Aktuelle Meldungen zum Hungerstreik, 28.03.2019
Aktuelle Entwicklungen
141 Tage Hungerstreik – so lange befindet sich die kurdische Abgeordnete Leyla Güven bereits im Hungerstreik. Wie sehr sie diese Zeit gesundheitlich geschwächt hat, wird deutlich, wenn man aktuelle Bilder von Güven betrachtet.
Der Umgang des türkischen Staates mit den Hungerstreik von Leyla Güven ist nicht nur inhuman, er ist schlichtweg skandalös. Als ob es nicht ausreichen würde, dass die Machthaber im Lande mit aller Kraft die Hungerstreikaktionen in- und außerhalb der Gefängnisse sowie den dadurch entfachten gesellschaftlichen Protest ignorieren und bekämpfen; gestern hat zusätzlich ein türkisches Gericht in der nordkurdischen Provinzhauptstadt Amed (Diyarbakir) einen Vorführungsbefehl gegen Güven erlassen. Gegen die 55jährige HDP-Abgeordnete wird in der benachbarten Provinz Riha (Urfa) weiterhin wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation“ ermittelt. Sie muss also am nächsten Verhandlungstag trotz ihres gesundheitlichen Zustands vor Gericht erscheinen.
Der türkische Staat zeigt sich damit erneut von seiner besonders brutalen Seite. Er will gegenüber den Kurd*innen und ihrem Protest Härte demonstrieren. Hinter diesem Vorgehen steckt so kurz vor den Kommunalwahlen Kalkül. Die gesamte Macht – und somit auch der Wahlkampf – des Erdogan-Regimes basiert auf der Polarisierung der Gesellschaft. Und je stärker die Macht bröckelt, desto aggressiver wird die Rhetorik auf und neben der Wahlkampfbühne. „Vielleicht ist nun wirklich die Zeit gekommen, das Wort ,Faschismus‘ zu benutzen“, sagte die mittlerweile im Exil lebende türkische Schriftstellerin Aslı Erdoğan deshalb zu der Situation in der Türkei in einem jüngst erschienen Artikel der FAZ. Die preisgekrönte Schriftstellerin Aslı Erdoğan saß bis Ende 2016 ein halbes Jahr in Haft in der Türkei. Der Grund ihrer Verhaftung sei ihre Solidarität mit den Kurden gewesen, erklärte sie.
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Stimmen zum Hungerstreik
In Hamburg fand am Mittwochmittag eine Solidaritätsbekundung vor dem Hamburger Rathaus statt. Abgeordnete der Fraktion Die LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft, darunter Martin Dolzer, der einen mehrtätigen Hungerstreik durchführte, bekundeten ihre Solidarität mit den hungerstreikenden Aktivistinnen und Aktivisten. Auch Rolf Becker, bekannter deutscher Schauspieler und langjähriger politischer Aktivist (aktuell bei Ver.di), schloss sich den Forderungen an und betonte seine Solidarität mit der Hungerstreikbewegung. Er forderte die Bundesregierung dazu auf, endlich wirkungsvollen politischen Druck auf die türkische Regierung auszuüben und ökonomische Interessen nicht über die Wahrung der Menschenrechte zu stellen.
Auch der Landesausschuss der Partei DIE LINKE Baden-Württemberg erklärte sich solidarisch mit Leyla Güven. Das teilte Rudolf Bürgel vom Präsidium des Landesausschusses Baden-Württemberg mit. In einer schriftlichen Erklärung heißt es: „Auch in Straßburg befinden sich kurdische Politiker*innen für diese Forderungen seit mehr als 100 Tagen im Hungerstreik. Wir fordern die Freilassung der politischen Gefangenen in der Türkei. Stellvertretend seien hier die ehemaligen HDP-Abgeordneten Figen Yüksekdağ, Selahattin Demirtaş, die Bürgermeisterin Gültan Kışanak und die Sängerin Hozan Canê (Saide Inac) genannt.“ Die türkische Regierung und Justiz müssten die Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention einhalten, fordert der Landesausschuss. Willkürliche Verhaftungen, Folter und Festnahmen Minderjähriger könnten nicht hingenommen werden. Die jahrelang andauernde Totalisolation von Abdullah Öcalan stelle einen eklatanten Verstoß gegen die Menschenrechte dar, heißt es weiter.
Auch aus anderen Parteien des Bundestags kamen in den vergangenen Wochen bereits Solidaritätsbekundungen. So forderten die Bundestagsabgeordnete Canan Bayram und die stellvertretende Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Jamila Schäfer, die Sicherung der Verfahrensrechte der HDP-Abgeordneten Leyla Güven und die Gewähr von Rechtsstaatlichkeit in der Türkei.
Auch Herbert Schmalstieg, ehemaliger Oberbürgermeister von Hannover und Sprecher des Freundkreises Hannover-Diyarbakir, hatte zuvor gefordert die Bundesregierung, Europäische Union und die im Bundestag vertretenen Parteien müssten von der Türkei Rechtsstaatlichkeit einfordern und die Freilassung der politischen Gefangenen verlangen.
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Was bislang in unserer Informationswoche geschah
Im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit zum Hungerstreik haben wir unsere Informationsarbeit fortgesetzt. Wir informierten die Presse, die im Bundestag vertretenen Parteien und ihre Mitglieder, als auch die hiesige Zivilgesellschaft über die Situation der Hungerstreikenden. Im Kontext der anstehenden Kommunalwahlen in der Türkei haben wir die Bedeutung des Hungerstreiks für die demokratische Opposition, die von der HDP verkörpert wird, versucht in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken.