Eine Bilanz der seit 34 Jahren mit Frustration endenden „grenzüberschreitenden“ Operationen der Türkei

Eine Übersicht zu den türkischen Militärinterventionen in Südkurdistan (Nordirak), Civaka Azad, 29.05.2017

Alle insgesamt 26 grenzüberschreitenden Operationen, die die türkische Regierung seit dem Jahr 1983 im Rahmen ihres Krieges gegen die kurdische Gesellschaft durchgeführt hat, endeten für sie mit einem Fiasko. Diesmal möchten Erdoğan und die AKP sich mit einer grenzüberschreitenden Operation, die der Traum einer jeden Regierung und jedes Generalstabschefs in der Türkei war und ist, in den Kandil-Bergen und Şengal probieren. Im Folgenden das Zeugnis der grenzüberschreitenden Operationen der Türkei aus den letzten 34 Jahren.

Nach den seit 1983 gegen die PKK in Südkurdistan organisierten hunderten klein angelegten und 26 grenzüberschreitenden Operationen, will die Türkei nun eine weitere Operation durchführen, in dem sie die Kandil-Berge und Şengal angreift. Der türkische Staatspräsident Erdoğan und seine Partei, die AKP versuchen die Sackgasse, in die sie im Syrien-Konflikt geraten sind mit einer Intervention in den Kandil-Bergen und Şengal unter dem Vorwand der PKK zu kompensieren. Während die türkische Regierung plant ihrer neue grenzüberschreitenden Operation den Namen „Dicle-Schild“ zu geben und versucht dafür eine internationale Grundlage zu schaffen, gibt es Truppenverlagerungen und eine verstärkte militärische Präsenz der türkischen Armee an der Grenze zu Südkurdistan (Nordirak).

Bei jeder grenzüberschreitenden Operation kam es zum Zerfall 

Auch wenn die grenzüberschreitenden Bodenoperationen von der ersten im Jahr 1938 bis zur letzten 2008 von der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) mitunterstützt wurden, endeten sie allesamt mit einem Fiasko. Den in verschiedenen Größenordnungen verwirklichten Operationen haben die verschiedenen Regierungen der Türkei und der türkische „tiefe Staat“ immer eine große Bedeutung beigemessen. Nachdem diese lediglich durch die Medien ausgeschmückten Operationen mit einem Fiasko ihr Ende fanden, sind in der Türkei immer große politische, militärische und wirtschaftliche Krisen aufgetreten und interne Abrechnungen wurden begünstigt.

Die erste grenzüberschreitende Operation wurde von Bagdad unterstützt

Die erste der jeweils verschiedenen Namen tragenden Operationen begann 1983 nach der Unterzeichnung des „Abkommens zur Grenzsicherheit und Zusammenarbeit“ zwischen der Militärregierung Kenen Evrens und Bagdads. 7000 Soldaten drangen am 25. Mai 1983 fünf Kilometer in Südkurdistan ein.

Die grenzüberschreitenden Operationen nach den ersten Gefechten

Nachdem die PKK in Südkurdistan ihre bewaffneten Aktionen begonnen und die im Oktober 1984 stattfindende zweite Operation keine Ergebnisse gebracht hatte, begann am 12. August 1986 die dritte Operation, bei der neben den Camps der PKK auch die der KDP als Ziel genommen wurden und viele Zivilisten und Peschmergas ihr Leben verloren. Am 4. Mai 1987 begann anschließend eine Luftoperation, die dasselbe Schicksal wie die vorausgegangen Operationen teilte.

Auch die Versuche von Özal endeten mit Frustration

Während der Amtszeit des 1991 amtierenden Staatspräsident Turgut Özal wurden drei grenzüberschreitende Operationen durchgeführt. Die Serie begann im April 1991 mit dem Namen „Besen“. Bei der zweiten Operation am 5. August kam es in der Region Durjî zwischen der Guerilla und der durch Kampfflugzeuge unterstützten türkischen Armee zu einem fünfzehntägigen Frontkrieg. Als anschließend die Aktionen der Guerilla in Südkurdistan immer mehr wurden, bat Turgut Özal Öcalan darum, die Intensität der Guerillakationen zu reduzieren.

Der Aufbau von Geheimdienstlagern

Die letzten zwei Operationen im Jahr 1991 fanden am 11. und am 25. Oktober statt. Nach den, mit Unterstützung der KDP und der Patriotischen Union Kurdistans (YNK), stattfindenden Operationen wurden in der Linie Duhok-Zaxo-Hewlêr Geheimdienstlager gegründet. Auf diese folgte später der Bau von Militärcamps.

Die „Infiltration“ von 1992

Im Jahr 1992 hat die türkische Armee zum achten Mal ihr Glück versucht und am 6. Mai mit der Operation namens „Infiltration“ begonnen. Als sie auch nach dieser Operation mit leeren Händen zurückkehrte, hat die türkische Armee es im Herbst desselben Jahres erneut versucht. Am 12. Oktober 1992 marschierte die türkische Armee zum neunten Mal mit 15.000 Soldaten, Panzern, Kanonen, Geschützen und mit Luftunterstützung von Helikoptern und Kampfflugzeugen in Südkurdistan ein.  Als die türkische Armee in den 20 Tagen dauernden heftigen Gefechten  kein Ergebnis erzielen konnte, hat sie es den Nachrichten überlassen „Erfolgsgeschichten“ zu erfinden.

Niederlagen in Mezê und Kariyêderî

Das Ende der Operationen vom 10. Juni 1993 und vom 28. Januar 1994 war nicht anders, als die ihrer Vorgänger. Nach der breiten Luftoperation 1994 gegen das Zelê Camp, fand am 6. Februar 1994 erneut eine grenzüberschreitende Operation statt, die die Gebiete Mezê und Kariyêderî zum Ziel hatte. Die im April 1994 mit 5000 Soldaten begonnene 13. grenzüberschreitende Operation hatte erneut Mezê und Kariyêderî zum Ziel.

Die „Stahl“-Operation wurde ein Fiasko

Im Frühling 1995 hat die türkische Armee ihre bis dahin größte Operation begonnen, die von 13 Generalen befehligt wurde und an der 35.000 Soldaten teilnahmen. Die am 20. März startende Operation mit dem Namen „Stahl“, war die größte Operation der Türkei nach dem Militärmanöver auf Zypern. Allerdings endete die Operation, die das Gebiet um Haftanin zum Ziel hatte mit einem Fiasko. Um die Zerstörung, die diese Operation verursacht hat zu beseitigen, wollte die türkische Armee im Juli desselben Jahres eine Pufferzone errichten. Die Offensive, die mit Hilfe der KDP stattfand, dauerte lediglich 45 Tage und kostete 65 Millionen Dollar.

Zwei Operationen im Jahr 1996

1996 wurden zwei Operationen durchgeführt. Die erste Operation am 6. März zielte auf die Linie von Sineht, Haftanîn und Kelareş. Die Operation „Habenichts-Ohrfeige“ hatte die Zivilbevölkerung zum Ziel. In den letzten Tagen des Dezembers im selben Jahr, begann erneut eine Operation in Südkurdistan.

Die „Vorschlaghammer“-Operation

Die erste Operation im Jahr 1997 hieß „Vorschlaghammer“. An der am 14. Mai 1997 begonnenen Operation beteiligten sich 50.000 Soldaten. Nachdem zwei Helikopter der türkischen Armee abgeschossen und die Kommandoebene bei den Gefechten getötet wurde, wurde die Operation eingestellt.

Die „Hammer“-Operation

Nach der großen und umfassenden grenzüberschreitenden Operation „Vorschlaghammer“ begann im September 1997 mit 100 Panzern und 10.000 Soldaten eine erneute Intervention. Die letzte Operation dieses Jahres hieß „Hammer“ und zielte auf Xakurkê. Die von der KDP mitunterstützte Operation endete genauso wie diejenigen davor.

Errichtung von militärischen Hauptquartieren

Nach dieser Operation wurden neben den im Jahr 1992 gebauten Geheimdienstzentren militärische Hauptquartiere errichtet. In Zaxo und vielen anderen Orten wurden eine Vielzahl von militärischen Hauptquartieren mit Panzern, Artillerie und Militärfahrzeugen aufgebaut. Besonders in Batufa, Kanimasi, Bamerne und Şeladize wurden viele Soldaten stationiert.

Die Misserfolge der Operationen „Ziel“ und „Sandwich“

Im Jahr 1998 ist die türkische Armee mit 40.000 Soldaten mit der Operation namens „Ziel“ in Südkurdistan einmarschiert. 1999 führte die Türkei dann zum 24. mal eine grenzüberschreitende Operation durch. Bei dieser „Sandwich“-Operation kam sie auch zu keinem Ergebnis. Zudem musste sich die gemeinsam mit den Kräften der KDP in Richtung Haftanin vorrückende türkische Armee nach vier Tagen, dem 8. Mai zurückziehen. Ihre 25. grenzüberschreitende Operation wollte die türkische Armee im Dezember 2007 mit Luftunterstützung durchführen. Mit der nahezu nur aus Luftangriffen bestehenden Operation wurde nichts erreicht.

Die Niederlage von Zap

Als die Kalender den 21. Februar 2008 anzeigten, war die türkische Armee auf dem Weg ihre größte Niederlage zu erfahren. Die türkische Armee zielte bei ihrem „Sonnen“-Manöver auf die Region Zap. Allerdings war sie mit einem großen Widerstand von Seiten der kurdischen Guerilla konfrontiert. Nachdem die türkische Armee mehrere Soldaten verlor und ein Helikopter abgeschossen wurde, musste sich die türkische Armee am 29. Februar zurückziehen. Nach der Operation sprach man in der Gesellschaft über diese Niederlage der türkischen Armee sprichwörtlich:  „Sie kamen auf Pferden und flohen zu Fuß“.

Grenzüberschreitend Frust, innerhalb der Grenzen Auflösung

Nach der Niederlage in Zap begann in den politischen und militärischen Kreisen der Türkei ein massiver Auflösungsprozess. Hunderte Mitglieder der türkischen Armee landeten aufgrund der „Ergenekon-Prozesse“ im Gefängnis. Einige Jahre darauf, wurde der damalige Generalstabschef Yasar Büyükanit durch die Parlamentarische Kommission zur Putschuntersuchung befragt. Als der damalige BDP-Abgeordnete Sirri Süreyya Önder den Generalstabschef fragte, weswegen man sich aus Zap zurückgezogen habe, antworte Büyükanit: „Sogar das Wasser fror“. Diese Aussage führte zu kontroversen Diskussionen in der Türkei.