“Die Ergebnisse sind nicht legitim – Der Widerstand geht weiter”

hdpDemokratische Partei der Völker, 18.04.2017

Der Parteivorstand der Demokratischen Partei der Völker (HDP) hat bei seiner ersten Sitzung nach dem Verfassungsreferendum die Entwicklungen der letzten Tage ausgewertet und eine Zusammenfassung der Ergebnisse in acht Punkten veröffentlicht.

Bei Ihrer Ergebniserklärung wurden auf diese Punkte hingewiesen:

  1. „Die Entscheidung des Hohen Wahlamtes hinsichtlich der „Gültigkeit der Stimmzettel und der Umschläge ohne entsprechenden Stempel“ verstößt offensichtlich gegen das Gesetz. Das Hohe Wahlamt hat durch diese rechtswidrige Entscheidung und ihrem diesbezüglichen Verhalten zu einem großen Verstoß gegenüber der Verfassung, wie auch gegenüber internationaler Rechtsnormen geführt. Das Hohe Wahlamt hat hierdurch seine rechtliche Legitimität verloren und ist zu einer unglaubwürdigen Institution geworden. Auf Grund dieser rechtswidrigen und zwischen „Tür und Angel“ gefassten Entscheidung ist die Legitimität des Ergebnisses des Referendums aufgehoben und sie ist zwielichtig.
  2. Die demokratische Legitimität hat nicht nur bei der Stimmabgabe und dessen Auszählung gefehlt, sondern auch bereits während der Vorbereitungsphase des Referendums. Im Ausnahmezustand, während 13 unserer Abgeordneten – darunter auch unsere Doppelspitze – sowie tausende von unseren Zentral-, Stadt und Vorstadtvorständen, wie auch unserer Mitglieder inhaftiert sind, unter den Gegebenheiten, dass die politische Gleichheit und die grundlegenden Menschenrechte zu Nichte gemacht werden, wurden die Referendumsvorbereitungen durch die Regierung auf verschiedene Arten verhindert und ernsthafte Rechtsverletzungen erlebt.
  3. Diejenigen, die trotz der Nutzung sämtlicher öffentlicher Mittel in Kampagnen, die Trillionen von Lira wert sind, trotz gravierendem staatlichem Druck und Behinderungen, trotz einseitiger medialer Bombardements „nein“ gesagt haben, haben eine sehr schöne und wertvolle Klausur abgelegt. Trotz sämtlicher Täuschungen bei der Wahl, konnten 24 Millionen an Wählern nicht überzeugt werden. Eine Verfassung, die trotz sämtlicher Täuschungen und zwielichtiger Gegebenheiten einen 49%igen Anteil der Bevölkerung nicht zu überzeugen vermag, ist eine halbe Verfassung, eine Unvollständigkeit. Sie besitzt weder die Kraft zur Ausführung, noch zur Aufrechterhaltung. Das Ergebnis ist für die AKP-MHP bzw. Erdoğan-Bahçeli Koalition kein Sieg, sondern eine Niederlage. Im Vergleich hierzu ist es jedoch für die Demokratischen Kräfte ein großer Sieg. Dieses Ergebnis stellt die Fortführung eines Frühlingserwachens für den Kampf für die Demokratie dar. Die Ergebnisse in den großen Metropolen, in denen die Arbeiter geballt leben, sind hoffnungsvoll. Es ist offensichtlich geworden, dass die AKP-MHP bzw. Erdoğan-Bahçeli Koalition keinen positiven Weg für die Zukunft der Türkei aufweisen. Es hat auch keine demokratische Legitimation, dass diese Interessenkoalition, die einen ernsthaften Verlust erlitten hat, auf den Ergebnissen behaart und dadurch zu regieren versucht. Selbst über die Verfassung von 1982, die mit 92% anerkannt wurde, bestehen die Legitimationsdiskussionen seit 35 Jahren fort und selbst diese konnte in der Gesellschaft nicht für Frieden und Stabilität sorgen und wurde an diversen Punkten durchbrochen. Das Ergebnis des 16. April wird ebenfalls nicht für Frieden und Stabilität sorgen können und niemals innerhalb der Gesellschaft Akzeptanz finden. Durch die Polarisierung und Nichtbeachtung, durch Unterdrückung und Despotismus wird eine gesellschaftliche Akzeptanz nicht erreicht werden können.
  4. Die Regierung kann nicht durch Herangehensweisen vorankommen, die das Land im Hinblick auf demokratische und internationale Rechtsgrundsätze weit unter die Standards fallen lässt und die die internationale, demokratische Öffentlichkeit, Institutionen und die internationalen Beziehungen missachtet. Dieses Verständnis, dessen erstes Ziel als die Rückführung der Todesstrafe deklariert wurde, wird das Land und die Gesellschaft von den Normen der Menschenrechte täglich weiter entfernen. Das ist kein Zustand, der aufrechterhalten oder akzeptiert werden kann oder eine Legitimität aufweist.
  5. Die kurdische Bevölkerung hat seine entschiedene Haltung dadurch zur Geltung gebracht, dass sie trotz der Zerstörung der kurdischen Städte, dem Geiselhaft von demokratischen Politikern, der Beschlagnahme von gewählten Bürgermeisterämtern und Ernennung von Treuhändern stattdessen, trotz der Festnahme und Verhaftungen von tausenden unserer Leute, die politische Arbeiten verrichten, trotz jedweder Grausamkeit, der Gewalt und Unterdrückung durch das Militär, der Polizei und der Dorfschützer, trotz dem Druck zur offenen Stimmabgabe, dem Schwindel durch die ungestempelten Wahlzettel seinen Willen durch ein „Nein“ kund getan hat. Die kurdische Bevölkerung hat die Politik der Treuhänder, den Terror der Regierung und die Unterdrückung abgelehnt. Es wurde erneut klar, dass der demokratische Kampf ohne die kurdische Bevölkerung und seine politischen Vertreter nicht gewonnen werden kann. Diese Haltung, die wir respektvoll begrüßen, ist zugleich ein Aufruf an die türkische Demokratie und die Friedenskräfte, an alle Bürger mit einem Gewissen, an die NGOs zum gemeinsamen hochleben lassen des Kampfes und ein eine goldene Brücke.
  6. Wir begrüßen die Völker, die Demokratie-, Arbeits- und Friedenskräfte, alle gewissenhaften Bürger mit Respekt, die trotz aller Unterdrückung, Ungleichheit und den Täuschungen gekämpft haben und entschieden und organisiert gegen diese Koalition, diese Regierung und diesen Änderungsvorschlag entgegen gewirkt haben. Wir glauben daran, dass diejenigen, die ihren politischen Willen bewusst nutzen, die der demokratischen Zukunft des Landes gegenüber ihre entschlossene Haltung zeigen, durch eine gemeinsame Haltung einen wesentlichen Meilenstein bei dem Kampf um Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden ausmachen werden. Diese entschiedene Grundsatzhaltung wird auch diejenigen, die heute mit „Ja“ abgestimmt haben dazu führen, sich von ihrem Fehler zu distanzieren.
  7. Die Frauen haben angefangen bei den Referendumsvorbereitungen, stets eine entschiedene und organisierte Haltung gegenüber allen Unterdrückungen und Angriffen gezeigt, die erneut beweist, dass sie die führende Kraft des Demokratie- und Freiheitskampfes sind. Ihre entschiedene Haltung im Kampf um die Gleichheit und die Freiheit hat auch anderen gesellschaftlichen Schichten eine wesentliche Botschaft zukommen lassen. Die Jugendlichen, die während dieser Tätigkeiten ihre Kreativität und ihre Energie aufgezeigt haben, haben ebenfalls erneut bewiesen, dass sie bei dem Kampf eine entscheidende Rolle spielen und nicht nur für die Zukunft des Landes, sondern auch bereits für den aktuellen Zustand eine demokratische Kraft darstellen.
  8. Es ist erneut bewiesen worden, wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen beim Kampf für die Demokratie und der Freiheit ist. Alle unserer Mitglieder, unsere Wähler, unsere Teile und unsere Institutionen werden gemeinsam dem Kampf um die demokratische, freiheitliche, gleichberechtigte Verfassung weiterführen. Wir werden den Boden der gemeinsamen Handlung in diesem Sinne für alle demokratisch Handelnden und alle Friedenskräfte und alle Bürger mit Gewissen nähren. Wir danken auch denjenigen, die durch ihre Nachrichten und in ihren Herzen bei uns sind, obgleich sie körperlich inhaftiert sind, unserer Doppelspitze und den Abgeordneten, den Bürgermeistern, den demokratischen Politikern. Wir versprechen ihnen, dass wir uns noch mehr anstrengen werden. Und das wir den Brüderlichkeitsreigen in jedem Fall vergrößern werden. Wir werden unter allen Umständen unseren Kampf für die Wahrheit, die Gerechtigkeit, den Frieden, die Demokratie und die Freiheit fortführen. Die Zukunft gehört denen, die den Kampf um die Demokratie, die Freiheit und die Gerechtigkeit gemeinsam führen.“