Newroz Ehmed: Gemeinsam Verantwortung tragen

Nach dem Angriff des IS auf das Sina-Gefängnis in Hesekê am 20. Januar 2022 befreiten die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) in erbitterten Kämpfen das Gebiet und meldeten am Mittwoch,, dass das Gefängnis wieder unter Kontrolle ist. Zeitgleich zu dem IS-Angriff kam es zu diversen Angriffen des türkischen Staats und seiner Söldnertruppen in Nordsyrien. Newroz Ehmen, Mitglied der Generalkommandantur der QSD, hat die Operation gegenüber der Nachrichtenagentur MA bewertet.

Sie haben schon zuvor angegriffen“

Ehmed erinnert daran, dass es ähnliche Angriffsversuche bereits zuvor vom IS gegeben hat. Diese seien von den Sicherheitskräften und den QSD vereitelt worden. Sie weist darauf hin, dass sich 2019 in der letzten IS-Hochburg al-Bagouz festgenommene hochrangige IS-Kader im Sina-Gefängnis befunden haben. Vor diesem Hintergrund besaß das Gefängnis mit seinen 4.100 einsitzenden Dschihadisten eine große Bedeutung für den IS. Ehmed führt aus: „Deshalb wurden immer wieder Versuche unternommen, sie herauszuholen. Gerade in einer Zeit wie dieser starteten sie einen Angriff. Sie führten immer wieder Angriffe auf unser Territorium mit verschiedensten Methoden durch. Es gab immer wieder Angriffe durch geheime IS-Zellen und der türkische Staat ließ permanent angreifen. Er schickte seine Söldner von Serêkaniyê, Tell Abyad und anderen besetzten Gebieten aus. Aber er hat nicht das gewünschte Ergebnis erzielen können. Jeder einzelne Angriff wurde von unseren Kräften zurückgeschlagen. Weder die Gefängnisinsassen noch die Angriffe von außen erreichten ihr Ziel. Es ist für uns logisch, dass dieser Angriff erfolgte, nachdem Erdoğan erklärt hatte, ‚Wir werden mit einer neuen Strategie angreifen‘. Tatsächlich handelte es sich um einen viel breiteren und massiveren Angriff als früher. Der Angriff wurde mit einer großen Zahl von Truppen von außen vorbereitet und war ganz anders organisiert als zuvor.“

Die türkischen Söldnergruppen waren am Angriff beteiligt

Ehmed berichtet, dass zeitgleich mit den von der Türkei kontrollierten Gruppen einige Gruppierungen aus dem Irak und Syrien eingesickert seien: „Gleichzeitig mit dem Angriff wurden alle diese Gruppen aktiv. Der Angriff war nicht auf das Gefängnis beschränkt. Das Ziel war natürlich das Gefängnis und Hesekê. In dem Gefängnis werden IS-Mitglieder, die ihnen sehr wichtig sind, festgehalten. Ihr Ziel war es, sie zu befreien und sie am Angriff teilnehmen zu lassen. Dann wollten sie die Kontrolle über das gesamte Gebiet übernehmen. Der IS reorganisiert sich und will sein Kalifat erneut ausrufen. Die Zahl und die vielen Orte der Angriffe zeigen, dass die Attacken organisiert waren.“

Gefahr im Gefängnis“

Ehmed unterstreicht, dass bereits zuvor immer wieder die Gefahr für das Gefängnis betont wurde und sagt: „Wir hatten das Gefängnis entsprechend unseren aktuellen Möglichkeiten abgesichert. Ohne Zweifel waren diese Möglichkeiten zu knapp. Wir betonten immer wieder, dass das Gefängnis nicht sicher sei. Dennoch haben wir es nach Kräften abgesichert. Wir haben wiederholt die Einrichtung eines internationalen Tribunals gefordert. Denn die Selbstverwaltung und QSD kann nicht allein die Verantwortung dafür übernehmen.

Operation gegen Schläferzellen“

Auch die Zusammenarbeit mit der internationalen Anti-IS-Koalition sei nicht ausreichend, sagt Ehmed und fährt fort: „Der aktuelle Angriff ist das deutlichste Beispiel dafür. Das Entscheidende ist aber, dass wir die Kontrolle wieder gewonnen haben. Unsere umfangreiche Operation gegen Schläferzellen ist im Gange. Es finden entsprechende Operationen nicht nur in Hesekê, sondern auch in der Umgebung und in anderen Städten statt.“

Aufruf für Einrichtung eines internationalen Gerichtshofs“

Ehmed erklärt das Vorgehen der Sicherheitskräfte: „Der erste Schritt im Gefängnis bestand darin, die Umgebung zu säubern und Angreifer zu neutralisieren. Dann ging es darum, das Gefängnis wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Angreifer waren wirklich in einer riesigen Anzahl von außen eingesickert. Sie wollten auch mit schweren Waffen hier eindringen. Aber unsere Streitkräfte haben sofort eingegriffen, sie neutralisiert und schlimmeres verhindert. Jetzt ist alles unter Kontrolle. Es war natürlich schwer, das zu erreichen. Denn es waren ja auch Zivilist:innen da. Die Angreifer hatten sich in den Wohnvierteln verschanzt. Gleichzeitig gab es auch Minderjährige unter den Gefangenen. Sie waren dort, weil wir sie vom IS-Gedankengut abbringen wollten. Aber wir haben gesehen, dass der IS sie als menschliche Schutzschilde bei diesen Angriffen zu benutzen versuchte. Wir wollten nicht, dass auch nur ein einziger Zivilist zu Schaden kommt und wollten auch die minderjährigen Gefangenen unversehrt retten. Als erster Schritt war das logisch und sinnvoll. Wir hielten sie an einem sichereren Ort fest. Aber das reichte nicht aus. Es wurde dort für Sicherheit gesorgt und die notwendigen Maßnahmen ergriffen.

Aber es fehlt uns an ausreichenden Möglichkeiten. Dafür benötigen wir Unterstützung. Das wichtigste ist, dass sie so schnell wie möglich in ihre Länder zurückkehren können. Dafür muss es Unterstützung geben. Es ist notwendig, mit den Ländern, aus denen sie kommen, partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, um sie gemeinsam vor Gericht zu stellen und ihre Verbrechen aufzudecken. Das ist eine internationale Aufgabe. Sie liegt nicht nur bei uns allein. Auf dieser Grundlage sollen sie vor Gericht gestellt und in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Das ist eine unserer Kernaufgaben. Natürlich ist es auch wichtig, dafür hier für Sicherheit zu sorgen. Aber unsere Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Technisch betrachtet mangelt es uns an Einrichtungen. Wir haben uns deshalb viele Male an die Koalitionsstreitkräfte gewandt.“

Ermittlungen gehen weiter“

Ehmed fährt fort: „Wir appellieren deshalb immer wieder an die Weltstaaten. Diese Personen müssen an einer Reorganisierung gehindert werden. Denn sie sind eine Gefahr für die Welt. Wir rufen alle Staaten auf, deren Staatsbürger:innen sich unter den Gefangenen befinden, diejenigen, die von diesen Söldnern Schaden erlitten haben, und alle, die für eine friedliche Welt kämpfen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Zusammen können wir das schaffen. Das ist sehr wichtig. Wir werden zweifellos unsere Ermittlungen zu diesem Angriff fortsetzen. Wir werden uns auf die Fragen fokussieren, wie sich dieser Angriff entwickelt hat, wie sich der IS organisiert hat und wo die bestehenden Lücken sind.

Wir hatten auch Verluste bei dem Angriff. Alle unsere Kräfte haben sich dieser Operation mit großer Opferbereitschaft angeschlossen. Sie kämpften mit großem Mut. 10.000 Kämpfer:innen nahmen an dieser Operation teil.“

Die Türkei war in den Angriff verwickelt“

Ehmed gibt an: „Viele von denen, die sich ergeben haben, sagen aus, aus Gebieten unter der Kontrolle der Türkei zu kommen. Als wir versuchten, diese Angriffe abzuwehren und die Kontrolle über das Gefängnis zurückzugewinnen, griff der türkische Staat an. Das ist auffällig. Unsere Ermittlungen werden all das ans Licht bringen.”

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