Bei einem türkischen Mörserangriff auf ein Wohnhaus im nordsyrischen Tel Rifat (auch Til Rifaat) sind gestern zwei Minderjährige und eine Frau ums Leben gekommen. Sechs weitere Zivilisten wurden teils schwer verletzt. Bei den Toten handelt es sich um eine erwachsene Frau, deren Namen mit Nazdiyê Mihemmed Mistefa angegeben wurde, und zwei Minderjährige – Macid Yasır Segran und Ebdulmehsin Segran – im Alter von acht und zwölf Jahren. Ob es sich bei ihnen um eine Familie handelt, blieb zunächst unklar. Die Verletzten wurden von Anwohnern in ein Krankenhaus gebracht, nähere Informationen zu ihrem Zustand und den Identitäten liegen noch nicht vor.
Tel Rifat liegt gut dreizehn Kilometer südlich der Stadt Azaz, die seit August 2016 unter türkischer Besatzung steht. Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte bereits bei der Invasion von Efrîn im März 2018 an, auch Tel Rifat besetzen zu wollen. Seitdem kommt es immer wieder zu Bombardierungen der Region, in der tausende Efrîn-Vertriebene leben. Zuletzt wurde Tel Rifat in der Neujahrsnacht von der türkischen Armee und ihren Söldnern bombardiert. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden. Im Dezember 2019 waren zehn Efrîn-Vertriebene bei einem Artillerieangriff türkisch-dschihadistischer Besatzungstruppen in Tel Rifat getötet worden, darunter acht Kinder.
Kriegsdrohungen Erdogans gegen ezidische Stadt Şengal
Parallel zu den anhaltenden Angriffen der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Partner in Nordsyrien drohte der türkische Staatspräsident am Freitag mit einem möglichen militärischen Angriff auf die nordirakische Stadt Şengal (auch Shingal/Sindschar). „Wir können ganz plötzlich über Nacht kommen“, lauteten die Worte Erdogans auf die Frage eines Journalisten zur Lage im Şengal-Gebiet. Vergangene Woche war der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar sowohl nach Bagdad als auch in die Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistans (Südkurdistan) Hewler (Erbil) gereist, um möglicherweise für Unterstützung bei diesem militärischen Vorhaben zu werben. Spekuliert wird über eine türkische Militäroffensive, bei der sowohl Şengal im Nordirak als auch die Stadt Dêrik in Nordsyrien parallel angegriffen werden könnten.
Die Region Şengal war im August 2014 Angriffsziel des IS, der dort einen Genozid an den dort ansässigen Mitgliedern der ezidischen Religionsgemeinschaft verübte. Nach der Befreiung des Gebietes hat die Lokalbevölkerung eine autonome Verwaltung samt Selbstverteidigungseinheiten etabliert. Der türkischen Regierung hat bereits in der Vergangenheit mit militärischen und diplomatischen Mitteln versucht, die Selbstverwaltung in Şengal zu beseitigen.