Demokratische Wahlen in Nordsyrien

Ali Çiçek, Mitarbeiter von Civaka Azad, 06.09.2017

Während der Krieg in Syrien weiter anhält und ein Frieden nicht in Sicht zu sein scheint, wird im Norden Syriens weiter am Aufbau einer demokratischen Selbstverwaltung gearbeitet, wo derzeit die Vorbereitungen für gleich mehrere Wahlen laufen. Am 27. und 28. Juli 2017 wurde auf der Sitzung des konstituierenden Rates der Nordsyrien Föderation das Gesetz über die Verwaltungsregionen und die Wahlen verabschiedet. Wir berichteten bereits über die Neustrukturierung der Demokratischen Föderation Nordsyrien, die nun aus drei föderalen Gebieten und sechs Kantonen besteht. Die Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der Demokratischen Föderation Nordsyrien, Foza Yusif, hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur ANF nun auch Details zu den geplanten Wahlen bekannt gegeben. Demnach werden in Nordsyrien am 22. September Kommunalwahlen, am 3. November Wahlen der lokalen Selbstverwaltungen und am 19. Januar 2018 die Wahl der Regionalräte und des Demokratischen Volkskongresses Nordsyriens stattfinden.

Das Wahlgesetz basiert auf dem Gesellschaftsvertrag

Das am 27./28. Juli verabschiedete Wahlgesetz garantiert eine gerechte Repräsentation der verschiedenen Volksgruppen, Glaubensgemeinschaften und vor allem der Frauen. In allen Wahllisten besteht eine  Frauenquote von 50 Prozent. In der kleinsten Einheit, den Kommunen, bis zur größten Einheit, dem demokratischen Volkskongress, besteht zudem das System der Kovorsitzenden. Nach dem Wahlgesetz ist wahlberechtigt und wählbar, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. Bürger und Bürgerinnen mit einer zehn Jahre währenden Sesshaftigkeit sind wahlberechtigt oder dürfen sich als Kandidat aufstellen.

“Wir schlagen ein freiwilliges Beisammensein vor”

Yusif erklärte zu dem Konzept: „Wenn wir von der Föderation sprechen, erwecken rassistische und chauvinistische Kreise ebenso wir die regionalen Staaten eine Panik, wonach wir ihr Land vermeintlich spalten wollen. Sie haben Angst um ihre eigene Macht. Damit geht auch ihre Antipropaganda einher. Zuallererst möchte ich sagen, dass sich niemand selbst betrügen soll. Es gibt im Irak, Syrien, der Türkei und im gesamten Mittleren Osten keine Einheit. Die Völker haben genug von diesem System. Nach so viel Unterdrückung, Ausgrenzung und sogar Genoziden kann man die Völker nicht mehr an den Staat binden. Wenn man die Völker zusammen halten möchten, dann gibt es nur einen Weg, ein freiwilliges Beisammensein. Die Türkei, der Iran und Syrien zwingen den Völkern eine Sprache, eine Fahne, eine Nation auf anstelle der Möglichkeit, dass die Völker selbst ihr System aufbauen. Wir schlagen ein freiwilliges Beisammensein vor. Wir legen eine Form vor, in der sich die verschiedenen ethnischen Gruppen, Kulturen, sozialen und politischen Gruppen, Religionen und Konfessionen frei zusammenfinden können. Das Modell der demokratischen Föderation ist ein Modell, das sich im Wesentlichen gegen Teilung und Separation richtet, das aber die auf Zwang beruhende Einheit des Nationalstaates ablehnt. Es ist ein Organisationsschema, in dem sich jeder selbst ausdrücken, organisieren und seine Identität frei leben kann. Die Demagogie der herrschenden Staaten von ‚Spaltung‘ ist ein riesiger Betrug. Der Nationalstaat selbst ist es, der die Völker aufeinander hetzt.”

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