Die mit Spannung erwartete Erklärung des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan wurde am 27. Februar in Istanbul durch eine Pressekonferenz der siebenköpfigen İmralı-Delegation der Öffentlichkeit verkündet. Dieser Aufruf Abdullah Öcalans ist zentrales Thema der politischen Debatten in der Türkei und öffnet die Tür zu einer neuen Phase in der Lösung der kurdischen Frage. Der Ko-Vorsitzende von KONGRA-GEL Remzi Kartal betont, dass Öcalans Aufruf zur Auflösung der PKK nicht als ein Ende, sondern als ein neuer Anfang betrachtet werden müsse.
Der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan präsentiert in seiner jüngsten Erklärung die Auflösung der PKK und das Ende des bewaffneten Kampfes als eine historische Notwendigkeit. Wie bewerten Sie diesen Aufruf?
Der historische Aufruf von Abdullah Öcalan steht in direktem Zusammenhang mit den politischen Entwicklungen in Kurdistan, im Mittleren Osten und weltweit. Die militärische Strategie der Türkischen Republik, insbesondere seit 2014, hat die kurdische Frage nicht gelöst, sondern noch verschärft. Dieser Ansatz ist gescheitert und hat die Türkei in eine schwere wirtschaftliche, politische und soziale Krise geführt. Der Appell kommt zu einer Zeit, in der der als Dritter Weltkrieg bezeichnete Machtkampf im Nahen Osten und die Entwicklungen in Palästina-Israel, Syrien, Irak und Iran die Region neugestalten. Die Türkei ist von diesem Prozess unmittelbar betroffen und sieht sich derzeit großen innenpolitischen Risiken ausgesetzt. In diesem Zusammenhang wird betont, dass die Lösung der kurdischen Frage im Sinne des Konzepts der demokratischen Nation eine Chance nicht nur für die Kurden, sondern für alle Völker der Türkei darstellt. Andernfalls werden schnell Warnungen vor der Gefahr einer Spaltung der Türkei laut. Öcalan betont, dass sowohl der Staat als auch die Gesellschaft einen Mentalitätswandel benötigen und daher der Aufbau demokratischer Strukturen unabdingbar ist. Diesen Wandel sieht er als lösungsorientierten Ansatz, den er zunächst innerhalb seiner eigenen Bewegung einleitet. Er prognostiziert, dass dieser Ansatz sowohl den Staat als auch die demokratischen Kräfte beeinflussen wird. Öcalan, der seit den 2000er Jahren eine Strategie des Wandels und der Transformation verfolgt, betont, dass diese aus organisatorischen Gründen nicht vollständig umgesetzt werden konnte.
Der Lösungsprozess von 2013 hatte damals eine ernsthafte Grundlage für diesen Wandel geschaffen, konnte aber aufgrund des mangelnden Willens des Staates zu keinem Ergebnis führen. Heute hat das Scheitern der türkischen Politik eine neue Chance für den kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan eröffnet. In diesem Zusammenhang betont er, dass er den bewaffneten Konflikt in einen politischen und juristischen Prozess umwandeln könne und auch die Kraft dazu habe, wenn der Staat dazu bereit sei und entsprechende demokratische Bedingungen geschaffen würden. Diese Botschaft wurde durch Rückmeldungen von politischen Parteien in der Türkei und in Südkurdistan sowie aus verschiedenen anderen Kreisen geformt und dementsprechend dieser historische Aufruf verkündet.
Öcalans Aufruf zur Auflösung der PKK ist nicht als ein Ende, sondern als ein neuer Anfang zu verstehen. Das grundlegende Ziel des kurdischen Freiheitskampfes, der 1973 begann, war die Lösung der kurdischen Frage und die Sicherung der gesellschaftlichen Freiheit. Die PKK war eines der Mittel dieses Kampfes, aber jetzt wird erklärt, dass der Prozess mit anderen Methoden fortgesetzt werden muss. Öcalan wählt diesen Weg, weil er davon überzeugt ist, dass neue Ansätze den Kampf voranbringen werden.
Abschließend ist zu sagen, dass dieser Aufruf eine große Verantwortung für alle Seiten mit sich bringt. Es ist entscheidend, den Prozess richtig zu verstehen, Verantwortung zu übernehmen und den Aufbau der Gesellschaft zu stärken. Diese Erklärung stellt einen kritischen Wendepunkt in dar. Alle Teile der Bewegung müssen sich diesem neuen Prozess entsprechend neuausrichten. Den Prozess richtig zu verstehen und die eigenen Verpflichtungen zu erfüllen, ist eine historische Aufgabe für alle.
In der Erklärung heißt es: „Es gibt keinen undemokratischen Weg.“ Doch in der Türkei dauern der Druck auf die kurdische politische Bewegung, Verbotsverfahren und Verhaftungen an. Unter diesen Bedingungen – welche Roadmap sehen Sie vor, um den Weg für demokratische Politik zu ebnen?
Derzeit gibt es kein Abkommen oder einen Fahrplan zwischen dem Staat und Öcalan. Es gibt keinen klaren Verhandlungsprozess. Vielmehr geht es darum, geeignete Bedingungen für die Entwicklung des demokratischen und politischen Kampfes zu schaffen.
Öcalan betont: „Wenn ihr bereit seid, die Demokratie weiterzuentwickeln, dann kann auch ich meinen Beitrag zu diesem Prozess leisten.“ Damit signalisiert er, dass er den Boden für den politisch-demokratischen Kampf bereiten könnte. Allerdings betont er, dass dieser Prozess nicht einseitig verlaufen könne und auch der Staat unterstützende Schritte unternehmen müsse.
Der wichtigste Punkt in diesem Zusammenhang ist die Verbesserung der physischen Bedingungen Öcalans und die Schaffung eines freien Arbeitsumfelds. Denn der Fortschritt des Prozesses hängt direkt von seiner Freiheit, seiner Sicherheit und seinen Arbeitsbedingungen ab. Die Haltung des Staates in dieser Frage wird zeigen, wie ernst er den Prozess nimmt.
Die kommenden Wochen werden zeigen, welche Haltung der Staat einnehmen wird. In diesem Prozess widersprechen jedoch anhaltende Angriffe und Repressionen seitens des Staates dem Geist der Entwicklung und erschweren die Suche nach einer Lösung. Es darf nicht übersehen werden, dass bestimmte Kräfte innerhalb des Staates versuchen könnten, den Prozess zu sabotieren.
Deshalb ist der Kampf für Demokratie und Freiheit nicht nur die Verantwortung der kurdischen Bewegung, sondern eine gemeinsame Aufgabe aller, die in der Türkei für Demokratie, Freiheit und Gleichheit eintreten. Dieser Prozess ist nicht nur ein Dialog am Verhandlungstisch, sondern auch ein Prozess des Widerstands. Demokratie und gesellschaftliche Freiheit können nur durch gemeinsamen Widerstand aufgebaut werden.
Der wichtigste Schritt für den Fortschritt dieses Prozesses ist die Verwirklichung konkreter Bestrebungen in Bezug auf die physische Freiheit von Öcalan. Die Entscheidung des Staates in dieser Frage wird das Schicksal des Prozesses bestimmen. Sollte die AKP-Regierung eine klare Haltung einnehmen, wird es für die demokratischen Kräfte entscheidend sein, sich gegen die Repressionen zu organisieren und den Widerstand auszuweiten. Trotz der bestehenden Herausforderungen sollte der Kampf mit Entschlossenheit und ohne Verlust des Glaubens an eine Lösung fortgesetzt werden.
Die PKK hat erklärt, dass sie sich dem Aufruf des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan anschließt und die erforderlichen Maßnahmen umsetzen wird. Wie sollte diese Erklärung interpretiert werden?
Diese Erklärung bringt klar zum Ausdruck, dass der Aufruf von Öcalan uneingeschränkt unterstützt wird und die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung seines Appells ergriffen werden. Dass auf Öcalans Botschaft positiv reagiert wird, ist keine Überraschung – vielmehr wird es als eine Pflicht und Verantwortung verstanden. Das Wesentliche hierbei ist die entschlossene Verbundenheit der PKK mit der Führung von Öcalan sowie ihr Wille, im Einklang mit seinen Botschaften zu handeln. Die PKK hat ihren Teil erfüllt und auf den Aufruf geantwortet. Nun richtet sich der Blick auf die andere Seite – den Staat. Entscheidend ist nun, welche Haltung der Staat einnehmen wird. Sollte er konkrete Schritte in Richtung der physischen Freiheit von Öcalan unternehmen, wird dies als Zeichen dafür gewertet, dass der Prozess fortgesetzt und vertieft werden kann. Der nächste entscheidende Punkt ist daher, ob die Gegenseite die gleiche Entschlossenheit zeigt und entsprechende Schritte unternimmt, um den Prozess voranzutreiben.
Angesichts der Lehren aus dem Lösungsprozess von 2013–2015: Ist es möglich, einen ähnlichen Prozess erneut zu starten? Wie kann ein Vertrauensklima geschaffen werden?
Dieser Prozess unterscheidet sich politisch und strukturell von dem Lösungsprozess der Jahre 2013 bis 2015. Damals war bereits bekannt, dass der Staat keine ernsthafte, auf eine Lösung ausgerichtete Politik verfolgte und dass der Prozess nicht wirklich voranschreiten würde. Während der Staat weiterhin eine kriegszentrierte Strategie verfolgte, betrachtete die kurdische Bewegung den Lösungsprozess als eine Möglichkeit, insbesondere um die Rojava-Revolution zu stärken, und hielt ihn bis zum Ende aufrecht.
Heute zeigt sich jedoch deutlich, dass die Kriegsstrategie des Staates gescheitert ist und in eine tiefe Sackgasse geführt hat. Zwar gibt es innerhalb des Staates Anzeichen für eine neue Suche nach Alternativen, doch bleibt ungewiss, ob ein neuer Prozess tatsächlich erfolgreich sein kann. Denn innerhalb des politischen und militärischen Apparats gibt es weiterhin Kräfte, die gegen eine Lösung sind und den Prozess jederzeit sabotieren könnten. Diese internen Dynamiken sind ein fester Bestandteil des türkischen Staatssystems und dürfen nicht außer Acht gelassen werden.
Gleichzeitig unterscheidet sich die aktuelle politische Lage grundlegend von früheren Phasen. Die allumfassende Kriegsstrategie hat nicht nur ihr Ziel verfehlt, sondern auch massive Zerstörungen und weitreichende Konsequenzen mit sich gebracht. Der andauernde geopolitische Konflikt im Nahen Osten, der als eine Art Dritter Weltkrieg betrachtet wird, hat die politischen Machtverhältnisse in der Region verändert und zu einer Neuordnung geführt. Gleichzeitig befindet sich die Türkei in einer tiefgreifenden wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Krise, die das Land dazu zwingt, seine bisherigen Strategien zu überdenken. Diese strukturelle Krise hat den Staat in eine Situation gezwungen, seine politischen Entscheidungen neu zu bewerten. In diesem Kontext ist auch der jüngste Aufruf von Öcalan zu verstehen, der als eine Antwort auf die aktuelle politische und regionale Lage verstanden werden muss.
Für die Türkei gibt es nun zwei grundlegende Optionen: Entweder sie tritt in einen demokratischen Lösungsprozess mit den Kurden ein, beendet den Konflikt und entwickelt sich zu einem politisch und wirtschaftlich stärkeren Land. Oder aber das Konfliktumfeld bleibt bestehen und die Türkei wird in einen unkontrollierbaren Zerfallsprozess hineingezogen. Aus diesem Grund unterscheidet sich der heutige Prozess von den vorherigen, da er den Staat mit einer tiefen Krise konfrontiert, die ihn unter Druck setzt. Auch die Gespräche, die laut des CHP-Vorsitzenden Özgür Özel seit einem Jahr auf İmralı stattfinden, gestalten sich innerhalb dieses Rahmens. Ob dieser Prozess tatsächlich seit einem Jahr andauert oder schon länger läuft, darüber verfügen wir über keine gesicherten Informationen.
Wie sollte Ihrer Meinung nach ein Ansatz zur Lösung der kurdischen Frage in der Türkei entwickelt werden? Welche Schritte sollten unternommen werden?
Der erste und wichtigste Schritt ist die Sicherstellung der physischen Freiheit von Öcalan. Anschließend muss dieses Thema umgehend auf die Agenda des Parlaments gesetzt werden. Die einseitige Waffenruhe, die die PKK als Antwort auf Öcalans Aufruf erklärt hat, stellt eine historische Gelegenheit dar. Allerdings muss auch der Staat diesem Schritt entsprechend handeln.
Die Waffenruhe muss eingehalten, militärische und politische Angriffe müssen gestoppt werden. Es ist entscheidend, provokative und den Prozess sabotierende Politiken zu vermeiden und dass der Staat in dieser Angelegenheit eine ernsthafte Haltung zeigt. Darüber hinaus müssen die politischen Repressionen ein Ende finden. Verhaftungen von Politikern, kommunalen Mandatsträgern und Journalisten behindern den Fortschritt des Prozesses und untergraben das gesellschaftliche Vertrauen.
Damit der Prozess nachhaltig und stabil voranschreiten kann, müssen im Parlament die notwendigen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Regelungen zur Lösung der kurdischen Frage getroffen werden. Der Hauptgrund, warum die Botschaft von Öcalan an alle politischen Parteien gerichtet ist, liegt genau darin: Das Parlament muss Verantwortung übernehmen und die erforderlichen Schritte einleiten.
Die erste gesetzliche Regelung sollte sich auf die Freiheit von Öcalan beziehen. Danach müssen verfassungsrechtliche Änderungen vorgenommen werden, die die Freiheiten der Kurden sowie aller gesellschaftlicher Gruppen, die nach mehr Demokratie verlangen, sichern und fördern. Solche Schritte werden das Vertrauen der Öffentlichkeit stärken und den Prozess schneller und effektiver voranbringen. Allerdings reicht es nicht aus, diesen Prozess nur vom Staat oder der Regierung zu erwarten. Alle gesellschaftlichen und politischen Kräfte müssen diesen Prozess sowohl im Parlament als auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen unterstützen. Wie Öcalan betont, ist die Stärkung der demokratischen Denkweise und des gesellschaftlichen Aufbaus von entscheidender Bedeutung. Sobald diese Schritte unternommen werden, kann sich der Prozess auf einer stabilen Grundlage entfalten und der Weg für einen dauerhaften Frieden geebnet werden.
Welche Reaktionen erwarten Sie auf diese Erklärung in der internationalen Arena? Wie könnte insbesondere die Haltung der USA und der europäischen Länder aussehen?
Die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik, die die Türkei in der kurdischen Frage verfolgt, führt nicht nur das Land selbst, sondern die gesamte Region in eine zunehmende Instabilität. Während in Syrien der Versuch unternommen wird, eine demokratische Ordnung aufzubauen, haben die türkischen Angriffe auf Gebiete wie Tişrîn und Qereqozax Nord- und Ostsyrien zu einem der Hauptschauplätze der Instabilität gemacht. In ähnlicher Weise verschärfen die militärischen Operationen, die die Türkei im Irak unter dem Vorwand des Kampfes gegen die PKK durchführt, die Unsicherheit in der Region weiter. Daher würde die Lösung der kurdischen Frage nicht nur Frieden und Stabilität innerhalb der Türkei gewährleisten, sondern auch zum allgemeinen Frieden und zur Sicherheit in der gesamten Region beitragen. Die notwendigen Bedingungen hierfür sind bereits vorhanden. Diese Realität hat dazu geführt, dass die internationale Öffentlichkeit den Aufruf von Abdullah Öcalan mit ernsthafter Aufmerksamkeit betrachtet. Seine Botschaft hat nicht nur in der kurdischen Bevölkerung, sondern auch bei den USA, europäischen Staaten und regionalen Akteuren Widerhall gefunden und Unterstützung erhalten. Sogar Kreise, die bisher eher auf Distanz zu Öcalan und der kurdischen Bewegung standen, haben diesen Aufruf zur Kenntnis genommen. Denn die Ausrichtung der Türkei auf einen Lösungsprozess wird nicht nur als ein Schritt zur Sicherung des inneren Friedens, sondern auch als Maßnahme zur Stabilisierung der gesamten Region betrachtet. Gegenwärtig bieten sowohl die internen als auch die externen Bedingungen eine bedeutende Gelegenheit zur Lösung der kurdischen Frage. Diese Chance muss effektiv genutzt und darf nicht verschwendet werden.
Angesichts der aktuellen Machtverhältnisse im Nahen Osten und der unterschiedlichen Positionen der kurdischen Bewegungen in den verschiedenen Regionen – welche regionalen Auswirkungen könnte der Aufruf von Herrn Öcalan haben?
Der Nahe Osten erlebt derzeit einen als Dritten Weltkrieg bezeichneten großflächigen Konflikt, der immense Zerstörung mit sich bringt. Dieser Krieg wird von Machtkämpfen zwischen Staaten, nationalistischen Strömungen, dem Einfluss der Religion auf die Politik und geopolitischen Auseinandersetzungen geprägt. Inmitten dieses Chaos könnte der von Öcalan vorgeschlagene Lösungsprozess, der auf dem Konzept der demokratischen Nation basiert, nicht nur für die Türkei, sondern für alle Völker der Region weitreichende Auswirkungen haben. Die Beendigung der Konflikte und die Entwicklung von Lösungen auf der Grundlage von Demokratie und Dialog könnten ein beispielhaftes Modell für den gesamten Nahen Osten darstellen. Eine der größten Auswirkungen dieses Prozesses wäre in Syrien zu spüren. Sollte die Türkei die kurdische Frage auf demokratischem Wege lösen, wäre sie gezwungen, ihre militärischen Angriffe und den politischen Druck auf Syrien zu beenden. Dies würde eine neue Grundlage für die Entwicklung eines demokratischen Prozesses in Syrien schaffen. Dasselbe gilt für den Irak und andere Länder der Region. Der Erfolg eines solchen Modells könnte nicht nur in der Türkei und ihren Nachbarländern, sondern auch in einer weiteren geopolitischen Dimension, etwa im andauernden Palästina-Israel-Konflikt, als Vorbild dienen. Es könnte demonstrieren, dass bestehende Konflikte nicht durch Krieg und Gewalt, sondern durch Verhandlungen, gegenseitige Akzeptanz, Toleranz und demokratische Prinzipien gelöst werden können.
Aus diesem Grund könnte das von Öcalan vorgeschlagene Modell der Demokratie und des Dialogs nicht nur für die Türkei und den Nahen Osten, sondern auch für Bevölkerungsgruppen, Organisationen und Staaten, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, eine bedeutende Inspirationsquelle sein. Es könnte die Idee des Friedens und des gemeinsamen Zusammenlebens stärken und somit weltweit große Resonanz finden.
In einer Ihrer Reden haben Sie erwähnt, dass Sie einen Brief des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan erhalten haben. Was können Sie über den Inhalt dieses Briefes sagen?
Dieser Brief bildet die Grundlage für den Aufruf, den Öcalan machen wollte. Mit anderen Worten, er sagte: „Ich werde einen solchen Aufruf machen, seid darauf vorbereitet“ und erläuterte die Gründe für diesen Schritt sowie die relevanten Informationen. Gleichzeitig wollte er verstehen, welche Haltung wir zu diesem Aufruf einnehmen würden. Der Brief wurde nicht nur nach Europa gesandt, sondern auch an die PKK, die KCK und die DEM-Partei. Öcalan entschied sich, diesen Brief zu schreiben, nachdem er endgültig beschlossen hatte, den Aufruf zu machen. Denn er war der Überzeugung, dass ein solcher Aufruf zu einer unvermeidlichen Notwendigkeit geworden sei. Diese Briefe entstanden als Ergebnis der gemeinsamen Gespräche mit dem Staat. In diesen Verhandlungen wurde ein bestimmter Punkt erreicht, woraufhin Öcalan eine Entscheidung traf und seinen Aufruf formulierte. Gleichzeitig fragte er, ob es dazu Anmerkungen oder Ergänzungen gebe. Der Brief enthält keine detaillierten Informationen darüber, wie der Prozess weiter verlaufen wird. Allerdings betont er, dass er nach seinem Aufruf auch Vorschläge und Meinungen zum demokratischen Wandel und Transformationsprozess einholen werde. Der Zweck dieses Briefes bestand vorerst darin, Überlegungen zum Prozess auszutauschen und mögliche Vorschläge zu sammeln. Der weitere Verlauf hängt nun von den Entwicklungen nach dem Aufruf und den nächsten konkreten Schritten ab.