Vor dreißig Jahren wurde vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther ein Betätigungsverbot gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) in Deutschland erlassen. Die Kampagne „PKK-Verbot aufheben“ hat dieses Jahr eine Vortragsreihe ins Leben gerufen, um auf das Demokratiedefizit des PKK-Verbots in Deutschland aufmerksam zu machen und ein tieferes Bewusstsein über die Ziele der Arbeiterpartei Kurdistans in der Gesellschaft zu schaffen, welche sich um Geschlechterbefreiung, soziale Ökologie und Basisdemokratie drehen. Zudem wird zu einer bundesweiten Demonstration gegen das PKK-Verbot, die am 18. November in Berlin mobilisiert. Der gesamte November ist zum Aktionsmonat gegen das PKK-Verbot erklärt worden.
Die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) schließt sich der Forderung an und hat folgende Stellungnahme abgegeben:
Am 22. November 1993 verhängte der damalige deutsche Innenminister gegen die PKK ein Betätigungsverbot. Es folgten Verbote gegen zahlreiche Organisationen und Medien, denen unterstellt wurde, Teil der PKK-Struktur zu sein. Begleitet wurde dies von den üblichen Kennzeichenverboten. Seit 2002 wird die PKK von der EU als Terrororganisation gelistet. In der Folgezeit wurden Hunderte kurdische Aktivist:innen wegen Verstoß gegen diese Verbote und wegen Verstoß gegen die §§ 129a und 129b StGB angeklagt und zum Teil zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Der weitergehende Versuch, Versammlungen kurdischer Organisationen generell zu kriminalisieren, ist bisher vor den Gerichten gescheitert.
Bereits 1993 begründete das Bundesinnenministerium die repressiven Maßnahmen wie folgt: „Die Tätigkeit der ‚Arbeiterpartei Kurdistans‘ (PKK) einschließlich ihrer Teilorganisationen ‚Nationale Befreiungsfront Kurdistans‘ (ERNK), […] verstößt gegen Strafgesetze, richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, gefährdet die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland.“
Schon zum damaligen Zeitpunkt gab es erhebliche Zweifel, ob das Verbot tatsächlich deutschen Sicherheitsinteressen dient, oder eher den politischen Interessen der türkischen Regierung. Obwohl Abdullah Öcalan schon 1995 den Gewaltverzicht erklärt hatte, wurde in Deutschland nichts unternommen, um ihr den Weg zurück zur Legalität zu ebnen.
Inzwischen muss selbst der Verfassungsschutz in seinem Bericht für 2022 einschränkend feststellen: „Wenngleich in Europa weiterhin friedliche Veranstaltungen und Aktivitäten im Vordergrund stehen, bleibt Gewalt eine strategische Option der PKK-Ideologie.“
An die Stelle erwiesener Gewalttätigkeit ist die Gewalt als vage strategische Option getreten, eine rechtlich nicht greifbare Vermutung. Zurecht wurde daher immer wieder versucht, mit rechtlichen und parlamentarischen Mitteln die Kriminalisierung der PKK zu beenden. In einem Antrag der Bundestagsfraktion von Die Linke vom Dezember 2014 heißt es dazu:
„Einleitung politischer Schritte zur Aufhebung des vereinsrechtlichen Betätigungsverbots für die PKK und ihr angeschlossene Organisationen sowie ihr nahestehende Vereinigungen und Medien, Beendigung aller ausländerrechtlichen Sanktionen, Amnestie, Widerruf der strafrechtlichen Verfolgung als ausländische terroristische Vereinigung, Initiative auf EU-Ebene für die Streichung der PKK von der Terrorliste, Fortsetzung der Friedensgespräche zwischen der türkischen Regierung und der PKK.“
Die PKK hat wiederholt gegen Aufnahme in die EU-Liste der terroristischen Organisationen geklagt. Der EuGH hat ihr nur Recht gegeben, weil die Beschlussfassung der EU formal fehlerhaft war. Im Mai 2022 hat die PKK erneut die Aufhebung ihres Betätigungsverbots beim Bundesinnenministerium beantragt Eine Entscheidung steht noch aus.
Die VDJ unterstützt diesen Antrag ebenso wie andere Initiativen zur Beendigung der Kriminalisierung der PKK. Die Forderungen der Fraktion die Linke im Bundestag von 2014 besitzen weiterhin Gültigkeit:
- politische Schritte zur Aufhebung des 1993 verhängten vereinsrechtlichen Betätigungsverbots für die PKK und ihre Teil-, Neben- und Nachfolgeorganisationen sowie ihr nahestehende Vereinigungen und Medien einzuleiten,
- die Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz für die Verfolgung der PKK als ausländische terroristische Vereinigung nach Paragraph 129b StGB zu widerrufen,
- alle in Verbindung mit dem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot der PKK und ihrer Teil-, Neben- und Nachfolgeorganisationen sowie ihr nahestehender Vereinigungen und Medien, der Einstufung der PKK als ausländische terroristische Vereinigung nach Paragraph 129b StGB sowie ihrer Listung auf der EU-Terrorliste stehenden ausländerrechtlichen Sanktionen zu beenden,
- politische Schritte für eine Amnestie aller derjenigen Personen einzuleiten, die aufgrund des vereinsrechtlichen Betätigungsverbots der PKK lediglich wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK oder ihrer Teil-, Neben- und Nachfolgeorganisationen oder ihr nahestehender Vereinigungen und Medien verurteilt wurden oder gegen die derzeit entsprechende Ermittlungsverfahren laufen,
- sich auf EU-Ebene für die Streichung der PKK (einschließlich als a.k.a. gelisteter Organisationen wie KADEK, Kongra-Gel) von der Liste terroristischer Organisationen einzusetzen und bei der nächsten Abstimmung über die Liste beim Rat der Europäischen Union ihr Veto gegen eine weitere Listung der PKK einzulegen,
- die türkische Regierung und die PKK zu einer konstruktiven und transparenten Fortsetzung der begonnenen Friedensgespräche mit dem Ziel einer dauerhaften Friedenssicherung durch die Umsetzung demokratischer Reformen im Bereich der Menschen- und Minderheitenrechte zu ermutigen.
Die VDJ fordert die Bundesregierung auf, den Antrag von Mai 2022 zu beantworten und die Forderungen der Linken von 2014 umzusetzen. Die Kriminalisierung der kurdischen Opposition muss ein Ende finden.