondere Errungenschaften festzuhalten, sind die Weiterentwicklung der Völkerfreundschaft und des solidarischen Miteinanders in der Region. Damit zusammenhängend dürfen wir die Entwicklung des Demokratischen Gesellschaftsmodells im Mittleren Osten nicht vergessen. Durch die zunehmende Selbstorganisierung der Gesellschaften und ihrer Vernetzung untereinander spannt sich das Netz des Demokratischen Konföderalismus immer weiter aus. Das alles sind wichtige Errungenschaften, die nur durch einen großen Widerstand und durch große Opfer ermöglicht worden sind. Und die Kurden werden von diesem Punkt aus auch nicht mehr bereit sein, vor irgendeiner Macht auf die Knie zu gehen oder vor ihr den Kopf zu senken. Wir haben es heute mit einer bewussten, politischen und organisierten kurdischen Bevölkerung zu tun.
Die Angriffe der AKP-MHP Koalition und ihre kurdenfeindliche Haltung zielt genau auf diese Organisierungsgrad und die Errungenschaften der Kurden ab. Sie wollen, dass die Kurden wie früher sich der Macht des türkischen Staates ergeben, zu Kollaborateuren werden und sich selbst verleugnen. Doch die Bevölkerung wird mit ihrer politischen und organisierten Haltung diese Bemühungen zweifellos ins Leere laufen lassen. […]
„Die AKP begeht mit der Unterbindung der Rechtsanwaltsbesuche jede Woche ein Verbrechen“
Die türkische Regierung hält trotzdem verzweifelt an ihrem politischen Kurs fest. Dass unser Vorsitzender in den vergangenen fünf Jahren kein einziges Gespräch mit seinen Anwälten führen durfte, gehört zu dieser völlig willkürlichen Politik der AKP. Dies steht selbst im Widerspruch zum türkischen Recht. Die Rechtfertigungen des Justizministers Bekir Bozdağ sind völlig aus der Luft gegriffen. Er versucht die Öffentlichkeit mit Lügen und falschen Tatsachen zu täuschen und das wiederum stellt nichts anderes als ein politisches Verbrechen dar. Jede Woche stellen die Anwälte unseres Vorsitzenden von Neuem einen Besuchsantrag und jede Woche seit Juli 2011 werden diese Anträge abgelehnt. Die AKP begeht mit jeder Unterbindung des Besuchsrechts unseres Vorsitzenden ein Verbrechen, einen Menschenrechtsverstoß. Das ist ein Verbrechen, welches vor der internationalen Gerichtsbarkeit zur Strafe gebracht werden muss.
Die Verbrechen der AKP sind gegenwärtig nicht nur auf die Praxis auf der Gefängnisinsel Imrali beschränkt, sie haben die gesamte Türkei in Beschlag genommen. Im Land gilt aktuell nicht die Hoheit der Rechtstaatlichkeit, sondern allein die Hoheit der AKP und Erdoğans. Auch die MHP ist hierin eingebunden. Die Türkei wird also unter der Hoheit des Faschismus geführt. Das geltende Recht hat keinerlei Bedeutung, sie regieren das Land mit ihren eigenen Gesetzen. Sie haben die Legislative, die Exekutive und die Judikative unter ihr Monopol gestellt. An diesem Punkt bleibt nichts anderes mehr übrig, als den Kampf um die Befreiung der Türkei von der Geiselhaft Erdoğans und der AKP zu führen. Ein deutliches Nein beim anstehenden Referendum gegen den AKP- MHP Faschismus wird den Weg für die Befreiung aus der Geiselhaft ebnen. […]