Erklärung des KCK zum 100. Jahrestag des Völkermords der Armenier, 22.04.2015
Zum 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern hat die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) eine schriftliche Erklärung veröffentlicht, in welcher sie davor warnt, dass das Verständnis der Verleugnung des Völkermords ebenso gefährlich ist wie der Völkermord selbst.
Die Erklärung der KCK lautet wie folgt: „Wir begehen den 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern. Der Osmanische Staat und die pantürkische Politik des Komitees für Einheit und Fortschritt (Ittihat ve Terraki) haben den Völkern und Kulturen der Region großes Leid zugefügt und sie unzähligen Massakern ausgesetzt. In der Türkei und Kurdistan wurden ebenso wie die Armenier und Griechen, auch Kurden, Aleviten, Kommunisten und Suryoye massakriert. Die Massaker an den Suryoye, die unter dem Namen „Seyfo“ (zu Deutsch „Schwert“) in das kollektive Bewusstsein der Menschen eingegangen sind, trugen ebenso den Charakter eines Völkermords. Und auch die Kurden waren in jener Zeit Leidensgenossen der Armenier. Doch es ist eine historische Realität, dass die Armenier das schlimmste Schicksal zu erdulden hatten.
Die Armenier wurden 1915 grausamen Massakern ausgesetzt. Hierbei wurden rund 1,5 Mio. Menschen getötet. Es reichte aus Armenier zu sein, um ermordet zu werden. Die Überlebenden des Massakers wurden gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Auf diese Weise wurde versucht, ein Volk, eine Religion auszulöschen.
Die Liste der vom Osmanischen Reich und der Türkei verübten Massaker an Volks- und Religionsgemeinschaften ist lang. So wurde beispielsweise in Dersim ein Völkermord an den Kurden verübt. Eine Vielzahl von verübten Massakern und Völkermorden der Türkei liegen noch im Dunkeln und warten darauf, aufgearbeitet zu werden.
Obwohl 100 Jahre seit dem verübten Völkermord an den Armeniern vergangen sind, wird dieser weiterhin vom türkischen Staat verleugnet. Das Verständnis der Verleugnung des Völkermords ist ebenso gefährlich wie der Völkermord selbst. Aus Respekt vor der Wahrheit der Geschichte muss diese Verleugnung ein Ende finden. Das vorherrschende Problem ist keines zwischen den armenischen und türkischen Völkern, sondern eines des armenischen Volkes und des türkischen Staates. Wir haben es mit einer historischen Tatsache zu tun, die besagt, dass der Osmanische Staat einen Völkermord an den Armeniern verübt hat. Der türkische Staat wird allerdings mit seiner gegenwärtigen nationalstaatlichen Mentalität sich nicht dazu bereit erklären, den Genozid an den Armeniern zu anzuerkennen. Das bedeutet allerdings auch nicht, dass die Armenier, ihre Freunde, die Sozialisten und Revolutionäre den Kampf um die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern nicht weiterführen werden.
Die kurdische Freiheitsbewegung stand seit ihrer Gründung stets auf der Seite aller unterdrückten und verleugneten Religions- und Volksgemeinschaften. Sie hat die Freiheit des kurdischen Volkes stets mit der Freiheit dieser Gemeinschaften verknüpft betrachtet. Wir betrachten die Perspektive der Demokratischen Nation unseres Vorsitzenden Apo als ein Modell, das zur Demokratisierung der Türkei, zur Lösung der kurdischen und armenischen Fragen und zum freien Leben der Volks- und Religionsgemeinschaften der Region führen kann. Die Demokratische Nation umfasst alle Volksgruppen und findet Ausdruck durch das freie und demokratische Leben in einem gemeinsamen Heimatland. Aus dieser Sicht bedeutet die Freiheit der Kurden zugleich auch die Freiheit der Armenier, der Suryoye, der Turkmenen und die Freiheit aller anderen Völker und die Freiheit dieser Völker stellt zugleich die Freiheit der Kurden dar. Die Lösung der armenischen Frage mit dieser Perspektive erscheint für uns deshalb als die richtigste und die demokratischste aller Lösungsmöglichkeiten.
Die Armenier konnten sich bis in unsere Gegenwart von dem Völkermord nicht erholen. Sie sind noch nicht zu einer kollektiven und demokratischen Perspektive gelangt. In Zeiten, in denen in Kurdistan und der Türkei alle sozialistischen und revolutionären Kreise sowie der Block der Demokratie und Freiheit mit der Perspektive der Demokratischen Nation zusammenkommen, wäre es wünschenswert, wenn sich unter den Armeniern auch eine demokratische Bewegung formiert. Die bedeutungsvollste Antwort der Armenier am 100. Jahrestag des Völkermord wäre die Organisierung der Demokratischen Armenischen Bewegung.“