Pressemitteilung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. vom 30.06.2013
In Amude kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen der YPG und bewaffneten Gruppen – Auch kurdische Splittergruppen sollen bei Angriffen auf die YPG beteiligt sein.
In der westkurdischen Stadt Amude ist es am Abend des 27. Juni zu schweren Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gekommen, bei denen ein Mitglied der YPG und fünf Mitglieder der bewaffneten Gruppen ums Leben gekommen sind. Bei den bewaffneten Gruppen handelt es sich um Einheiten, die dem Umfeld der kurdischen Azadi Partei zuzurechnen sind.
Zu den Auseinandersetzungen kam es, nachdem Einheiten der YPG auf den Zufahrtstraßen zu Amude in Richtung Hesekê und Dirbêsiyê Operationen durchgeführt hatten, um diese der Kontrolle von Gruppen zu entreißen, die sich der Freien Syrischen Armee zurechnen. Die YPG begründete ihre Operationen damit, dass die bewaffneten Gruppen den Trinkwasserzugang für Teile der Bevölkerung gekappt haben und Zivilisten, die diese Wege nutzen, entführen und drangsalieren. Auf dem Rückweg von der militärischen Operation auf diese Zufahrtsstraßen wurde die YPG von den besagten bewaffneten Gruppen angegriffen, wodurch es zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam. Örtliche Quellen berichten, dass Mitglieder der bewaffneten Gruppen, die bei den Auseinandersetzungen mit der YPG verletzt wurden, über die türkische Grenze in die Stadt Nisêbîn (Nusaybin) ins Krankenhaus eingeliefert worden sind.
Die Partei der Demokratischen Einheit (PYD) wertete den Angriff in Amude als die Fortsetzung einer Reihe von Angriffen in Syrien auf die kurdischen Errungenschaften. Wie zuvor bei den Angriffen auf die kurdischen Städte Serê Kaniyê (Ras al-Ain) oder in Afrin wird auch in Amude die Türkei als Strippenzieherin der Angriffe vermutet. Die Türkei hatte bei den bisherigen Angriffen nicht davor zurückgeschreckt, islamistische Gruppen wie die Al-Nusra Front mit Waffen und Finanzmittel zu unterstützen, wenn diese im Gegenzug die kurdischen Städte und die YPG angreifen. Während die KurdInnen unter dem Dach des Kurdischen Hohen Rates, einem Zusammenschluss der wichtigsten kurdischen Parteien in Syrien, die Kontrolle über die westkurdischen Gebiete wahren wollen, wird sowohl von einigen Gruppen aus der Freien Syrischen Armee, aber auch, wie in Aleppo, von den Regimekräften Assads versucht, die kurdische Bevölkerung in den Stellvertreterkrieg, der gegenwärtig in Syrien herrscht, hineinzuziehen. Vor allem bei den Angriffen der Freien Syrischen Armee tauchen immer wieder auch Gruppen auf, die dem Umfeld der kurdischen Azadi Partei zuzuordnen sind. Die jüngsten Angriffe in Amude werden auch als Provokation gewertet, die gegen die Teilnahme des Kurdischen Hohen Rats auf die anvisierte Friedenskonferenz für Syrien in Genf gerichtet sind.
In einer Stellungnahme gegenüber unserem Büro erklärt der Europavertreter der PYD Hassan Mohamed Ali, dass die Kurdinnen und Kurden in Syrien auf Dialog und Demokratie statt Krieg und bewaffneten Auseinandersetzungen setzen wollen. “Aber in Serê Kaniyê, Afrin und Amude haben einigen Gruppen der Freien Syrischen Armee die Kurden angegriffen. In Aleppo tun die Regimekräfte dasselbe. All diese Angriffe richten sich gegen die Errungenschaften der kurdischen Bevölkerung. Auch die Türkei hat ihre Finger mit Spiel. Sie unterstützen nun die Azadi Partei und Gruppen aus deren Umfeld, um innerhalb der kurdischen Gemeinschaft für ein Durcheinander zu sorgen. Das ist ein Plan, der darauf abzielt die kurdische Einheit zu beschädigen”, so Ali. Ähnliche Angriffsversuche habe es bereits auch in den Städten Til Temir und Hesekê gegeben.
Auch die YPG machte in einer Erklärung deutlich, dass die bewaffneten Gruppen aus der Türkei gelenkt werden und forderte die beteiligten kurdischen Gruppen auf, ihre gegen die eigene Bevölkerung gerichtete Haltung aufzugeben.
Hintergrund:
Westkurdistan/Syrien: Teilnahme des Kurdischen Hohen Rats an Syrien-Konferenz in Genf
Der Kovorsitzende der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) und Mitglied des Kurdischen Hohen Rat (Desteya Bilind a Kurd, DBK) Salih Müslim, der auf Einladung des russischen Außenministeriums in Moskau war, ist hat danach Hewler (Arbil) besucht. Dort führte er mehrere Gespräche, unter anderem auch mit dem Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan, Masoud Barzani. Dort führte er auch ein Interview mit der kurdischen Nachrichtenagentur DIHA, indem er unter anderem erklärte, dass man an der geplanten internationalen Konferenz in Genf zur Syrien-Frage teilnehmen werde und der Teilnahmeantrag in der Vorbereitungskommission sowohl von der USA als auch von der UNO akzeptiert wurde. Zudem sagte Müslim, dass er in allen Gesprächen klar gemacht habe, dass die einzige legitime Vertretung der KurdInnen in Syrien der Kurdische Hohe Rat sei. „Bis heute hatten sie eine spezielle Politik. Ich denke, aufgrund des Einflusses der Türkei. Nicht nur die Politik der USA, sondern auch die der europäischen Staaten, stand unter dem Einfluss der Türkei, die eine Ausgrenzung der KurdInnen vorsieht. Diese Bedingungen verschwinden langsam.“ sagte Salih Müslim.
Müslim erklärte, dass es noch mehrere Gespräche in Hewler geben und man sich mit allen beteiligten Parteien in Hewler zusammensetzen werde. Zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) erklärte er: „Wir wollen einige Dinge klären. Die YPG ist eine internationale Kraft. Es ist weder die Kraft der ERRK, noch der PYD. Sie ist die Kraft der Völker Rojavas.“ Man werde in einem morgigen Treffen, an dem sich alle Parteien von Rojava (Westkurdistan) beteiligen werden, Streitigkeiten beilegen, besonders die Thematik der Gründung von bewaffneten Kräften außerhalb der YPG.
Müslim erinnerte daran, dass die Grenze zwischen Rojava und der südkurdischen Autonomieregion für Hilfsmittel und zur Deckung der Grundbedürfnisse der Menschen geöffnet wurde, aber betonte auch gleichzeitig, dass er die Nutzung von Grenzübergängen als politisches Werkzeug nicht für richtig halte: „Es wird immer eine Konkurrenz zwischen politischen Parteien geben. Doch es gibt zwei Dinge die wir bezüglich der kurdischen Regionalregierung für wichtig erachten. Erstens, die Regionalregierung muss zu den Parteien Rojavas unparteiisch sein. Zweitens, dürfen die Grenzübergänge nicht als Druckmittel gegen die Bewölkung und als politisches Werkzeug benutzt werden. Ich hoffe, dass solche Dinge in Zukunft nicht weiter vorkommen werden.“
Müslim erklärte, dass die Angriffe von bewaffneten Gruppen auf Afrin, aus der geopolitischen Bedeutung der Stadt herrühren. Die YPG sehe es als ihre Aufgabe die Dörfer Afrins vor mehrheitlich salafistischen Angreifern zu beschützen.
Die Bevölkerung Afrins habe sich durch den Flüchtlingsstrom, der allein aus Halep 500–600.000 Menschen umfasst, nahezu verdoppelt: „Wir versuchen, diese Menschen so gut es geht zu versorgen. Sogar in Europa wurden Kampagnen gestartet.“
Quelle: ANF, 18.06.2013, ISKU