Türkisches Militär attackiert Rojava

Rojava_GrenzePressemitteilung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 27.10.2015

Angaben des Presse- und Informationszentrum der Volksverteidigungseinheiten (YPG) zufolge kam es in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu zwei Angriffen des türkischen Militärs auf Zivilisten und Stellungen der YPG in Kobanê und Girê Spî (Tall Abyad).

In ihrer Stellungnahme erklärt die YPG, dass sich die Angriffe des türkischen Militärs in den Abendstunden des 24. Oktobers und der Nacht zum 25. Oktober ereigneten. Dabei wurden sowohl Stellungen der YPG als auch zivile Wohngebiete beschossen. Bei einem Angriff auf das Dorf Bubanê wurden zwei Zivilisten verletzt. Bubanê liegt westlich von Kobanê.

Der Angriff wurde vom türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu bestätigt. Dieser äußerte zwei Tagen nach den Angriffen, „die Türkei wird das Schicksal ihrer 911 Kilometer langen Grenze [zu Syrien] keinem Land überlassen. Das haben wir sowohl Russland als auch den USA mitgeteilt. Wir haben ihnen gesagt, sollte die PYD (Partei der Demokratischen Einheit) sich dem Westen des Euphrats nähern, werden wir sieangreifen. Und das haben wir auch gemacht. Es kam zu zwei Angriffen.“ Weiter erklärte die YPG, dass parallel zu den Angriffen der Türkei, der Islamische Staat (IS) das Gebiet um Kobanê und Girê Spî angegriffen hat.

Auf einer inoffiziellen Wahlkampfveranstaltung in Gaziantep am 24. Oktober erklärte der türkische Staatspräsident Erdogan, dass die Kontrolle Tel Abyads (Girê Spî) durch die YPG inakzeptabel sei. „Diese Bedrohung kann von unserer Seite aus nicht akzeptiert werden.“, so Erdogan, der betonte, dass die Gründung eines weiteren Kantons durch die autonome Selbstverwaltung von Rojava nicht hingenommen werde, und dagegen alle notwendigen Schritte eingeleitet werden.

Im Gespräch mit dem Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit erklärte Songül Karabulut, Mitglied des Exekutivrats des Kurdistan Nationalkongress (KNK), dass es sich bei dem Vorgehen der Türkei, um eine bewusste Provokation handele. „Im Juni diesen Jahres hatten die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) und die Volksverteidigungseinheiten (YPG) mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe Girê Spî vom IS befreit. Bis dahin nutze der IS das an der türkischen Grenze liegende Gebiet als Einfallstor nach Syrien. Nach der Befreiung von Girê Spî schloss die Türkei die bis dahin offene Grenze und sprach von einer scheinbar terroristischen Bedrohung an ihrer Grenze. Dieser Rhetorik ist die Unterstützung des IS durch die Türkei zu entnehmen. Die aktuellen Angriffe der Türkei gilt es im Gesamtkontext der außen- und innenpolitischen Strategie der AKP- Regierung zu bewerten. Diese befürchtet durch die geographische Vereinigung sämtlicher Kantone Rojavas eine internationale Anerkennung der demokratischen Selbstverwaltung von Rojava. Mit den Angriffen sollen Vergeltungsschläge durch die Volksverteidigungseinheiten bezweckt werden. Dadurch würde die Türkei einen Einmarsch in Rojava und Syrien legitimieren. Jedoch ist sich die Administration von Rojava dessen bewusst und wird sich dementsprechend auf keinerlei Provokation seitens der türkischen AKP-Regierung einlassen.

Auf die Frage, was die Empfehlungen des KNK an die deutsche Bundesregierung seien, entgegnete Frau Karabulut wie folgt: „Durch ihren letzten Ankara-Besuch gab die deutsche Bundeskanzlerin Merkel ein falsches Signal. In dieser Situation müsste Deutschland Druck auf Ankara ausüben, damit diese ihre Angriffe auf Rojava und die kurdische Zivilbevölkerung im Inland einstellt. Die PKK hat vor etwa zwei Wochen einen Waffenstillstand anlässlich der bevorstehenden Wahlen erklärt. Daraufhin intensivierte die Türkei ihre Angriffe in den Städten Nordkurdistans. Die Waffenstillstandserklärung der PKK müsste unterstützt werden. Als wesentlicher Destabilisierungsfaktor forciert die Türkei die Flüchtlingsbewegung aus der Region. Dabei gilt es dieses Problem an seinen Wurzeln zu lösen. Aufgrund fehlender humanitärer Hilfe aus dem Ausland kann die Administration von Rojava die zahlreichen Binnenflüchtlinge nicht weiter versorgen. Anstatt Druck auf die Türkei auszubauen, die Grenzen nach Rojava für humanitäre Hilfe zu öffnen, wird durch die Offerte zur finanziellen Hilfe an die Türkei, eine fehlerhafte Politik betrieben.“