Die Besatzung Afrins als Beginn der Teilung Syriens

Journalist Ferda Çetin über die Konsequenzen der türkischen Besatzung in Afrin für Syrien, 21.03.2018

Das Szenario der Teilung Syriens in drei Teile wird Wirklichkeit. Mit der Besatzung des türkischen Staates in Afrin hat die Teilung de facto begonnen. Die Position der USA, Russlands, der EU und der UNO hinsichtlich der Angriffe der Türkei auf Afrin zeigt die unbegrenzte Unterstützung dieser für die Besatzung und weitere Massaker.

Ein Syrien ohne Widersprüche zwischen den Ethnien, Religionen und Konfessionen, ohne den Forderungen auf Öl und Boden oder mit den alten Grenzen kommt weder Russland, noch den USA gelegen. Denn für solch ein Syrien zu stehen würde eine Unterstützung des in Nordsyrien und Rojava umgesetzten demokratisch-autonomen Kantonsystems bedeuten. Die USA und Russland möchten mit einem dreigeteilten Syrien die Widersprüche und Spannungen zwischen den Völkern, Religionen und Konfessionen nicht beenden, sondern im Gegenteil weiter lebendig halten und so Abhängigkeit schaffen. Die selbstsichere und bequeme Position von Erdoğan und den türkischen Staatsvertretern rührt nicht aus dem Glauben an ihre eigene Stärke, sondern aus deren Miteinbeziehung in den Plan des „dreigeteilten Syriens“ durch die USA und Russland.

Wenn es keine außergewöhnlichen Überraschungen gibt, wird der Plan der USA und Russlands wie folgt ablaufen: Das Gebiet um Efrîn-Ezaz-Mare-El Bab-Cerablus wird der Türkei, der Al Qaida, Al Nusra und dem IS; der Osten des Euphrat dem kurdisch-amerikanischem Zusammenschluss; der Westen des Euphrat dem syrischen Regime, Russland und dem Iran übergeben

Da die mit der Türkei verbündeten Gruppen aufgrund ihrer Disziplinlosigkeit und Gier nach Geld und Materialien keine konstruktive Rolle in dem ihnen übergebenen Gebiet einnehmen werden, wird die Kontrolle über das Gebiet der Türkei übergeben werden. Die europäischen Staaten sind über diesen Plan informiert und unterstützen ihn.

Die europäische Öffentlichkeit hat mit ihrer Solidarität gegen den Einmarsch in Afrin große Aufmerksamkeit bewiesen. Die deutschen, englischen und französischen Medien haben ihre Regierungen zu Eingriffen gegen die türkische Besatzung aufgefordert. Doch die relevanten Akteure in Europa haben diesen Protesten kein Gehör geschenkt und warten das Ende der Besatzung ab. Denn ein großer Teil der Gruppen, die am Krieg in Irak und Syrien teilnahmen, sind nun in der Türkei und in Ildib. Europa fürchtet eine Zerstreuung dieser Gruppen und möchte diese in Syrien und in der Türkei festhalten. Teil des Plans ist es auch die drei Milliarden Dollar in dieser Phase der Türkei zu übergeben, die im Rahmen des Flüchtlingsdeals 2015 beschlossen wurden, aber aufgrund der angespannten Beziehungen nicht gezahlt, sondern eingefroren wurden.

Europa und die UNA rechnen damit, dass die 800.000 Geflüchteten aus Afrin nicht nach Europa kommen werden und mit der Unterstützung der Rojava-Kantone leben können. Deshalb sind sie „froh“ darüber, der UNO keine wirtschaftliche Last aufzubürden. Die Verlegung eines Großteils der Flüchtlinge in der Türkei in das besetzte Afrin bedeutet nicht nur eine Entlastung für Erdoğan, sondern stellt auch einen Punkt dar, auf den die UNO und die EU insgeheim gehofft haben.

Die USA und Russland, die den Anschein vermitteln in Konkurrenz miteinander zu stehen, erlebten vor dem Krieg im Irak und Syrien ihre schwächste Phase im Mittleren Osten. Beide hatten das Bedürfnis eines Neustarts ihrer Politik im Mittleren Osten. Der Plan der Dreiteilung Syriens befriedigt ihre Bedürfnisse größtenteils. Denn ein demokratisches Syrien, das eigenständig seinen inneren Frieden gewährleistet, hätte kein Bedürfnis mehr nach den USA und Russland. Solch ein demokratisches System würde bedeuten, dass die Präsenz Russlands und der USA in Syrien nicht langfristig andauern könnte. Ein dreigeteiltes Syrien bedeutet für alle außer den USA und Russland ein Leben in Unsicherheit und Spannung sowie eine kontinuierliche Krise. Solch eine Spannung und Krise bringt die Menschen dazu sich nach einer Autorität zu richten. Die USA und Russland scheinen dazu bereit zu sein, diese Rolle einnehmen! Die krisenhafte Situation würde die Spannungen aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg lebendig halten. Dies würde die Beteiligten nicht dazu bringen ihre Energien und Ressourcen für nützliche Dinge zu nutzen, sondern zu Machtausbau, Bewaffnung, Schwächung der Gegner etc. führen.

In meiner Kolumne am 29. September 2014 schrieb ich, dass der IS mit seinem Gedankengut das für den Mittleren Osten beispielhafte Modell in Kurdistan durchkreuzen wollte.

Dass Syrien in drei geteilt werden soll und die Menschen in Syrien in einem Zustand permanenter Unruhe gehalten werden sollen, sind solch kleine „Details“, dass sie dem Besitzanspruch des Erdöls in Syrien durch die USA (östlich des Euphrats) bzw. durch Russland (westlich des Euphrats) für die nächsten 20 bis 25 Jahre keine Hindernisse darstellen können. Vor längerer Zeit  nahm der Künstler aus Kirkuk, Abdurrahman Kızılay, an einer Diskussionsrunde im Fernsehen teil, in welcher der Moderator ihn nach dem Ölreichtum in Kirkuk und den eigentlichen Besitzern der Stadt fragte. Abdurrahman Kızılay sagte damals: “Kirkuk gehört allen, möge Gott das Öl verfluchen, wenn es doch nur austrocken würde und wir frei wären”. Wie schön er damals die Situation zusammen fasste! Wie sehr doch das Sprichwort in Afrika, dass Öl der Mist des Teufels sei, stimmt.

Die Kolumne erschien im Original am 19.03.2018 unter dem Titel „İlahlar bölünmüş Suriye istiyor“ in der Tageszeitung Yeni Özgür Politika.