PRESSEMITTEILUNG: BDP-Abgeordnete Sebahat Tuncel zu 8 Jahren und 9 Monaten Gefängnis verurteilt

Sebahat TuncelPressemitteilung von CENÎ- Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. zum Gefängnis Verurteilung von BDP-Abgeordnete Sebahat Tuncel

Die Diskriminierung und Missachtung der VertreterInnen des kurdischen Volks im türkischen Parlament sind von der Regierung und den Medien in eine politische Lynchjustiz gewandelt worden, die nun eine neue Stufe erreicht hat. Die Istanbuler Abgeordnete der der Partei für Frieden und Demokratie (BDP), Sebahat Tuncel, wurde mittels der Behauptung “Mitglied der PKK” zu sein, zu einer Gefängnisstrafe von 8 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Zudem wurde ihr Ausreiseverbot erteilt. Nachdem der türkische Premierminister Erdogan erklärt hatte, dass er die Richter in dieser Sache angewiesen habe, wurden die ersten Schritt zur Aufhebung der Immunität der BDP-Abgeordneten eingeleitet. Gegen Sebahat Tuncel wurde eine regelrechte Lynchkampagne gestartet, um die BDP-Abgeordnete vom türkischen Parlament ins Gefängnis zu senden. Sebahat Tuncel legte gegen das Gerichtsurteil Widerspruch ein. Die BDP, Frauenorganisationen und der Demokratische Kongress der Völker (HDK) protestierten gegen diesen anti-demokratischen Angriff auf die Frauenrechtlerin und BDP-Abgeordnete.

Sebahat Tuncel ist eine Abgeordnete, die in ihrer Zeit im Parlament keine Mühen gescheut hat, um diskriminierende Gesetze, Urteile und Praxen zu dechiffrieren und diese zu überwinden. Sie betreibt Politik mit dem Bewusstsein, dass der Aufbau eines gesellschaftlichen Friedens die Freiheit aller Mitglieder der Gesellschaft bedarf. Sie hat sich nicht darauf beschränkt, die Forderungen des kurdischen Volks und der kurdischen Frauen nach Frieden und gleichberechtigter Teilnahme zu verteidigen, sondern sie hat die Stimme von allen Unterdrückten, Ausgegrenzten und vor allem von Frauen und LGBTs ins türkische Parlament getragen.

Da sie sich dem Druck und den Anfeindungen des AKP-Staates nicht beugte, wurde sie zu einem Angriffsziel der Regierung. Trotz Massenverhaftungen, Tränengasbomben, Drohungen und Massakern hat die BDP ihren Widerstand gegen die patriarchale und faschistische Politik der AKP fortgesetzt. Die offenen staatlichen Angriffe auf die BDP und ihre Mitglieder soll nun auf die BDP-VertreterInnen im Parlament ausgeweitet werden. Die BDP und ihre Abgeordneten, die auf direkte Weise vom Premierminister zur Zielscheibe erklärt wurden, sind mit Hunderten von Verfahren konfrontiert und werden immer wieder Opfer von körperlichen Angriffen seitens der Polizei und faschistischer Gruppierungen. Auf allen Ebenen ist versucht worden, ihnen das Recht auf freie Politik zu verwehren. Die AKP-Regierung, die die kurdische Frage nicht löst und auf dem Krieg beharrt, hat nun auch die mit den Stimmen des kurdischen Volks ins Parlament gewählten Abgeordneten zur Zielscheibe erklärt. Nachdem unter dem Schutzmantel der Antiterrorgesetze fast zehntausend PolitikerInnen und Mitglieder der BDP verhaftet worden sind, soll diese Welle der Razzien und Internierungen jetzt durch die Verhaftung der kurdischen Abgeordneten vollendet werden. Denn für die Vertreter des politischen Islams in der Türkei, zu denen faschistisch-religöse Kräfte wie die Gülen-Bewegung und die AKP gehören, stellen die politischen VertreterInnen des kurdischen Volks ein ernstes Hindernis dabei dar, die Gesellschaft und Politik noch mehr zu beeinflussen und zu manipulieren.

Das Gerichtsurteil gegen Sebahat Tuncel ist deshalb ein Urteil gegen die demokratische Politik in der Türkei. Denn die rassistischen und sexistischen Gesetze und Angriffe der AKP-Regierung zielen darauf ab, die Gesellschaft einzuschüchtern, Frauen aus dem öffentlichen und politischen Leben zurückzudrängen und somit die Grundlage für eine demokratische Politik in der Türkei zu zerstören. Durch eine derartige politische Lynchjustiz, die mit Unterstützung der türkischen Medien durchgeführt wird, werden geradezu rassistische und faschistische Übergriffe auf die BDP und KurdInnen angestachelt. So wurden in den letzten Wochen in vielen Städten der Türkei Parteibüros der BDP durch Faschisten angegriffen und demoliert.

Die Gefängnisstrafe gegen Sebahat Tuncel hat keinerlei rechtliche Grundlage und ist ungerechtfertigt. Allein schon der Fakt, dass Erdogan vor der Urteilsverkündigung angekündigte, “Die Justiz wird das Nötige verrichten”, zeigt, dass es sich hierbei um ein politisches Urteil handelt. Derartige Interventionen der Regierung haben in demokratischen Ländern keinen Platz und finden nur in diktatorisch-faschistischen Regimen statt. Dieses Urteil spiegelt außerdem die Annäherung der AKP-Regierung an die kurdische Frage wider. Auch wenn der Premierminister immer wieder beteuert “In der Türkei gibt es keine kurdische Frage, sondern ein Terrorproblem”, so zeigen die Tatsachen vielmehr: In der Türkei gibt es die ungelöste kurdische Frage und ein ernstes Problem des Staatsterrors. Dieses zeigen die tagtäglich von der AKP und ihrem Polizeiapparat angewandten faschistischen, rassistischen und sexistischen Praktiken sehr deutlich. Kürzlich antwortete der Vizepremierminister auf die Frage einer Journalistin bezüglich der Frauenquote in der Satzung der BDP mit den Worten “Wie kommen Sie denn dazu, diese als Frauen zu bewerten?” Diese Worte führen vor Augen, wie frauenfeindlich und rassistisch diese Regierung gestimmt ist. Aus diesem Grund sind die Angriffe gegen Sebahat Tuncel als Angriffe gegen alle Frauen, vor allem aber kurdische Frauen zu werten.

Als Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. verurteilen wir das Urteil gegen Sebahat Tuncel sowie jegliche Angriffe gegen Frauen und das kurdische Volk auf das Schärfste. Die vom Volk direkt gewählten Abgeordneten der BDP repräsentieren den Willen des Volks. In diesem Sinne kann auch nur das Volk über diese urteilen. Diejenigen, die gewählte Abgeordnete entgegen dem Willen des Volkes verurteilen, um ihre eigenen Machtinteressen durchzusetzen, werden selbst durch die Völker verurteilt werden.

CENÎ- Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.

Düsseldorf, 01.10.2012

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