Der Kovorsitz des Exekutivrats des KCK erklärt in einer schriftlichen Stellungnahme zu den Luftangriffen der türkischen Armee: “Ende des Jahres 2012 begann ein de facto Waffenstillstand, der zum Newrozfest 2013 offiziell durch Abdullah Öcalan verkündet wurde.
Der türkische Staat hat daraufhin, gepaart mit der Isolation Öcalans und eines psychologischen Druckes, den Waffenstillstand de facto aber beendet. Mit den neuesten Luftangriffen hat die Türkei die Beendigung des Waffenstillstandes einseitig der ganzen Weltöffentlichkeit kundgetan. Diese Politik zeichnete sich bereits in den ersten Monaten durch den Bau weiterer Kasernen, militärischer Gräben und Blockaden, durch die Tötung von ZivilistInnen und die Festnahme vieler AktivistInnen ab; er [der Waffenstillstand] war nur noch einseitig durch uns aufrecht geblieben.
Die Entwicklungen der letzten Wochen und Monaten entleerte unsere Geduld für den Waffenstillstand letztlich doch von jeglichem Sinn. Die neuesten Entwicklungen, in Form von Luftangriffen und massiven Verhaftungswellen, heben die angebahnte Politik der AKP lediglich auf eine neue Ebene, auf die Ebene eines umfassenden Krieges.
Dieser Krieg ist lediglich der militärische Ausdruck des von der AKP ohnehin politisch geführten Krieges. Recep Tayyip Erdogan und die AKP-Regierung haben sich bei ihren Luftangriffen und ihrem Krieg gegen die kurdische Freiheitsbewegung auch zahlreiche zivile Opfer zum Ziel genommen; andere Bedeutung haben die Bombardements von zivilen Zielen und die intensiv geführten Verhaftungswellen nicht.
Auch wenn es heute so scheint als wären die Angriffe der AKP eine Reaktion auf Suruc/ Pirsus, so ist dies in Wahrheit der Ausdruck der vollständigen Umsetzung der eigentlich forcierten gemeinsamen Politik Erdogans und der USA.
Zuvor wurde eine entsprechend angespannte Atmosphäre im ganzen Land geschaffen, nach der äußere Mächte den Zerfall der Türkei zum Ziel hätten. In dieser Atmosphäre wurden repressive Gesetze erlassen und als Ausweg aus der Misere das Präsidialsystem vorgehalten. Diese Bemühungen Erdogans wurden nicht zuletzt durch die demokratischen Lösungsvorschläge Öcalans zunichte gemacht; die angestrebte Hegemonie Erdogans wurde damit gebrochen, der Weg für eine umfassende Demokratisierung der Türkei durch Öcalan aufgezeigt.
Aus dieser Perspektive gesehen, haben eigentlich diese beiden politischen Systeme um Anerkennung gerungen. Alle Bemühungen Erdogans und seiner Gefolgschaft um eine Eskalation, die ihm im Wahlkampf gedient hätte, liefen ins Leere. Ganz im Gegenteil: Jede solche Bemühung wirkte ihr selbst zuwider. Letztlich hatte die Bevölkerung in der Türkei sich ihm widersetzt und sich gegen ein autoritäres System entschieden, sie bestätigte den demokratischen Kurs Öcalans und ebnete den Weg für eine freie und demokratische Türkei. Die Wahlen des 7. Juni hatten diese Botschaft ausgesendet, die 13 Jahre fortwährende Hegemonie der AKP sollte beendet werden.
Während die Botschaft die Lösung aller Probleme und demokratische Reformen bedeutete, wurde diese Ziel nicht zu genüge zur Tagesordnung befördert. Stattdessen wurde die Bühne wieder von Erdogan, der nach den Wahlen unter Schock stand, dazu genutzt, um wieder die Ängste von ‘inneren und äußeren Bedrohungen’ zu verbreiten. In diesem Zusammenhang wird die Politik der Angst und des Schreckens fortgesetzt, um letztlich doch das autoritäre System zu forcieren. Das geschieht über Neuwahlen, die Angriffe starten bereits.
Wenn die AKP die Wahlen gewonnen hätte, anstatt eine Niederlage zu erleiden, hätten sie von Anfang an dafür gesorgt, dass sich die Festnahmen steigern und zuvor hätten sie jegliche Gebiete der kurdischen Freiheitsbewegung angegriffen. Doch ihre Träume fielen ins Wasser. Nach ihrer Wahlniederlage mussten sie ihr Vorhaben erstmal verschieben, da der Wahlerfolg der HDP die Demokratisierung auf die Tagesordnung stellte. Tayyip Erdogan und seine Truppe haben die Wahlergebnisse in jeglicher Form nicht akzeptiert und haben versucht die Ergebnisse zu ihren politischen Gunsten darzustellen. Erdogans Handlungen danach sind eindeutige Zeichen für die jetzt ausgeübte Politik gewesen. Er versuchte sich einen stabilen Angriffsfeld zu schaffen. Noch vor den Wahlen sagte Bülent Arinc, dass die kurdische Freiheitsbewegung schwere Zeiten erwarten würde. Dies waren eindeutige Zeichen zu der jetzt ausgeübten Politik.
Die Luftangriffe und steigenden Festnahmen sind eine klare Kriegserklärung. Die kurdische Freiheitsbewegung wird nach dieser Kriegserklärung nicht schweigen, sondern dementsprechend Antworten geben. Die Worte von Erdogan: ‘entweder sie legen die Waffen nieder oder müssen mit den Konsequenzen leben’, führt uns seine Haltung sehr deutlich vor die Augen. Die Entwaffnung sollte unter der Prämisse der Lösung der Kurdenfrage und eines seit 40 Jahren andauernden Krieges, der letzte Punkt an der Tagesordnung sein. Das darauf bestanden wird dieses Thema, der als letztes anstehen sollte, als erstes auf die Agenda zu setzen, beweist dass die Politik der AKP- Regierung es in Kauf nimmt, diesen Krieg noch weitere 40 Jahre zu führen und kein Interesse an einer Lösung hat. Die Politik die Erdogan und seine Truppe betreiben, erinnern an die 1990er Jahre, in denen Ciller, Dogan Güres, und Mehmet Agar genau dieselbe Politik betrieben haben. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen mit ihren dramatischen Ereignissen und der lächerlichen Politik Erdogans.
Tayyip Erdogan und seine Truppe, üben gegen unsere Bevölkerung gezielt einen Komplott aus.
Tayyip Erdogan und seine Truppe, üben gegen unsere Bevölkerung gezielt einen Komplott aus. Sie ist in sich zerfallen und die Abrechnung ihrer Haltung bekamen sie durch die Niederlage bei den Wahlen. Jedoch konnten sie diese Niederlage nicht verdauen und waren wieder auf der Suche nach neuen Spielchen. Das Massaker von Suruc wurde bisher nur dafür genutzt das zerbrochene Vertrauensverhältnis zwischen dem Westen/der USA und der Türkei wieder herzustellen. Das Massaker von Suruc ist die Praxis dieses Satzes des Geheimdienstchefs der Türkei: Ich lasse aus Syrien ein paar Bomben hier einschlagen und dann können wir unseren Einmarsch in Syrien durchziehen. Das Massaker in Suruc hat diesem Einmarsch den Weg geebnet und es ist zu einem Kompromiss zwischen der Türkei und der USA gekommen. Noch bis gestern posierte die AKP mit dem IS. Heute schon stellt sie sich als ein Opfer des IS dar, um sich die USA im Kampf gegen den IS und der kurdischen Freiheitsbewegung auf die eigene Seite zu stellen. Die Ereignisse in Kilis diente ausschließlich der Normalisierung der Beziehungen zu den USA und dass zur Politik gegenüber KurdInnen geschwiegen wird.
Dadurch soll das Bild der Türkei, als Partner des IS, wieder gebrochen werden und so aussehen als kämpfe die Türkei gegen den IS. In Wahrheit aber verfolgt die AKP die ähnlichen Ziele wie der IS. Das ist auch der Grund, warum so viel Propaganda über die Angriffe auf den IS an der Grenze in Kilis gemacht wird. Indem der türkische Staat jetzt sowohl den IS angreift als auch die PKK angreift, will er das Bild entstehen lassen, dass der IS, die PYD und die PKK gleich seien, nämlich eine Terrororganisation. Es ist kein Zufall, dass kurz nach den Angriffen gegen den IS, die kurdische Bewegung angegriffen wird. Damit will der türkische Staat, alle Beschuldigungen von sich weißen, dass sie nicht gegen den IS kämpfe, gleichzeitig aber sich auch für die Neuwahlen vorbereiten.
Für den eigenen Machterhalt opfern die AKP und Erdogan die Bevölkerung
Die AKP und Erdogan bereiten sich derzeit auf die Wahlen vor. Um die Wahlen zu gewinnen heizen sie gerade die Stimmung auf. Seit langem schon konstruiert Recep Tayyip Erdogan, um ein autoritäres Präsidialsystem zu errichten, innere und äußere Feinde. Diese Angriffe gegen uns sind Teil dieser Politik, um die eigene Macht zu rechtfertigen. Dieser Angriff ist ein Angriff gegen alle Völker und Demokratiekräfte. Selbstverständlich werden wir als kurdische Bewegung da nicht tatenlos zusehen und darauf antworten. Sie werden durch die AKP aus der Position der Schwäche durchgeführt und werden auf keinen Fall Erfolg haben.
Mit diesen Angriffen will die AKP die Bevölkerung wegen der Wahlniederlage bestrafen. Insbesondere Kräfte, die sie mit der kurdischen Bewegung vereint haben und dadurch den Erfolg der HDP bei den Wahlen am 7. Juni sicherten – v.a. die Region Serhad in Nordkurdistan – sollen dafür bestraft mit diesen Angriffen bestraft werden. Die zahlreichen Verhaftungen sind Teil dieser Politik. In Gutmütigkeit Besonnenheit von der AKP zu erwarten wäre nichts weiter als Naivität.
Es gibt im Moment nur eines zu tun; das ist die Ausweitung der Zusammenarbeit und der Solidarität zwischen den demokratischen Kräften. Das Ziel kann nur darin bestehen, die demokratische Zusammenarbeit gegen den faschistischen und Bandengeist Erdogans zu stellen. Damals wie heute müssen alle demokratischen Kräfte sich unter dem Slogan “NO PASARAN” vereinen. Der Widerstand darf sich nicht einfach nur auf bloße Phrasen der Friedlichkeit berufen, sondern muss die Türkei tiefgreifend demokratisieren. Das muss das eigentliche Ziel sein. Um selbst nicht, wie einst ein Pfarrer während des Nationalsozialismus sagte, sagen zu müssen “als sie mich holten, gab es niemanden mehr, der was sagen konnte”, müssen alle demokratischen Kräfte umgehend gemeinsam den Widerstand organisieren und vergrößern.