Fünf Jahre nach dem Massaker von Roboski, ANF, 26.12.2016
Es ist mittlerweile fünf Jahre her seit dem Massaker von Roboski. Am 28. Dezember 2011 bombardierte die türkische Luftwaffe am Grenzgebiet von Şirnex-Qilaban (Şırnak-Uludere) eine große Gruppe junger Menschen, die vom Grenzhandel lebten und in jener verhängnisvollen Nacht aus Südkurdistan zurückkehrten. Die türkische Luftwaffe ermordete an jenem 28. Dezember insgesamt 34 junge Männer. Heute ist Roboski leider eine von vielen blutigen Taten des AKP-Regimes gegen die kurdische Bevölkerung. Doch mit Roboski offenbarte sich das kurdenfeindliche Gesicht des AKP-Regimes vollständig. Der damalige türkische Innenminister İdris Naim Şahin erklärte beispielsweise, dass er die Aufruhe aufgrund des Todes der 34 Menschen nicht verstehe. Immerhin handele es sich bei den Opfern um illegale Grenzhändler und wenn diese nicht getötet worden wären, so hätte man sie verhaftet und verurteilt.
Heute, am 26. Dezember 2016, warten die Angehörigen der Opfer von Roboski weiterhin auf Gerechtigkeit. Doch anstatt, dass die Täter von Roboski durch die türkische Justiz zur Rechenschaft gezogen werden, wurden die Angehörigen der Opfer über die Jahre hinweg aufgrund ihrer öffentlichen Forderung nach Gerechtigkeit mit Strafverfahren überhäuft und verfolgt. Heute sitzt mit Ferhat Encü, ein HDP-Abgeordneter in Haft, der als Angehöriger der Opfer des Roboski-Massakers deren Forderungen ins türkische Parlament tragen wollte. Erst gestern wurde mit Veli Encü der Vorsitzende des Vereins Roboski-Der, ein Verein der die Angehörigen des Roboski-Massakers unterstützt, durch das AKP-Regime festgenommen. Die jüngsten Entwicklungen in der Türkei machen deutlich, wie das Regime der AKP mit seinen Verbrechen an der Menschlichkeit umgeht. Doch der Kampf um Gerechtigkeit wird weitergehen – das erklärt uns Hazal Encü in aller Deutlichkeit:
Hazal Encü: Die Entschädigungszahlungen haben wir abgelehnt
Die 52-jährige Hazal Encü verlor bei dem Massaker ihren 17 Jahre jungen Sohn Cemal Encü. Sie ist eine von vielen Angehörigen der Opfer, die weiterhin für Gerechtigkeit kämpfen. Hazal Encü erklärt, dass sie entgegen ihrer Forderung nach der Verurteilung der Täter lediglich vom türkischen Staat das Angebot für eine Entschädigungszahlung erhalten habe. Dieses habe sie klar zurückgewiesen. „Mein Sohn Cemal war im letzten Jahr des Gymnasiums. Er legte großen Wert auf den Schulunterricht und war auch sehr erfolgreich. Nun sind fünf Jahre seit seinem Tod vergangen. Doch ich erlebe den Schmerz seines Todes jeden Tag aufs Neue. Denn in dieser Zeit hat sich nichts geändert. Am Anfang haben sie uns eine Entschädigungszahlung angeboten, aber das haben wir abgelehnt, weil wir die Verurteilung der Täter verlangten. Dann haben sie gegen uns, also die Mütter, die Geschwister der Opfer geklagt. Es stehen derzeit zwei Verfahren gegen mich und meine zwei Töchter aus“, so Hazal Encü.
Das Justizwesen ist unter der Kontrolle der AKP
Die Mutter von Cemal Encü erklärt, dass sie bis vor dem Verfassungsgericht der Türkei geklagt habe. Doch ihr wäre nirgendswo Gerechtigkeit wiederfahren. Sie berichtet weiter: „Wir haben auf unsere Klage vor dem Verfassungsgericht noch nicht einmal eine Antwort erhalten. Der Grund dafür ist, dass dieses Gericht unter der Kontrolle der AKP steht. Wenn dem nicht so wäre, dann hätten die Gerichte früher oder später die Täter ausfindig gemacht und verurteilt. Wir klagen weiterhin an: Warum wurden 34 Jugendliche in jener Nacht ermordet. Es war offensichtlich, dass es sich um Jugendliche handelt, die vom Grenzhandel lebten. Rund 40 Jugendliche und 70 Maultiere waren in jener Nacht unterwegs. Das bedeutet für uns, dass die Politik der AKP nur mit der Ermordung von unschuldigen Menschen funktioniert. Und als ob das nicht ausreichen würde, klagen sie nun uns an und wir werden festgenommen. Doch Erdoğan sollte wissen, dass er mit seinen Morden, mit seinen Festnahmen uns Kurden niemals vernichten kann.“
Wir werden bis zum bitteren Ende nach Gerechtigkeit verlangen
Hazal Encü unterstreicht in klaren Worten, dass sie bis zu ihrem Lebensende nach Gerechtigkeit verlangen wird. „Wir haben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt. Wir wollen wissen, wer unsere Kinder ermordet hat. Die Verantwortlichen sollen ausfindig gemacht werden. Sie sollen ihre gerechten Strafen verbüßen. Wir werden niemals die Finger von diesem Fall lassen. Sie sollen auch unsere Abgeordneten freilassen. Ferhat Encü, unser Abgeordneter, wurde nur festgenommen, weil er unseren gemeinsamen Fall vertreten hat. Er hat auch immer wieder klar gemacht, dass er diesen Fall bis zum Ende verfolgen wird. Deswegen haben sie ihn nun weggesperrt“, erklärt Hazal Encü.