Die Vereinbarungen mit der Türkei sind nun öffentlich

salih_muslimmDer Kovorsitzende der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) Salih Müslim, hat in einem Interview mit der türkischen Tageszeitung Radikal über seine Gespräche mit türkischen Staatsvertretern gesprochen / 29.07.2013

(…) Wir haben über den Aufbau einer vorläufigen Verwaltungsinstanz gesprochen und uns geeinigt. Wir haben ihnen erklärt, dass einige Parteien dies falsch verstanden haben. Wir haben erklärt, dass wir im Hinblick auf die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen in der Region von einer zivilen Verwaltung sprechen, die keine Regierung darstellt. Und sie haben uns verstanden. Sie haben dies akzeptiert. Wir haben ihnen mitgeteilt, dass unser Ziel in dieser Verwaltungsinstanz ist, alle Kreise der Gesellschaft, darunter Kurden, Araber, Assyrer und Turkmenen, ihren Platz haben, wir uns aber noch in einem Diskussionsprozess darüber befinden. Diesbezüglich haben sie sich positiv angenähert, und haben es akzeptiert. Wir haben auch erklärt, dass dies keine Abspaltung bedeutet. (…)

Sie wurden zum ersten Mal als Kovorsitzender der PYD in die Türkei eingeladen. Wie bewerten Sie den Besuch?

Unser Besuch fand auf Wunsch des türkischen Außenministeriums statt. Zuvor gab es bereits diverse Gespräche über andere Wege. Doch die Vertreter des türkischen Außenministeriums wollten nun zum ersten Mal die Gespräche in Istanbul führen. Wir haben diese Einladung angenommen und uns mit ihnen getroffen. Wir haben mit hochgradigen Verantwortlichen des Außenministeriums gesprochen. Das war gut, die Tür wurde geöffnet. Es gibt eine Veränderung der Politik der Türkei. Unseres Erachtens waren die Gespräche sehr positiv. (…)

Über welche Themen haben Sie mit den türkischen Delegierten gesprochen, was hatten diese für Forderungen? Wurde auf Ihre Wünsche als PYD beziehungsweise als syrische Kurden eingegangen?
Es gab bestimmte Hauptthemen. Die Gefechte in Rojava. [Westkurdistan/Nordsyrien] halten an. Wir haben über den Aufbau einer vorläufigen Verwaltungsinstanz gesprochen und uns geeinigt. Wir haben ihnen erklärt, dass einige Parteien dies falsch verstanden haben. Wir haben erklärt, dass wir im Hinblick auf die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen in der Region von einer zivilen Verwaltung sprechen, die keine Regierung darstellt. Und sie haben uns verstanden. Sie haben dies akzeptiert. Wir haben ihnen mitgeteilt, dass unser Ziel in dieser Verwaltungsinstanz ist, alle Kreise der Gesellschaft, darunter Kurden, Araber, Assyrer und Turkmenen, ihren Platz haben, wir uns aber noch in einem Diskussionsprozess darüber befinden. Diesbezüglich haben sie sich positiv angenähert, und haben es akzeptiert. Wir haben auch erklärt, dass dies keine Abspaltung bedeutet.
Wie sie wissen, gibt es anhaltende Gefechte mit der Al-Nusra. Auch darüber haben wir gesprochen. Sie [die türkischen Staatsvertreter] erklärten uns gegenüber: „Die Nusra ist nicht nur euer Feind, sondern der Feind des gesamten Mittleren Osten und auch unser Feind.“ Wir haben ihnen geantwortet, dass „die Nusra über euren Norden auf unser Seite kommt“. Sie versprachen, Maßnahmen dagegen zu treffen. Abwarten. Außerdem haben wir mit ihnen über die humanitäre Hilfe für die Völker Rojavas gesprochen. Wie sie wissen, gibt es in den Gebieten Afrin und Kobane einen sehr ernsten Mangel an Nahrungsmitteln und Medikamenten. Dazu gibt es noch den Zustand der syrischen Opposition. Wenn es von unserer Seite eine Annäherung an die Koalition gibt, werde man uns behilflich sein.
Dies ist der Rahmen indem die Gespräche stattfanden.

Erwarten Sie in der jetzigen Situation eine Mentalitätsänderung der syrischen Opposition gegenüber den Kurden?
Sie haben bis heute die Kurden nicht akzeptiert. Ich nehme an, dass mit der Wahl von Ahmed Cabra zum Vorsitzenden, die Kurden unter dem Namen des Kurdischen Hohen Rats akzeptiert werden. Es gab z.B. das Thema, dass die Flaggen am Grenzposten von Sere Kaniye ausgetauscht werden. Ja, wir haben angesichts der Empfindlichkeit der Türkei die Flaggen ausgetauscht. Die YPG (kurdische Volksverteidigungseinheiten) hatten die Al-Nusra von dort vertrieben und daher ihre Flagge aufgehängt.
Nun wurde die Kontrolle dem Kurdischen Hohen Rat übergeben.

In den türkischen Medien ist die Meldung aufgetaucht, dass Sie sich auf Imrali mit Öcalan getroffen hätten.
Nein, das ist nicht passiert. Doch wenn so etwas zustande käme, wäre das natürlich sehr gut!

In der US-amerikanischen Presse wird häufig geschrieben, dass Eure Kräfte gegen dschihadistische Gruppierungen kämpfen. Einige Experten meinen, dass Ihr Türkei-Besuch auf Druck der amerikanischen Regierung stattfindet. Besteht die Möglichkeit eines Besuches nach Washington für Sie?
Folgendes sage ich klar. Im Mittleren Osten kämpfen nur die Kurden gegen die Al-Nusra-Front, sonst niemand. Wir führen diesen Krieg selbst. Nicht zum Wohl von jemand anderem. Es ist notwendig, dass Kräfte, die die Demokratie verteidigen, neben uns stehen. Wir haben keine Informationen darüber, ob die USA über die Türkei mit uns Beziehungen aufnehmen will. Wir wissen also nicht, wer das will. Wir wissen nur, dass die Türkei das wollte, und wir sind hingegangen und haben uns mit ihnen getroffen. Wenn die USA das will, können wir auch mit ihnen sprechen. Sie müssten uns sogar gegen die Al-Nusra unterstützen. Ich habe zweimal ein Visum beantragt, doch habe keins erhalten. Ich wollte sowieso aus diesem Grund mit ihnen sprechen. Wenn sie wünschen, gehen wir auch dorthin und diskutieren.

In einem Interview bezüglich des syrischen Regimes sagten Sie: ,,Das Regime muss definitiv geändert werden und die Kurden müssen einen Staus erreichen.” Ist das richtig?
Ja, das stimmt. Syrien wird nicht wie in den früheren Tagen werden. Das Regime wird sich sicherlich ändern. Das Regime wird gehen und ein neues Syrien wird aufgebaut werden. Es wird ein Syrien kommen, indem die Demokratie alle anerkennt, die sich selbst ausdrücken können. Sicherlich wird es auch eine Garantie für die Kurden geben. Die Rechte der Kurden werden verfassungsrechtliche garantiert werden. (…)

Quelle: Radikal, 29.07.2013, ISKU

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Hintergrund:

Kovorsitzender der PYD in der Türkei

Auf Einladung des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu befand sich der Kovorsitzende der Partei der demokratischen Einheit (PYD), Salih Müslim, zwei Tage in Istanbul. Er berichtete der Nachrichtenagentur DIHA über den Verlauf der zweitägigen Gespräche mit türkischen Staatsvertretern.

„Ich bin auf Einladung des türkischen Außenministeriums gekommen. Zuvor gab es bereits indirekte Gespräche. Doch ein Treffen mit türkischen Vertretern von Angesicht zu Angesicht fanden wir für sinnvoller. Heute (26.06.2013) hatten wir ein direktes Gespräch mit Vertretern des Außenministeriums. Die Gespräche sind gut und positiv verlaufen. Wie sie wissen, teilt die Türkei mit Syrien eine neunhundert Kilometer lange Grenze. Auf beiden Seiten leben Kurden. Aus diesem Grund interessieren die Ereignisse an der Grenze und in Syrien an erster Stelle die Türkei. Es braucht unbedingt einen Dialog. Um Missverständnisse zu vermeiden, braucht es Gespräche“, erklärte Müslim.

Auch im Hinblick auf den Aufbau einer vorläufigen Verwaltungsinstanz in Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien) habe man mit den türkischen Staatsvertretern diskutiert: „Erstens wird über den Aufbau einer vorläufigen Verwaltungsinstanz für Rojava diskutiert. Für uns war dies von Bedeutung. Wir haben beobachtet, dass einige zu dieser Frage sehr übertrieben haben. Die Aussage ‚es wird getrennt, eine Autonomieregierung wird ausgerufen‘ entspricht nicht der Realität. So eine Situation gibt es nicht. Es ist ein Jahr vergangen, seitdem die Völker Rojavas die Kontrolle über ihre Gebiete übernommen haben. Aus dieser Erfahrung haben wir gefolgert, dass es nun eine Verwaltungsinstanz, auch wenn sie vorläufig sein wird, braucht. Sowohl im Hinblick auf Nahrungsmittel, als auch im Hinblick auf andere Bedürfnisse der Gesellschaft, ist dies notwendig. Dies haben wir in den Gesprächen erläutert.“

Müslim erklärte, dass in den Gesprächen eine beidseitige Abmachung getroffen worden ist: „Aufgrund der Auseinandersetzungen im Grenzgebiet ist unsere Bevölkerung einer unerträglichen Situation ausgesetzt. Nun gab es ein Versprechen. Die Türkei wird unserem Volk in allen Bereich helfen. Ich spreche von humanitärer Hilfe. Und das ist gut. Denn unsere Sicherheit an der Grenze bedeutet gleichzeitig auch die Sicherheit für die Türkei.“

Man sei in den Gesprächen auch auf den Kurdischen Hohen Rat zu sprechen gekommen: „Es gab während den Gesprächen natürlich auch andere Themen. Es gab auch den Punkt bezüglich der Koalition. Sie hatten nicht akzeptiert, dass wir einen Platz im Kurdischen Hohen Rat einnahmen. Es gibt nun eine neue Leitung. Es gab neue Wahlen und damit eine neue Zusammensetzung. Diesbezüglich wird es weiter einen Meinungsaustausch geben. Wenn wir zu diesem Punkt etwas bewegen können, wäre es eine gute Entwicklung.“

Müslim erklärte, dass die Türkei ihre bisherige Haltung gegenüber der PYD geändert habe: „Die größte Veränderung ist, dass ich hier bin. Warum sollten wir zumindest nicht miteinander reden? Wir können von Angesicht zu Angesicht über alles diskutieren.”

Quelle: ANF, 27.07.2013, ISKU

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