Besê Hozat (KCK-Exekutivratsvorsitzende), 13. Mai 2015, Özgür Gündem
Vergangene Woche wurde in der Stadt Mahabad in Ostkurdistan eine kurdische Frau mit dem Namen Ferinaz Xosrewani während ihrer Arbeit im Hotel Tara von Mitgliedern des iranischen Geheimdienstes angegriffen. Dieser Angriff auf Ferinaz Xosrewani hat einen großen Volkswiderstand in Ostkurdistan entzündet. Die würdevolle Haltung von Ferinaz hat ganz Ostkurdistan und die andere Teile Kurdistans auf die Straßen geführt.
In den letzten sechs Jahren hat Ostkurdistan zwei große Volkswiderstände erlebt. Der erste war der Widerstand von hunderttausenden Menschen, die am 15. Februar 1999 (Tag der Verschleppung Abdullah Öcalans) aus Protest gegen das Internationale Komplott auf die Straßen gegangen sind. Bei diesem Widerstand haben durch die Angriffe des Regimes dutzende Menschen ihr Leben verloren und hunderte wurden verletzt oder festgenommen. Der 15. Februar, welcher in der Geschichte von Kurdistan als Schwarzer Tag gilt, wurde gilt in der Geschichte von Ostkurdistan als ein Wendepunkt. Die sich aufgrund der Angriffe des Regimes ausbreitenden Aufstände haben bei der kurdischen Frau und der kurdischen Gesellschaft das Freiheitsbewusstsein vergrößert, den Widerstandsgeist entwickelt und die Notwenigkeit einer Organisierung zum Ausdruck gebracht. Die PJAK (Die Partei für ein freies Leben in Kurdistan) wurde als Ergebnis dieser Notwenigkeit gegründet. In derselben Phase hat neben der PJAK-Organisierung auch die Frauenfreiheitsbewegung Ostkurdistans ihre Gründung verkündet.
Der Widerstand der Frauen verfügt in Ostkurdistan über eine sehr tiefverwurzelnde Vergangenheit. Das tiefe Bewusstsein der Verbundenheit zur Heimat bei der Gesellschaft in Ostkurdistan rührt von dem Widerstandsgeist der Frauen in der natürlichen Gesellschaft her. Auch wenn Ostkurdistan über eine lange Historie verfügt, hat sich insbesondere seit dem Jahr 2003 bis in unsere Gegenwarte ein stark wachsender Frauenfreiheitskampf entwickelt. Die Frauen in Ostkurdistan haben diesen Widerstand bis 2014 unter dem Namen YJRK (Vereinigung der Frauen Ostkurdistans) geführt. Seit dem Jahr 2014 wurde mit einer Neuorganisierung unter dem Namen KJAR ein konföderales System für den Freiheitskampf angestrebt. Dieser Widerstand, der mit der Erhängung von Şirin Elumhuli am 9. Mai 2009 und weiteren dutzenden Frauenmärtyrerinnen eine gesellschaftliche Identität gewonnen hat, hat bei den Frauen in Ostkurdistan und im Iran einen starken Freiheitswillen hervorgebracht. Dieser Widerstand, der die Frauen und die Gesellschaft von Ostkurdistan tiefgreifend beeinflusst, wird sowohl in den iranischen Gefängnissen von Frauen wie Zeynep Celaliyan als auch in den Bergen von hunderten Frauenguerillakämpferinnen geführt.
Der Angriff auf Ferinaz ereignete sich am Jahrestag der Erhängung von Şirin Elumhuli. Das iranische Regime hat mit der Ermordung von Şirin Elumhuli beabsichtigt, den freien Willen der Frau zu brechen und den Freiheitskampf zu ersticken. Der Angriff auf Ferinaz hat die gleichen Ziele. Doch die sich in allen vier Teilen von Kurdistan ausbreitenden Volksaufstände haben diese dreckige Rechnung vom ersten Tag an ins Leere laufen lassen. Dem Iran wird es ebenso wenig wie der AKP-Regierung gelingen, die Kurden durch Repressionen und Gewalt sowie dem Verhängen von Ausnahmezuständen zu unterdrücken. Die Lösung wird nicht durch eine blutige Unterdrückung des Widerstands, sondern durch die Beantwortung der Forderungen der Widerstandleistenden zu finden sein. Es bedeutet der demokratischen Politik eine Chance zu geben und einen Weg zu öffnen.
Zwischen dem Iran und der PJAK besteht seit dem September 2011 eine Waffenruhe. Es ist ein großer Fehler, dass seitdem kein politischer Dialog und keine Verhandlungen zwischen beiden Parteien entwickelt werden konnten. Das iranische Regime führt mit den Hinrichtungen, den Vergewaltigungen und der Unterdrückungspolitik das Land jeden Tag ein Stückweit mehr in ein Chaos. Der Iran hat es bisher erfolgreich geschafft, durch ihre Geschicktheit den Krieg im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen zu führen, und somit außerhalb ihrer Grenzen zu halten. Man muss eingestehen, dass sie in diesem Punkt sehr fähig sind. Dem Regime ist es nicht nur gelungen, den Krieg außerhalb ihres Landes zu halten, sie haben gleichzeitig auch ihre Bestrebungen, in der Region durch die Organisierung einer schiitischen Front eine Hegemonialstellung zu erlangen, erfolgreich fortgesetzt. Hierfür hat der Iran in jedem Land, in dem Schiiten leben, diese organisiert und ihren Einfluss in der jeweiligen Landespolitik versucht zu stärken. Das Regime hat die schiitischen Araber bewaffnet und in den Kampf geführt. Insbesondere der Hisbollah in Syrien, im Libanon und in der Türkei hat der Iran jede erdenkliche Unterstützung gegeben und so das Erstarken dieser Organisation gefördert. Diese Politik des Irans hat ihm in einer bestimmten Phase Luft zum Atmen gegeben; doch gegenwärtig generiert diese Politik des Iranischen Regimes nicht mehr dieselben erfolgreichen Ergebnisse wie zuvor.
Die Strategie des Irans den Krieg außerhalb ihrer Grenzen zu halten, ist in einen Phase der Spannung eingetreten. Das Bündnis zwischen Türkei – Saudi-Arabien – Katar und seine Pläne für Syrien und die gesamte Region, welches sie mithilfe des IS und der Al-Nusra-Front verwirklichen wollen, wird den Iran noch weiter einengen.
In all dieser Zeit hat der Iran nicht davor zurückgeschreckt, eine unbegrenzte Repression gegenüber der Gesellschaft im Inneren anzuwenden. Diese Politik der Repression und Gewalt hat die gesamte Gesellschaft des Iran, allen voran die Kurden, in eine Bombe, die kurz vor der Explosion steht, verwandelt. Die Volksaufstände, die sich gegenwärtig entwickeln, sind eine Folge dieser Politik der Repression und Gewalt. Es handelt sich um eine große Explosion der gesellschaftlichen Wut.
Wenn der Iran es wollte, könnte er diese gefährliche Entwicklung sofort stoppen. Eigentlich sollte das Regime wichtige Lehren aus der jüngeren Geschichte der Türkei und der Praktik der AKP-Regierung ziehen. Denn es ist offensichtlich, dass die seit 13 Jahren währende Politik der AKP die Türkei in ein vollständiges Chaos und die AKP in die Auflösung getrieben hat.
Die große Zustimmung der Gesellschaft der Türkei und Nordkurdistans für die HDP kommt aus ihrem Bedürfnis für eine demokratische Lösung. Die HDP vertritt zurzeit als einzige Kraft den Willen für eine demokratische Lösung in der Türkei. Die Gesellschaft kennt diese Realität und schöpft Kraft aus der Existenz der HDP. Die Gesellschaft sieht sehr gut, dass ein Parlament ohne die HDP sich in ein Marionettenparlament der Diktatur verwandeln würde. Die große Panik der AKP rührt genau aus diesem Grund. Die Äußerung von Yalçın Akdoğan, dass es ausgezeichnet wäre, wenn die HDP unter der Hürde bleiben würde, ist eigentlich ein Eingeständnis der Angst vor der Kraft der HDP. Akdoğan durchlebt eine Panik, weil er genau weiß, dass der Sieg der HDP das Ende der Diktatur von Erdoğan und der AKP-Hegemonie bedeutet.
Derselbe Akdoğan weiß auch, dass ein Parlament ohne die HDP die Türkei in eine Chaos-Phase führen wird. Er weiß das, denn er ist der Hauptakteur dieses Szenarios und dessen Gehirn. Die AKP plant im Falle eines Parlaments ohne die HDP das Land in einen Krieg gegen die Kurden zu führen und aus dem daraus folgenden Chaos wiederum Kapital für sich selbst zu schlagen. Doch der Aufstieg der HDP stört all diese dreckigen Pläne. Daher rührt die Wut in AKP-Kreisen.
So wie für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage und eine Demokratisierung der Türkei ein türkisches Parament mit der HDP eine Notwendigkeit darstellt, gilt eine ähnliche Situation auch für den Iran. Wenn das iranische Regime nicht die Bedingungen für die demokratische Politik schafft und ihr keinen Raum öffnet, kann sie sich niemals vom Chaos und der Auflösung befreien.