Drei Monate nach den Morden von Paris

Zweiter Offener Brief an den Botschafter, die Konsuln und Generalkonsuln der Französischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland,  9. April 2013

Sehr geehrter Herr Gourdault-Montagne, sehr geehrte Generalkonsuln und Konsuln,

wir wenden uns an Sie in Ihrer Funktion als Vertreter und Ansprechpartner Frankreichs in Deutschland. Heute sind bereits drei Monate vergangen, seitdem das Gründungsmitglied der PKK, Sakine Cansiz, die KNK-Vertreterin Fidan Dogan und die junge kurdische Aktivistin Leyla Şaylemez im Büro des Kurdistan-Informationszentrums in Paris gezielt, heimtückisch ermordet wurden.

Hierüber hatten wir Sie bereits in unserem vorherigen Schreiben informiert. Zugleich hatten wir in unserem ersten offenen Brief bezüglich der Morde und ihrer Hintergründe einige wichtige Fragen formuliert, zu denen wir Sie und die französische Regierung um eine Stellungnahme gebeten hatten.

Mit Bedauern nehmen wir zur Kenntnis, dass unsere Fragen bis heute unbeantwortet geblieben sind. Die Morde an den drei kurdischen Frauenrechtsaktivistinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez, die sich für die Freiheit des kurdischen Volkes und einen gerechten Frieden in Kurdistan engagiert haben, begreifen wir als einen Anschlag auf uns alle. Die lückenlose und umgehende Aufklärung dieses politischen und menschenverachtenden Verbrechens sowie die Feststellung der eigentlichen Verantwortlichen dieses dreifachen Mordes sind für die kurdische Bevölkerung und für uns Frauen ein äußerst wichtiges und sensibles Thema.

Obwohl bereits drei Monate seit der Hinrichtung der kurdischen Politikerinnen im Herzen von Paris vergangen sind, wurden diese Morde immer noch nicht ausreichend aufgeklärt.

Die französische Polizei hat zwar Ömer Güney als Tatverdächtigen verhaftet. Jedoch haben die französischen Behörden bis heute keine Angaben zu der Person und den Verbindungen des Tatverdächtigen gemacht. Recherchen der kurdischen Medien ergaben hingegen, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um einen Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT handelt. Trotzdem schweigt die französische Regierung immer noch zum genauen Tathergang und möglicherweise weiteren Tätern, genauso wie sie zu den politischen Hintergründen der Morde und den daran beteiligten politischen Kräften bzw. Staaten schweigt. Unserem Wissen nach hat Frankreich bislang kaum Anstrengungen unternommen, die Rolle der Türkei, die Rolle verschiedener Geheimdienste geschweige denn die eigene Verantwortung bezüglich der Morde genauer unter die Lupe zu nehmen. Obwohl es seit dem 9. Januar eine Reihe an Gesprächen und diplomatischen Kontakten zwischen Vertretern der französischen und der türkischen Regierung gegeben hat, konnten wir bislang nicht bemerken, dass diese zu einer Klärung der Morde und ihrer politischen Hintergründe beigetragen hätten.

Wir sind über die Verschleppung der Aufklärung der Morde an den drei kurdischen Politikerinnen zutiefst besorgt. Die französische Regierung trägt die Verantwortung dafür, dass dieses Verbrechen weder verhüllt noch normalisiert wird. Mit dieser Herangehensweise kann sich die französische Regierung nicht davor bewahren, selbst unter Verdacht zu geraten. Wir beharren auf unserer Forderung: Wir wollen Gerechtigkeit!

Für eine verantwortungsbewusste rechtliche, politische und moralische Aufarbeitung dieser politischen Morde ist es notwendig, dass Frankreich Sicherheitsabkommen mit den türkischen Behörden annulliert, die zur Kriminalisierung und Verfolgung der kurdischen Gemeinschaft in Frankreich benutzt werden. Hierzu gehören u.a. die Einstellung der andauernden Repressionen gegen kurdische AktivistInnen und Vereine in Frankreich sowie die Freilassung von Herrn Adem Uzun und aller anderen in Frankreich inhaftierten kurdischen Politiker. Wir erwarten, dass sich die französische Regierung innen- und außenpolitisch für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einsetzt und in diesem Sinne den gegenwärtigen Dialogsprozess in der Türkei unterstützt.
Für einen Erfolg dieses Prozesses ist die umgehende und lückenlose Aufklärung der Morde in Paris unablässig.

Hiermit möchten wir Sie und ihre Regierung nochmals dazu auffordern, gegenüber der kurdischen Gemeinschaft und in der Öffentlichkeit zu den politischen Hintergründen der Morde, des Tatverdächtigens und der in die Morde involvierten Kräfte Stellung zu beziehen.

Mit freundlichen Grüßen

CENÎ – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e. V.
YEK-KOM – Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e. V.
ISKU – Informationsstelle Kurdistan e. V.
KURD-AKAD – Netzwerk kurdischer AkademikerInnen e. V.
YXK – Verband der Studierenden aus Kurdistan e. V.
CIVAKA AZAD – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e. V.
DEST-DAN e.V. – Kurdischer Frauenverein, Berlin
ARJÎN Frauenrat – Düsseldorf
Kurdische Fraueninitiative – Bremen
Kurdische Fraueninitiative – Hannover
NÛJÎYAN Frauenzentrum – Hamburg
AMARA Frauenrat – Frankfurt

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