120.000 Menschen seit einer Woche von der Außenwelt abgeschnitten

cizrePressemitteilung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 10. September 2015

In der gestrigen Nacht kamen weiter 8 Menschen bei Angriffen türkischer Sicherheitskräfte auf die Zivilbevölkerung in Cizre ums Leben. Seit dem 4. September besteht eine Ausgangssperre in der Stadt. Die türkische Armee hält die Stadt umzingelt. Türkische Sicherheitskräfte gestatten keinerlei Ein- und Ausreisen in die an der syrischen Grenze liegenden Stadt. Seit Tagen sind sämtliche Wasser- und Stromleitungen unterbrochen. Auch der Telefon- und Internetzugang in der Stadt wurde abgeschnitten. Bisher kamen bei den Angriffen mindestens 20 Menschen ums Leben. Größere Massaker werden vermutet.

Türkische Scharfschützen belagern die Stadt

120.000 Menschen sind seit fast nunmehr einer Woche von der Außenwelt abgeschottet. Das 468 km² umfassende Gebiet ist von türkischen Sicherheitskräften belagert. Sämtliche Zugangswege sind versperrt. Augenzeugen berichten von türkischen Scharfschützen, die sich in der gesamten Stadt verschanzt haben. Seit mehreren Tagen versuchen nun Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) nach Cizre zu gelangen. Ebenso haben sich zehntausende Menschen aus den umliegenden Städten auf den Weg nach Cizre gemacht, um die Belagerung der türkischen Polizei- und Militärkräfte zu durchbrechen. Die türkischen Sicherheitskräften gehen gegen die überwiegend aus zivil-gesellschaftlichen Organisationen bestehenden Demonstrationszug mit äußerster Gewalt vor.

Kein Wasser, Strom, Internet und Telefon seit einer Woche

Aufgrund der Ausgangssperre können weder Verletzte im Krankenhaus behandelt, noch können die ermordeten Zivilisten beerdigt werden. Durch das Abschneiden der Wasser- und Stromleitung und durch die Ausgangssperre stellt die Gewährleistung der Grundbedürfnisse wie Nahrung und medizinische Verpflegung ein drastisches Problem dar.

Indessen hat die Zivilbevölkerung Verteidigungsmaßnahmen gegen die Angriffe des türkischen Staates vollzogen. Die Bewohner der Stadt versuchen sich durch große Spannlaken, die sie zwischen den Häusern angebracht haben, vor den türkischen Scharfschützen zu schützen.

Demirtas: Internationale Druck notwendig

Aufgrund den schrecklichen Entwicklungen in Cizre brach Selahattin Demirtas seinen Deutschland-Besuch ab, um nach Cizre zu fahren. Der HDP Co-Vorsitzende sollte am Montag u.a. Außenminister Steinmeier und Parlamentspräsident Lammert in Berlin treffen. Gegenüber dem kurdischen Nachrichtensender Mednuce äußerte Demirtas am heutigen Vormittag, dass die Bevölkerung von Cizre von größeren Massaker bewahrt werden müsse. „Die AKP lässt nicht ab von ihrer Politik des Massakers. Durch internationalen Druck könnte die AKP gezwungen werden ein Schritt nach hinten zu tätigen.“

Zweites Kobanê

In einem Gespräch mit dem Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit verglich Songül Karabulut, Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Kurdistan Nationalkongress (KNK), dass derzeitige Geschehen mit den Angriffen auf die kurdisch-syrische Stadt Kobanê. „Die uns erreichenden Bilder und Berichte lassen stark an die Angriffe der Terrormiliz des IS auf Kobanê erinnern. Heute nur wenige hundert Kilometer entfernt, ereignen sich ähnliche Vorfälle wie in Kobanê. Nur dass diese sich dieses Mal auf der anderen Seite der Grenzen abspielen. Diejenigen die Allah-u-Akbar, was als ein dschihadistischer Kampfslogan gilt, rufen, tragen dieses Mal Uniformen der türkischen Armee. Es liegt in der moralischen Pflicht der internationalen Gemeinschaft hier aktive Unternehmungen zu vollziehen. Keinerlei multi- oder bilaterale Beziehungen, sei es auch eine NATO-Partnerschaft, legitimieren das Schweigen der Weltgemeinschaft. Nur durch internationalen Druck, vor allem aus Deutschland, können weitere Massaker der AKP an der kurdischen Zivilbevölkerung im eigenen Lande unterbunden werden.“