Frauenräte und Selbstverwaltungsstrukturen in allen kurdischen Regionen
Können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Mein Name ist Dilsa Osman. Ich bin seit 2005 Koordinations-Mitglied des Verbandes „Yekitya Star” in Westkurdistan. Aufgrund der Repression des syrischen Staates war ich gezwungen ins Ausland zu gehen.
Wie bewerten Sie die aktuellen Ereignisse in Westkurdistan (syrisch besetzt)und Syrien? In welchen Städten wird die demokratische Selbstverwaltung praktiziert und gelebt? Wie gestaltet sich das Leben in diesen Städten?
In den ersten Jahren, nach dem nach der Gründung Syriens, war Syrien ein Staat, in dem verschiedene Ethnien und Religionen ihren Platz hatten. Diese Vielfalt endete jedoch im Jahr 1963, als das Regime wieder diktatorische Züge annahm. Alle zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und Organisationen wurden vereinnahmt und zentral gesteuert. Zwischen der Zivilbevölkerung und dem Regime entstand eine Distanz.
Obwohl die KurdInnen zur Gründung des syrischen Staates beigetragen hatten,wurden ihnen Grundrechte nicht zuerkannt, jede Form der Unterdrückung und Repression wurde angewandt, um die angestrebte Ideologie „Eine Partei” und „Eine Nation“ umzusetzen. Insbesondere waren zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Organisationen von den Repressionen durch den Staat betroffen.
Im Jahr 2011 wurde mit dem Beginn des „arabischen Frühlings” begannen große Aufstände der arabischen Völker mit dem Ziel die verkrusteten, diktatorischen Regimes zugunsten demokratischer Staaten zu überwinden, in denen alle politischen Parteien und Gesellschaften ihren Platz finden können und die Rechte der Völker, der Zivilgesellschaft geschützt sind.
Die kurdischen Frauen in Westkurdistan
Diese Bewegung schwappte im März 2011 nach Syrien über. Der Wunsch der Bevölkerung nach Änderung wurde vom syrischen Regime allerdings mit Waffengewalt, Folter, Tötung und vollkommener Entrechtung beantwortet. Am 18. Juli explodierte die Gewalt. In Damaskus wurde bombardiert, einige Funktionäre der Baath Partei wurden getötet, die Kämpfe breiteten sich in ganz Syrien aus.
Unter diesen schwierigen Umständen hat sich die kurdische Bevölkerung zu einer Bewegung zusammengeschlossen, sich mit basisdemokratischen Strukturen dem Aufstand angeschlossen und sich in allen Bereichen selbstverwaltet organisiert. Die Bevölkerung hat dutzende zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Organisationen gegründet, konföderale, selbstverwaltete, basisdemokratische Strukturen in allen kurdischen Regionen geschaffen und ein Parlament, das die Interessen der KurdInnen in Westkurdistan vertritt. Diese Selbstverwaltung wird unter dem Motto „Demokratische Autonomie für West-Kurdistan! Demokratie für Syrien!” organisiert.
Die „Yekineyen Parastina Gel” [Volksverteidigungseinheiten] haben mit allen ihren Kräften die Bevölkerung und Gesellschaften in Westkurdistan verteidigt, Widerstand gegen die syrische Armee und Kampfeinheiten geleistet und so die Orte Afrin, Kobanê, Qamislo, Derik, Amude,Heseke und andere befreit. Die Organisierung findet unter Einbeziehung der Bevölkerung auf basisdemokratischer Grundlage statt.
Welche Rolle spielen Frauen bei diesen Ereignissen? Welche Frauenbewegungen,-organisationen beteiligen sich? Welchen Grad hat die Organisierung der Frauen in Westkurdistan erreicht?
Die kurdischen Frauen in Westkurdistan erleben die Unterdrückung auf vielen verschiedenen Ebenen. Einerseits durch das gesellschaftlich-patriarchale System in dem ihre Rechte mit Füssen getreten werden und andererseits aufgrund ihrer kurdischen Identität, wodurch sie Gewalt und Unterdrückung seitens des Staates erfahren. Sowohl syrische-arabische als auch kurdische Frauen beteiligen sich an den Aufständen und am Widerstand gegen das syrische System aktiv.
In der westkurdischen Gesellschaft haben sich Frauen sehr stark organisiert, u.a. in der „Yekitiya Star”, deren Ziel die Schaffung einer demokratischen, ökologischen, fortschrittlichen und selbstbestimmten Gesellschaft ist. Durch sie spielen Frauen heute in vielen Bereichen eine aktive Rolle, in der Politik und in allen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Einrichtungen und Bewegungen, wie z.B. in Kultur, Ökologie, Politik und Gesellschaft. Kurdische Frauen haben seit Beginn der Aufstände Frauenräte und Selbstverwaltungsstrukturen in allen kurdischen Dörfern, Städten und Regionen gegründet.
Auch haben die kurdischen Frauen zahlreiche Frauenzentren gegründet und bei der Eröffnung von kurdischsprachigen Schulen eine Vorreiterinnenrolle eingenommen.
Zum Schluss will ich meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass es eine friedliche Lösung für die Situation in Syrien und überall auf der Welt geben wird und, dass keine Frau auf der Welt, weiter Gewalt und Unterdrückung erleben muss.
Dilsa Osman, Mitglied der „Yekitiya Star“
Quelle: Ceni Info, Nr. 12 01.08.2012, http://ceni-kurdistan.com