Doru: Die HDP ist mit ihrem Programm die einzige Alternative

hdpInterview mit dem HDP-Europavertreter Eyyüp Doru, Civaka Azad, 23.04.2018

Nach der Ankündigung vorgezogener Wahlen in der Türkei gibt es nun heftige Debatten über die Gründe und den Verlauf. Warum wurden ihrer Ansicht nach die Wahlen vorgezogen und was sagt dies über den aktuellen Zustand der Türkei aus?

Vor dem Hintergrund der zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Krise der Türkei wurde von allen Seiten zu Wort gebracht, dass die gegenwärtige reaktionäre Koalition der AKP und MHP in dieser Situation keine zukunftsträchtige Politik entwickeln kann. Auch wenn Erdogan immer wieder versicherte, dass die Wahlen wie geplant stattfinden würden, erhielten wir von verschiedenen Kreisen Informationen darüber, dass es vorgezogene Wahlen im Oktober oder November geben werde. Auch wenn es eine der Absichten hinter den vorgezogenen Wahlen ist, die Opposition unvorbereitet zu überraschen, wie es in den Medien dargestellt wird, ist der eigentliche Grund die wirtschaftliche und politische Krise, mit der die gegenwärtige Regierung nicht mehr zurecht kommt. Denn die Wirtschaftskrise macht sich trotz der ganzen Lügenpropaganda der AKP bemerkbar. Allein die Tatsache, dass im Jahr 2015 der Dollar bei 2,5 TL stand und heute bei 4 TL liegt zeigt die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Türkei.

Es handelt sich um eine Krise, die auf Lösungen wartet, wie die Krisen mit den Nachtbarländern, der Krieg gegen die Kurden, die Widersprüchlichkeit in den Beziehungen mit den USA und Russland, die Beobachtung der Türkei durch den Europarat aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, die festgefahrenen Beziehungen mit der EU, der Niedergang des Tourismussektors etc. Der Präsident der gegenwärtigen Regierung denkt, dass er diese Krise mit der nationalistischen Welle, die die Intervention in den kurdischen Kanton Afrin geschaffen hat, und mit täglichen Ermordungen von Kurden überwinden kann.

Die Demokratische Partei der Völker (HDP) ist in der Türkei starken Repressionen ausgesetzt. Was für eine Strategie wird die HDP in dieser Wahlphase verfolgen und wie wird sich diese Phase angesichts der Repressionen gestalten?

Unsere Partei die HDP und unsere Gesellschaft ist insbesondere seit Newroz 2015 einem offenem Krieg ausgesetzt. Kurz zuvor waren die Friedensgespräche, die zwischen der AKP und PKK zweieinhalb Jahre andauerten und in einer gemeinsamen Deklaration mündeten, plötzlich abgebrochen worden und der gegenwärtige Präsident beendete den Dialog zwischen den beiden Seiten. Trotz all dieser Repressionen hat unser Einzug ins Parlament im Juni 2015 mit 80 Abgeordneten die alleinige Macht der AKP verhindert. Die AKP, die dieses Wahlergebnis nicht akzeptieren konnte, hat nach drei Monaten Neuwahlen angesetzt und in dieser Zeit viele unserer Büros angegriffen. Selbst vor Bombenangriffen auf unsere Kundgebungen hat die Regierung ein Auge zugedrückt. Seither sind die Repressionen und Festnahmen gegen unsere Gesellschaft und Partei, sowie die Ermordung unserer Funktionäre durch Polizisten und Soldaten praktisch zum Normalzustand geworden. Momentan befinden sich unsere beiden Ko-Vorsitzenden aufgrund ihrer politischen Tätigkeiten im Gefängnis, der Abgeordnetenstatus von elf Abgeordneten wurde auf Befehl der Regierung aufgehoben, neun Abgeordnete wurden unrechtmäßig festgenommen und Bürgermeister, die mit 70 bis 90 Prozent der Stimmen gewählt wurden, sitzen in Haft und wurden durch AKP-Beamte ersetzt. Tausende Aktivistinnen und Aktivisten und Mitglieder sind im Gefängnis.

Trotz der anti-demokratischen Methoden hat unsere Gesellschaft in ihrem Kampf für Freiheit und Demokratie keinen Schritt zurück gemacht. Wir sind heute die einzige Partei der Türkei, die Kurden, Türken, Armenier, Araber, Assyrer, Keldani und alle religiösen Minderheiten im Parlament repräsentiert. Zudem verfolgt unsere Partei das Ziel einer emanzipatorischen Demokratie und hat überall das System der Ko-Vorsitzenden eingeführt. Wir verfügen über ein ökologisches Programm, das sich im ökonomischen Bereich gegen die Zerstörungen des Kapitalismus wendet. Wir zielen darauf ab, die vom Kolonialismus herrührende kurdische Frage und alle regionalen Probleme auf demokratischen Wege und durch Dialog zu lösen. Wir denken, dass die HDP in diesem Kontext die beste Alternative für die Überwindung der grundlegenden Probleme und die Demokratisierung der Region ist. Um Wahlbetrugsversuche des Staates bei den Wahlen in der Türkei einzuschränken, werden wir internationale Beobachterdelegationen in die Türkei einladen. Der Kampf für Demokratie ist universell. Wir erwarten daher Unterstützung von allen demokratischen Kreisen. Trott der äußerst schwierigen Bedingungen und dem anhaltenden Ausnahmezustand in dem Land werden wir als Partei mit all unserer Kraft den Wahlkampf führen. Wir haben auch begonnen uns im Ausland mit allen demokratischen Kreisen zu treffen, denn die Wahlen werden zuerst im Ausland beginnen.

Wie würden Sie die Parteienlandschaft in der Türkei beschreiben? Gibt es Koalitionen, die die HDP eingehen könnte? Wie sind in diesem Kontext die CHP und die İyi Parti (İYİ) zu bewerten?

Momentan zeichnen sich zwei Koalitionen ab. Erstens, die Koalition der AKP, MHP und anderer rassistischen Parteien. Zweitens, die Koalition der CHP, İyi Parti und anderer rechter Kreise. Wir als HDP sind offen für eine Koalition, die auf demokratischen Prinzipien fußt. Wir haben aber bislang mit niemanden eine Entscheidung getroffen. Wir planen bislang mit unseren eigenen Kandidaten in die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu gehen.